# taz.de -- Jungwähler in Deutschland: Rechts ist jetzt en vogue
       
       > Warum wählen viele junge Leute die AfD? Fragen wir sie doch mal, zum
       > Beispiel in Ilmenau.
       
 (IMG) Bild: Erschreckend: Viele Jungwähler haben die AfD gewählt
       
       Ihre Rucksäcke über die Schultern gehängt schlendern vier Jugendliche die
       Straße entlang. Sie sind 16 Jahre alt und kommen gerade aus der
       Heinrich-Hertz-Schule. Eigentlich haben sie keine Lust darüber zu reden,
       warum so viele junge Menschen bei den Europawahlen rechts gewählt haben.
       Die Frage wird zunächst mit Lachen quittiert.
       
       Er habe sein Kreuz irgendwo gemacht, sagt einer. Er habe überhaupt nicht
       gewählt, ein Zweiter. Ja, er habe AfD gewählt, sagt der Dritte
       unvermittelt. Weil er die Schnauze voll habe von den vielen Ausländern in
       seiner Klasse. Als Deutscher sei man da mittlerweile in der Minderheit.
       
       Die Begegnung findet auf der Pörlitzer Höhe statt. Die Plattenbausiedlung
       am Stadtrand der [1][thüringischen Kleinstadt Ilmenau] sei ein sozialer
       Brennpunkt, sagen Mitarbeiter des Jugendtreffs Oase. Menschen mit wenig
       Geld leben dort, kinderreiche Familien. Und auch mehr Einwanderer und
       Geflüchtete aus Syrien und der Ukraine als unten in der Stadt. Rund 10
       Prozent betrage der Ausländeranteil von Ilmenau, sagt der Sprecher der
       Stadtverwaltung, die vielen ausländischen Studenten auf dem Uni-Campus
       mitgezählt.
       
       Die Heinrich-Hertz-Schule endet nach der 10. Klasse. Man habe Schüler aus
       vielen Nationen, bestätigt eine Mitarbeiterin des Sekretariats. Von
       deutlich dominierenden Migrantenanteilen könne man aber nicht sprechen.
       
       In den Pausen würden nur noch Sprachen gesprochen, die er nicht verstehe,
       ereifert sich der 16-Jährige mit dem Basecap. Im Herbst will er eine Lehre
       als Fliesenleger anfangen. Und die vielen Straftaten erst, schaltet sich
       der Vierte der Gruppe ein. Zum Beispiel? [2][Die Geschichte in Mannheim],
       zustimmendes Nicken aller anderen. Gemeint ist die Messerattacke eines
       mutmaßlichen Islamisten, in dessen Folge ein Polizist starb. „Und die
       Vergewaltigungen“, wirft der 16-Jährige ein, der sein Kreuz irgendwo
       gemacht haben will. Wie bitte? In den Foren und bei Instagram könne man das
       alles nachlesen. Was sie sich von der AfD erhoffen? „Wenn die an der Macht
       sind, kümmern die sich um unser Land,“ sagt der mit dem Basecap bestimmt.
       
       ## Man sieht es an der Kleidung, sagt die Lehrerin
       
       Umfragen zufolge haben bundesweit 16 Prozent der jüngsten Wähler zwischen
       16 und 24 Jahren AfD gewählt. [3][Die Erklärungsversuche] dafür reichen von
       fehlender Präsenz der etablierten Parteien bei Tiktok, wo sich die AfD
       tummelt, bis zur Coronazeit, wo junge Menschen abgehängt worden seien. Eine
       Kunstlehrerin sagt der taz, sie höre oft, dass Jugendliche Zukunftsängste
       hätten. Ihre Beobachtung in den Klassen sei aber auch, dass es en vogue
       geworden sei, eine rechte Einstellung zu haben. Auch an den Frisuren und
       der Kleidung zeige sich das.
       
       Ein 22-jähriger Geschichtsstudent aus Erfurt, der am Bahnhof auf den Zug
       wartet, outet sich als Grünwähler. In seinem Bekanntenkreis gebe es
       etliche, die aus Protest und Provokation AfD wählten, sagt er. Eigentlich
       seien das intelligente Leute, mit denen man Spaß haben könne. Wenn er nach
       den Gründen frage, komme als Erstes, dass sie mit der Haltung der
       Bundesregierung im Ukrainekrieg nicht einverstanden seien. Als Zweites,
       dass Deutschland zu viele Flüchtlinge aufnehme, die nicht
       integrationsbereit seien.
       
       Auf der anderen Seite von Ilmenau befindet sich das Goethe-Gymnasium.
       Hinter der Lehranstalt, die sich in einem Villenviertel befindet, beginnt
       der Thüringer Wald. Zwei Schülerinnen und ein Schüler, 18 Jahre alt, stehen
       vor dem Gebäude. Erschreckend sei der große AfD-Anteil bei den Jungwählern,
       sind sie sich einig. Nein, eine Bildungsfrage sei das nicht. Auch am
       Goethe-Gymnasium gebe es AfD-Wähler, aber das sei hoffentlich eine
       Minderheit. Beeinflussung durch das Elternhaus vermuten die drei als einen
       Grund. Dahinter stecke die Haltung, sich mit einfachen Lösungen
       zufriedenzugeben, sagt eine der Frauen. Genauso schlicht sei das wie die
       Slogans auf den AfD Plakaten. Diskussionen mit diesen Mitschülern hätten
       keinen Sinn. Auch in ihrer Freizeit gingen sie dem Thema Politik aus dem
       Weg, sagt der junge Mann. „Das führt zu nichts“.
       
       16 Jun 2024
       
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