# taz.de -- Medfluencer auf Instagram: Verbotene Gesundheitsmärchen
       
       > Auf Instagram informieren einige Influencer_innen über medizinische
       > Inhalte. Doch nicht nur die Infos sind teilweise falsch.
       
 (IMG) Bild: Ein Stethoskop macht keine Ärztin: Vorsicht mit Doktorspielchen auf Instagram
       
       BERLIN taz | Die Arztpraxen sind voll. Für einen Termin bei der
       Spezialistin muss man oft monatelang warten. Und wenn man seine Symptome
       googelt, formen die Pixel auf dem Bildschirm eine Krebsdiagnose. Sich mit
       der eigenen Gesundheit auseinanderzusetzen, ist in der Regel ziemlich
       lästig. Dem wollen Medfluencer entgegenwirken.
       
       Medfluencer, also „medical influencer“, sind Internetpersönlichkeiten, die
       auf ihren Kanälen ärztliche Tipps geben, über Gesundheitsmythen aufklären
       und aus dem Praxisalltag erzählen. Eigentlich kein schlechtes Vorhaben,
       leicht zugänglich über medizinische Inhalte zu informieren. Schließlich
       haben etwa Fachbücher eine viel höhere Zugangsschwelle als ein nett
       verpacktes Kurzvideo.
       
       Bloß sind die Inhalte vollkommen unkontrolliert, und oft liegen – offen
       oder verdeckt – Interessenkonflikte vor. Wer seriös ist und wer nicht, ist
       für Laien kaum zu unterscheiden. Das ist schon allein deswegen der Fall,
       weil sich viele „Doc“ nennen, obwohl ein Doktortitel nicht vorliegt.
       
       Eine dieser Medfluencer_innen ist die 25-jährige Alina Walbrun (@docalina),
       mit mittlerweile 253.000 [1][Follower_innen auf Instagram]. Eigentlich
       studiert sie noch Medizin. Aber den Titel „Doc“ hat sie sich im
       Benutzernamen vorsorglich schon mal verliehen. Er ist nicht geschützt. Auf
       dem Profilfoto posiert sie mit Stethoskop. Ihre Intention sei es, mit ihren
       Inhalten Aufklärung zu betreiben, wie sie [2][selbst in einem Interview]
       sagt.
       
       ## Selbst für Kranke die falsche Medizin
       
       Ein Thema, das ihr besonders am Herzen liegt, ist Cortisol. Sie listet in
       Videos auf Instagram Symptome für einen erhöhten Cortisolspiegel auf:
       Schlaflosigkeit, Ruhestörung oder Haarausfall. Ihre Follower_innen
       diagnostizieren sich selbst und folgen ihren Ernährungstipps. Morgens
       Kaffee zu trinken, erhöhe den Cortisolspiegel und bestimmte Lebensmittel,
       das behauptet Walbrun, senkten ihn. [3][Zum Beispiel das Matchapulver], das
       sie im Onlineshop für 49 Euro anbietet.
       
       „Das ist etwas, was einen fachlich echt ärgert. Für die allermeisten der
       hier genannten Lebensmittel gibt es nicht den Hauch einer Evidenz aus
       Humanstudien“, sagt Martin Smollich. Er ist Leiter der Arbeitsgruppe
       Pharmakonutrition am Institut für Ernährungsmedizin des
       Universitätsklinikums Schleswig-Holstein und hat bereits einige von Alina
       Walbruns Gesundheitsmythen [4][auf Instagram entkräftet].
       
       Selbst Menschen, die tatsächlich einen erhöhten Cortisolspiegel haben,
       helfe das nicht. „Dann ist es noch gefährlicher, auf Doc Alinas
       Empfehlungen zurückzugreifen und willkürlich Nahrungsergänzungsmittel
       einzunehmen“, sagt Smollich. Ein erhöhter Cortisolspiegel könne
       ernstzunehmende Ursachen haben, etwa einen Nebennierentumor. „Ihre Inhalte
       sind medizinisch und wissenschaftlich absolut irreführend.“
       
       Aber nicht nur deshalb ist Doc Alina umstritten. Als sie im Juni in
       [5][einem Podcast ihrer Gesprächspartnerin] zustimmt, es liege im Interesse
       der Schulmedizin, Patient_innen krank zu halten, um an ihnen profitieren zu
       können, folgte ein Shitstorm. Eine Petition fordert, [6][die
       Ethikkommission solle prüfen, ob sie überhaupt für eine Promotion an der
       Ludwig-Maximilians-Universität in München geeignet] sei.
       
       Kritische Kommentare lösche Alina Walbrun unter ihren Videos und blocke die
       User_innen, bemängeln Unterzeichner_innen der Petition. „Ihr Verhalten soll
       nicht mit dem Doktortitel einer renommierten Uni wie der LMU belohnt
       werden“, steht in der Petition. Ein Video, das die Universität in der
       Vergangenheit mit Walbrun aufgenommen hatte, wurde nach viel Kritik von der
       LMU-Instagramseite gelöscht.
       
       „Walbrun ist völlig ungeeignet, Medizin auszuüben“, stimmt Martin Smollich
       der Forderung zu. „Wer sagt, ein Arzt will seine Patienten möglichst lange
       krank halten, der hat das Prinzip der Medizinfinanzierung in Deutschland
       nicht verstanden.“ Eine solche Ansicht gehöre schon [7][zur Familie der
       Verschwörungstheorien]. „Man kann sich in Deutschland vor Patienten gar
       nicht retten.“
       
       Aber wie können Social-Media-User_innen seriösen Content von dem
       unterscheiden, was beispielsweise Alina Walbrun verbreitet? „Klare Red
       Flags sind Heilversprechen und ein eigenes Verkaufsinteresse“, sagt
       Smollich.
       
       ## Das Fremdwerbeverbot
       
       Walbrun verkauft in ihrem Onlineshop neben dem Matchapulver auch Haut- und
       Kollagenprodukte, die zwischen 70 und 80 Euro kosten. Ein Produkt enthält
       etwa Spermidin: „Das kommt nach unseren Untersuchungen gar nicht im Körper
       an“, so Martin Smollich. [8][Eine Wirkung sei nicht] nachgewiesen.
       
       Was bei Verbraucher_innen außerdem für Verwirrung sorgen kann, sind die
       Siegel, die unter den Produkten aufgelistet sind, „Klinisch getestet“ etwa.
       „'Klinische Forschung’ bedeutet lediglich, dass an Menschen getestet wurde.
       Das bedeutet aber nicht, dass etwas Gutes rausgekommen ist. Es kann auch
       rausgekommen sein, dass das Produkt unwirksam oder schädlich ist.“
       
       Ähnlich irreführend sei das Label „Made in Germany“, wie Gesa Schölgens von
       der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen erklärt. Auch das steht unter
       Alina Walbruns Produkten. „Kolleg_innen haben einen Marktcheck dazu
       gemacht. Sie haben Produkte mit dem Label untersucht und festgestellt, dass
       ganz viele Inhaltsstoffe eigentlich aus asiatischen Laboren stammen.“
       
       Was genau das Label bei Walbruns Produkten bedeute, sei unklar. Es
       suggeriere aber Qualität und Vertrauenswürdigkeit, so Schölgens. Die taz
       bat Alina Walbrun um Erklärung, erhielt aber bis Redaktionsschluss keine
       Rückmeldung.
       
       Eine andere Medfluencerin ist Emi Arpa. Sie ist Fachärztin für
       Dermatologie, hat also anders als Alina Walbrun einen echten Doktortitel.
       Auf Instagram folgen ihr 480.000 Leute. Deutsche Promis besuchen regelmäßig
       ihre Praxis und in diversen Laber-Podcasts wird sie genamedroppt.
       Anti-Aging ist ihr Fokus.
       
       Vergangenes Jahr startete Emi Arpa mit einer Skincareline namens „Dr. Emi
       Arpa Fermented Formulations“. Die verkauft sie jetzt an einem eigenen
       [9][Stand im Berliner Kaufhaus KaDeWe]. Um für den zu werben, verteilte sie
       vergangene Woche [10][Gratis-Eis vor dem Einkaufszentrum]. Wo man hinguckt,
       liest man groß und fett „Dr. Emi Arpa“.
       
       Auch auf den „Dr. Emi Drips“ – das sind Infusionen, die sie in ihrer Praxis
       anbietet. Sie enthalten Vitamine, Elektrolyte und Spurenelemente, sollen
       entgiften oder Kraft geben und unterscheiden sich kaum von [11][Infusionen
       gegen einen Kater].
       
       ## Unnötiger Luxus
       
       „Medizinisch ist die Vitamingabe per Infusion nur sinnvoll, wenn vorher ein
       gravierender Mangel nachgewiesen wurde – und nicht prophylaktisch. Gerade
       der Bedarf an Vitamin C kann problemlos über die normale Nahrung gedeckt
       werden“, erklärt Martin Smollich. Abgesehen davon, dass man auch Vitamine
       überdosieren kann, sind die Infusionen mit 150 bis 200 Euro ein unnötiges
       Luxusgut – besonders im Vergleich zu einem Netz Orangen. Smollich sagt
       darüber: „Das ist zwar unseriöse Medizin, aber natürlich trotzdem legal.“
       
       Problematisch wird es, wenn durch Influencermarketing
       Gesundheitsversprechen gemacht werden, die nicht zulässig sind. Dazu gehört
       auch das Wort „Detox“ oder entgiftend, das Dr. Emi für einen ihrer Drips
       benutzt. „Werbung mit dem Wort Detox ist aus unserer Sicht verboten. Es
       gibt mehrere höchstrichterliche Urteile dazu, dass das im Produktnamen oder
       auf den Verpackungen nicht zulässig ist“, sagt [12][Verbraucherschützerin
       Gesa Schölgens]. Ansonsten sei Dr. Emi in ihren Produktbeschreibungen sehr
       vorsichtig gewesen.
       
       „Interessanter ist die Frage, ob eine Medfluencer_in approbierte Ärzt_in
       ist“, fügt Schölgens hinzu, „und in bestimmten Fällen kann Produktwerbung
       von Ärzt_innen [13][gegen das sogenannte Fremdwerbeverbot verstoßen].“ Das
       verbietet Ärzt_innen, ihren Namen in Verbindung mit einer ärztlichen
       Berufsbezeichnung für gewerbliche Zwecke zu nutzen. Auch Werbung für eigene
       oder fremde gewerbliche Tätigkeiten oder Produkte in Zusammenhang mit der
       ärztlichen Tätigkeit ist unzulässig. „Das ist berufswidrig und muss bei der
       Ärztekammer gemeldet werden.“
       
       Auch Emi Arpa hat sich bis Redaktionsschluss nicht zu dem vorgeworfenen
       Verstoß gegen das Fremdwerbeverbot geäußert. Nachdem sie die taz darauf
       hingewiesen hat, sprach sie in einer Instagram-Story am Dienstag davon,
       dass ihre Produkte „auch ohne [ihren Namen] stünden.“ Außerdem begann sie,
       Videos, in denen sie über Skincare spricht, als „Werbung“ zu markieren.
       
       Mitarbeit: Pia Kollmann
       
       10 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Instagram/!t5018703
 (DIR) [2] https://www.watson.de/leben/interview/535349192-doc-alina-auf-tiktok-wie-eine-zukuenftige-aerztin-mit-medizin-tipps-begeistert
 (DIR) [3] /Spiessertum-von-Influencerinnen/!5876801
 (DIR) [4] https://www.instagram.com/ernmedblog/
 (DIR) [5] https://www.instagram.com/p/C8pDPyzoyT3/
 (DIR) [6] https://www.change.org/p/untersuchen-sie-die-vereinbarkeit-der-ansichten-von-docalina-mit-den-werten-der-lmu-m%C3%BCnchen
 (DIR) [7] /Verschwoerungsmythen-und-Corona/!t5015225
 (DIR) [8] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37111071/
 (DIR) [9] /Zukunft-des-KaDeWe/!5987682
 (DIR) [10] https://www.instagram.com/p/C9NlpjesC7Y/?utm_source=ig_web_copy_link&igsh=MzRlODBiNWFlZA==
 (DIR) [11] /Infusionen-gegen-Hangover/!6009346
 (DIR) [12] /Verbraucherschutz/!t5009277
 (DIR) [13] https://www.coliquio.de/wissen/dermatologie-102/urteil-arzt-werbung
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Valérie Catil
       
       ## TAGS
       
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