# taz.de -- Religiöse Deutungen des Trump-Attentats: Fátima hat damit nichts zu tun
       
       > Bei einem Anschlag entkam Donald Trump knapp dem Tod. Religiöse vermuten
       > einen göttlichen Eingriff. Solche Mystifizierungen sind keineswegs
       > harmlos.
       
 (IMG) Bild: Anhänger*innen beten für Trump, Wisconsin am 14. Juli
       
       „Gott hat Trump beschützt“ – derart lakonisch [1][vertwitterte der
       republikanische Senator Marco Rubio] am vergangenen Sonntag das Attentat
       auf seinen Parteifreund. Besonders in den sozialen Medien folgten auf
       diesen Tweet viele Kommentare, die das Überleben des Ex-Präsidenten einem
       göttlichen Eingriff zuschrieben.
       
       Teilweise wirkt es fast so, als wäre Trump bereits heiliggesprochen worden.
       In jedem Fall kehrt mit der religiösen Deutung des Attentats ein
       hypermystisches Christentum auf die politische Bühne zurück. Das ist der
       säkularen Gesellschaft fremd geworden. Darüber hinaus ist diese nicht
       darauf vorbereitet, radikalen Christ*innen argumentativ zu begegnen.
       
       Besonders abwegig mutet eine Interpretation des Attentats an, die von
       katholischen Beobachter*innen dutzendfach auf der
       Kurznachrichtenplattform X verbreitet wurde. Trump hätte sein Leben dem
       Wirken [2][Unserer Lieben Frau von Fátima] zu verdanken. Angeblich erschien
       diese während des 1. Weltkriegs den portugiesischen Hirtenkindern Lúcia dos
       Santos, Francisco Marto und Jacinta Marto sechs Mal beim Schafehüten.
       
       Anlässlich der dritten Erscheinung am 13. Juli 1917 soll die Gottesmutter
       dem Trio obendrein drei Geheimnisse anvertraut haben.
       
       Entscheidend ist an dieser Stelle das dritte Geheimnis, das der Vatikan
       erst 2000 im Wortlaut veröffentlichte. Darin heißt es, dass ein „in Weiß
       gekleideter Bischof“ von einer „Gruppe von Soldaten getötet“ werden würde.
       [3][Papst Johannes Paul II. interpretierte diese Prophezeiung als Hinweis
       auf das Attentat] des türkischen Nationalisten Mehmet Ali Ağca, dem er
       selbst am 13. Mai 1981 auf dem Petersplatz zum Opfer fiel.
       
       ## Religiöser Zynismus
       
       Trumps Anhänger*innen sind deshalb überzeugt: Ähnlich wie damals habe
       die Gottesmutter just am 107. Jahrestag der Geheimnisse von Fátima Trumps
       Leben gerettet. Um diese sehr katholische Deutung etwas wahrscheinlicher zu
       machen, verknüpften sie manche Beobachter*innen mit der Hoffnung, dass
       Trump nun aber doch in die „Kirche Christi“ (gemeint ist natürlich die
       römisch-katholische Kirche) zurückkehren müsste.
       
       Der geborene Presbyterianer versteht sich selbst als „konfessionell
       ungebundener Christ“ und entspricht offensichtlich nicht der üblichen
       Vorstellung von einem guten Christenmenschen. Scheint Gott nicht zu stören.
       
       Trotz ihrer Exotik müssen Interpretationen, wie die der Geheimnisse von
       Fátima, ernst genommen werden. Sie laufen nämlich auf eine zynische Form
       politischer Theologie hinaus: Gott oder die Jungfrau Maria hätten zur
       Rettung von Trump den [4][Tod des Feuerwehrmanns Corey Comperatore] in Kauf
       genommen. Dieser hatte sich im Augenblick des Attentats schützend vor seine
       Familie geworfen.
       
       ## Ein „metaphysischer Kampf“
       
       Eine ähnliche „Logik“ lässt sich zum Beispiel in den Ansichten des Moskauer
       Patriarchen Kyrill I. zu Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine ausmachen:
       Das Oberhaupt der russischen Orthodoxie bezeichnete diesen als
       [5][„metaphysischen Kampf“], der jedes Opfer wert sei.
       
       Der säkularen Gesellschaft fehlt eine passende Antwort auf diesen
       politisch-theologischen Zynismus. Diesem ist nicht mehr durch langwierige
       Kampagnen [6][gegen Fake News] oder wohlfeile Appelle an den
       gesellschaftlichen Zusammenhalt beizukommen.
       
       Die Öffentlichkeit muss sich wieder stärker mit religiösen Deutungsmustern
       und vor allem ihrer Widersprüchlichkeit auseinandersetzen. Das beweisen
       auch das Trump-Attentat und die Schnelligkeit, mit der es religiös
       interpretiert wurde. Möglicherweise haben sich viele Beobachter*innen
       angesichts des Niedergangs der Kirchen in Europa und den USA zu lange
       darüber hinweggetäuscht, welchen anhaltenden politischen Einfluss die
       christlichen Religionen weiterhin haben.
       
       15 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://x.com/marcorubio/status/1812256529296613657
 (DIR) [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Drei_Geheimnisse_von_F%C3%A1tima
 (DIR) [3] https://www.deutschlandfunkkultur.de/attentat-auf-johannes-paul-ii-vor-40-jahren-als-maria-dem-100.html
 (DIR) [4] https://www.nytimes.com/2024/07/14/us/corey-comperatore-trump-shooting-victim.html
 (DIR) [5] /Differenzen-mit-Patriarch-Kyrill-I/!5881111
 (DIR) [6] /Mit-Steuergeldern-gegen-Fake-News/!5994891
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Louis Berger
       
       ## TAGS
       
 (DIR) US-Wahl 2024
 (DIR) Präsident Trump
 (DIR) Donald Trump
 (DIR) Anschlag
 (DIR) Glaube, Religion, Kirchenaustritte
 (DIR) Religion
 (DIR) Katholiken
 (DIR) GNS
 (DIR) Social-Auswahl
 (DIR) Präsidentschaftswahlkampf
 (DIR) US-Wahl 2024
 (DIR) US-Wahl 2024
 (DIR) Donald Trump
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Trump beim Parteitag der Republikaner: Ein Medley des Populismus
       
       Auf dem Parteitag der Republikaner betont Ex-US-Präsident Donald Trump die
       Einheit, die Amerika jetzt brauche. Ohne sich dabei selbst zu mäßigen.
       
 (DIR) Seltene Rede nach dem Trump-Attentat: Biden fordert „Amerika des Anstands“
       
       Nach dem Attentat auf Trump mahnt Biden in einer abendlichen Rede aus dem
       Oval Office zur Einheit. Sein Konkurrent steht vor einem großen Auftritt.
       
 (DIR) Attentat auf Trump: Voll daneben
       
       Der Attentäter erreichte genau das Gegenteil dessen, was er vorhatte. Mit
       Blick auf den Wahlkampf sind die Schüsse für Trump ein Geschenk des
       Himmels.
       
 (DIR) Attentat auf Trump: War es ein Sicherheitsversagen?
       
       Der Schütze, der bei einer Wahlkampfveranstaltung in Pennsylvania auf
       Donald Trump schoss, ist tot. Wie konnte er ungehindert in dessen Nähe
       kommen?