# taz.de -- Klimakrise beschädigt Hütten und Wege: Notruf in den Bergen
       
       > Für Wanderungen in den Alpen sind Hütten fast unerlässlich. Ein Trend
       > macht den Verantwortlichen jedoch große Sorgen.
       
 (IMG) Bild: Rothornhütte von 1948 bei Zermatt: Weil der Permafrost schmilzt, sank sie – und wurde deshalb aufgegeben
       
       INNSBRUCK dpa | In den Alpen sind nach Darstellung von Experten viele
       Hütten und Wege nicht zuletzt infolge der Klimakrise gefährdet. „272
       Schutzhütten und 50.000 km Wanderwege befinden sich in einer akuten
       Notlage. Sie drohen buchstäblich wegzubröckeln“, schreibt der
       Österreichische Alpenverein (ÖAV) in seiner Begründung für einen Notruf an
       die Regierung in Wien.
       
       Um Hütten und Wege zu sanieren, seien in den nächsten Jahren 95 Millionen
       Euro nötig. Die durch den Klimawandel häufigeren Starkregen, Steinschläge,
       Felsabbrüche und die Hangrutsche machten die Instandhaltung des Wegenetzes
       aufwendiger als früher. „Die Kosten dafür haben sich in den vergangenen
       zehn Jahren verdoppelt, die Zahlungen aus dem vereinsinternen
       Katastrophenfonds vervielfacht“, so eine ÖAV-Sprecherin.
       
       Die Probleme seien nicht auf Österreich beschränkt, sondern glichen sich im
       gesamten Alpenraum, sagt der ÖAV-Experte Georg Unterberger. In Österreich
       müsse aktuell jedes Jahr eine knappe Handvoll Hütten schließen, deren
       Sanierung zu teuer sei. „Wenn jährlich drei oder vier Hütten aufgeben,
       klingt das wenig, ist aber ein Alarmsignal“, sagt Unterberger.
       
       [1][Die alpine Infrastruktur werde damit löchrig] und einige Weitwanderwege
       verlören wichtige Anlaufpunkte. Generell stelle sich die Frage, warum
       alpine Vereine mit ihrer ehrenamtlichen Arbeit, die Österreich zu einem der
       beliebtesten Urlaubsländer fürs Wandern machten, keine ausreichende
       öffentliche Unterstützung bekämen.
       
       ## Permafrost taut auf
       
       Eines der Probleme ist, [2][dass der Permafrost auftaut]. Das Eis im
       Untergrund dient als Kitt. Taut es auf, wird das Gestein bröckelig und
       rutscht leichter ab, der Boden setzt sich. Bei rund einem Drittel der 153
       Hütten und Biwaks des Schweizer Alpenclub SAC könnten dadurch Schäden
       auftreten, sagt Ulrich Delang, Bereichsleiter Hütten beim Schweizer
       Alpenclub SAC.
       
       Bei der Rothornhütte bei Zermatt (Baujahr 1948) sorgte der Rückgang des
       Permafrostes für Risse in Wänden. „Wenn der Eisanteil im Boden sinkt,
       fließt Wasser ab und der Boden setzt sich“, sagt Delang. „Dann kann das
       Gebäude an einer Ecke um 20 Zentimeter sinken, an der anderen um 5
       Zentimeter.“
       
       Im Berner Oberland musste 2022 die Mutthornhütte oberhalb von Kandersteg
       auf rund 2.900 Metern nach 126 Jahren wegen Felssturzgefahr schließen. Ein
       Ersatzbau ist 2025 einen Kilometer weiter östlich geplant.
       
       In Österreich erhielt die Seethalerhütte im Dachsteingebirge schon vor
       einigen Jahren einen modernen Ersatzbau. Generell werden die Wege zur Hütte
       oft anspruchsvoller oder manchmal unpassierbar, weil Gletscher an der
       üblichen Stelle nicht mehr passierbar sind. Manchmal werden neue Wege
       angelegt.
       
       ## Wassermangel im Hochgebirge
       
       Eines der anderen Hauptprobleme der Hütten ist laut Unterberger den
       wenigsten Wanderern bewusst – [3][der Wassermangel.] „Es herrscht der
       Irrglaube, oben in den Bergen sei die Wasserversorgung kein Problem, aber
       das Gegenteil ist der Fall.“ Mangels Quellen seien die Hütten auf Wasser
       von Schneefeldern oder Gletschern angewiesen. Beides gehe aber zurück.
       
       Und der Regen falle inzwischen meist bei Unwettern, denen dann lange
       Trockenperioden folgten. Da die Tropfen vom Sturm gegen die Fassaden
       gepeitscht würden, statt gemächlich auf die Dächer zu fallen, müsse man
       umdenken. „Es gibt erste Hütten, da fangen wir das Regenwasser mittels der
       Fassaden auf“, sagt Unterberger, der auch Architekt ist.
       
       Für die Gäste hat das Konsequenzen. Der Trend gehe zu massivem Wassersparen
       – also Waschlappen statt Dusche für Übernachtungsgäste und Plumpsklo statt
       Wasserspülung. Schon jetzt koste eine Klospülung, wenn man die Auf- und
       Nachbereitung des Wassers mitberechne, mehr als zehn Euro, sagt der
       Experte. „Wir müssen wieder hin zur einfachen Hygiene.“
       
       „Aber man stellt sich öfter die Frage: Ist ein Hüttenstandort noch
       gerechtfertigt oder müssen wir ganz schließen? Vor 10, 15 Jahren haben wir
       uns diese Frage nicht gestellt“, sagt Delang. „Bei geplanten Bauvorhaben
       versuchen wir zu prognostizieren, welche Folgen die Klimaveränderung auf
       die bergsportliche Bedeutung des Gebiets in 20, 30 Jahren haben wird. Die
       Größe und Ausstattung der Hütte wird dem angepasst, auch ein Verzicht ist
       als Ultima Ratio eine Option.“ Eine neue Hütte als Ersatz für eine
       bisherige kostet nach Angaben von Delang 4 bis 5 Millionen Franken.
       
       ## Gefahr wird unterschätzt
       
       Wie wichtig Hütten sind, zeigt sich gerade auch im Sommer mit seinen rasch
       wechselnden Extrem-Wetterverhältnissen. Zum einen drohten sintflutartige
       Regenfälle mit Steinschlag und Murenabgängen, zum anderen sorge an
       Hitzetagen ab 30 Grad Dehydrierung immer wieder für Notfälle mit Wanderern,
       sagt Stefan Winter vom Deutschen Alpenverein (DAV).
       
       Nach mehreren kühlen Regentagen rechneten viele nicht mit plötzlicher
       Hitze. „Gerade der schnelle Wechsel von kühlem Regenwetter auf Hitze kann
       die Leute bei ihrer Einschätzung überfordern. Sie sehen nur: schönes Wetter
       – nichts wie raus.“
       
       Nach der Bergunfallstatistik des DAV, die alle zwei Jahre erscheint, liegen
       in der Sommersaison Herz-Kreislauf-Probleme, oft in Zusammenhang mit Hitze,
       an zweiter Stelle. Die zahlenmäßig meisten Unfälle geschehen regelmäßig
       durch Stürze beim Wandern – vielfach beim Abstieg, wenn die Wanderer müde
       sind. Außerdem ist die Stolpergefahr dann größer.
       
       Auch wenn bisher der Sommer noch nicht so extrem war wie im Vorjahr mit
       diversen Wärmerekorden, gibt es beim DAV Befürchtungen, dass erneut Hütten
       wegen Wassermangels schließen müssen – wie im vergangenen Jahr die Neue
       Prager Hütte im Nationalpark Hohen Tauern in Österreich.
       
       17 Jul 2024
       
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