# taz.de -- Queeres Leben in Thüringen: Endlich CSD in Sonneberg
       
       > In der thüringischen Stadt Sonneberg findet zum ersten Mal ein
       > Christopher Street Day statt – ein wichtiges Zeichen für queere Menschen
       > vor Ort.
       
 (IMG) Bild: Hier in Sonneberg soll im Juli 2024 zum ersten Mal ein CSD stattfinden
       
       Wir sitzen eigentlich in diesem Zoom-Call, um zusammen eine Party
       vorzubereiten. Aber als N. erzählt, wie er als queere Person auf offener
       Straße bespuckt wird, werden wir erst mal still. Die Planungen des ersten
       CSD im thüringischen Sonneberg fühlen sich eher nach Gefahreneinschätzung
       an als nach Feiervorfreude. Kriegen wir Live-Musik hin, fragen wir
       Auswärtigen? Er habe Angst, dass die Technik als Angriff auf den CSD
       gezielt geklaut werde, entgegnet N.
       
       Genau ein Jahr ist es her, dass die [1][AfD in Sonneberg] das erste Mal
       überhaupt [2][eine Landratswahl gewann] und damit an die Spitze der
       kommunalen Verwaltung befördert wurde. Eine Zäsur. Und ich? Ich reimte im
       Zug von Köln nach Mainz „Dürüm und Ayran“ auf „Thüringer Kleinstadt“. Wie
       banal. So banal, dass ich zusammen mit Bruneau innerhalb weniger Tage den
       Rap Track „CSD in Sonneberg“ aufnahm, der mit der Hookline „Es ist CSD in
       Sonneberg und die AfD empört“ versuchte, dem Schrecken, den die Wahl des
       AfD-Landrates mit sich brachte, etwas Positives entgegenzusetzen – einen
       musikalischen CSD in Sonneberg. Der Song ging viral.
       
       Aber sind wir mal ehrlich: Was soll so ein Song überhaupt bringen? Und ist
       es wirklich sinnvoll, wenn zwei Wessis aus Mainz und Berlin nach Sonneberg
       fahren, um da in einem queeren Rapvideo herumzuhampeln? Der Landrat Robert
       Sesselmann ist enger Vertrauter von Faschist Höcke. Sesselmanns
       Lebensgefährtin ist mal eben eine offene Neonazi-Aktivistin, die keine
       Scheu hat, mit Hitler-Bildern und Hakenkreuzfahnen zu posieren. Die AfD
       zeigt hier nicht nur völlig offen ihr Gesicht, sie wird auch noch dafür
       gewählt. Und da soll jetzt ein queerer Raptrack helfen, in dem ich mit
       Croptop über den Sonneberger Rathausplatz rappe?
       
       ## Der CSD in Sonneberg ist vielleicht der wichtigste Tag dieses Jahres
       
       Vielleicht nicht. Aber dafür nehmen die Sonneberger*innen es ja jetzt
       selbst in die Hand. Nach dem Video schreiben uns viele Menschen aus
       Sonneberg: ein über 70-jähriger schwuler Mann, junge Eltern, deren Kinder
       queer sind, oder eine Frau, die sich erst kürzlich outen konnte. Was alle
       Zuschriften gemein hatten, war die Freude darüber, dass sich andere dafür
       interessieren, was bei ihnen passiert und Sonneberg nicht abgeschrieben
       ist. Aber auch Sorgen.
       
       Am 20. Juli ist also wirklich CSD in Sonneberg. Die Zahl rechtsextremer
       Gewalttaten hat sich im Landkreis binnen eines Jahres [3][seit der Wahl des
       AfD-Politikers verfünffacht]. N. und die anderen haben reale Angst vor
       [4][Übergriffen und Gewalt beim CSD]. Aber sie machen es trotzdem. Sie
       zeigen Präsenz, wo die Faschisten vermeintlich schon gewonnen haben.
       
       Und es ist nicht nur Sonneberg. In vielen kleinen und mittelgroßen Städten
       im Osten finden zum ersten Mal oder erst seit wenigen Jahren CSDs statt. In
       Pirna, Zwickau oder Altenburg zu tanzen ist im Jahr 2024 wichtiger als bei
       den großen Partyparaden in Berlin oder Köln.
       
       Vielleicht ist der CSD in Sonneberg also der wichtigste Tag dieses Jahres.
       Menschen engagieren sich gesellschaftlich dann, wenn sie das Gefühl haben,
       nicht alleine zu sein und einen Unterschied zu machen. Und sei es nur:
       einer anderen Person Zuversicht zu geben. Der CSD in Sonneberg ist ein
       Mittelfinger. Und bleibt auch eine Party. Er hätte nie gedacht, dass so was
       mal passiert, schrieb mir ein älterer schwuler Mann im letzten Jahr, dass
       jemand nach Sonneberg kommt und auf dem Marktplatz einen queeren Rapsong
       aufnimmt. Und wer hätte gedacht, dass in diesem Juli in Sonneberg im
       Croptop getanzt wird? Vielleicht bis vor Kurzem niemand. Aber wir werden
       tanzen.
       
       Anmerkung der Redaktion 
       
       Sesselmanns Lebensgefährtin lässt uns wissen, dass sie seit 2019 nicht mehr
       in der rechten Szene aktiv sei. Das Bild mit dem Hitler-Bilder und der
       Hakenkreuzfahne sei von 2016.
       
       15 Jul 2024
       
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 (DIR) [3] https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/sued-thueringen/sonneberg/ezra-rassismus-afd-landrat-gewalt-statistik-100.html
 (DIR) [4] /Homophobe-Angriffe-beim-CSD/!5946280
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Maurice Conrad
       
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