# taz.de -- Kamala Harris' Running Mate: I take this Walz
       
       > Kamala Harris überraschte viele, als sie den Gouverneur Minnesotas zum
       > Vize-Kandidaten kürte. Kann seine Bodenständigkeit Harris aber helfen?
       
 (IMG) Bild: Tanzen Walz und Kamala Harris womöglich ins Weiße Haus?
       
       Ein viral gegangenes Video zeigt einen 60-Jährigen Weißen, der in sein auf
       Lautsprecher gestelltes Smartphone spricht. Camouflage-Mütze, T-Shirt,
       Chino-Hose, Turnschuhe. Es ist, als käme er geradewegs vom Rasenmähen
       herein. Denn auch und gerade im Zeitalter der Reality-Shows muss die
       Wirklichkeit authentisch in Szene gesetzt werden.
       
       „Die Freude, die du ins Land zurückbringst, die Begeisterung, die hier
       herrscht“, schwärmt er. „Es wird ein Privileg sein, dies durch das ganze
       Land zu tragen.“ „Du verstehst unser Land“, beteuert im Gegenzug seine
       Gesprächspartnerin. „Du hast dich unserem Land auf so vielfältige und
       wunderbare Weise verschrieben. Und wir werden das schaffen. Wir werden
       gewinnen, und wir werden unser Land vereinen und alle daran erinnern, dass
       wir für die Zukunft kämpfen. Für alle.“
       
       Kaum legt Tim Walz auf, da stehen schon Menschen vor der Tür seiner
       Eastcliff-Villa. Weitaus mehr als je zuvor. Nicht nur Nachbar:innen und
       Gelegenheitsgaffende, sondern auch jede Menge Journalist:innen. Ü-Wagen und
       SUVs wetteifern um Parkplätze und ein Team eklatant unaufälliger Frauen und
       Männer.
       
       ## Ahnung vom Ackerbau kann sich als ertragreich erweisen
       
       Tim Walz war schon vor dem Anruf ein selbstgemachter Mann, und zwar gemäß
       dem Ideal der amerikanischen Dominanzgesellschaft. Er muss den Rasen also
       längst nicht selber mähen, wobei er es trotzdem tun würde, hätte er bloß
       die Zeit dafür. Der ursprünglich aus Nebraska stammende Kerl hat durchaus
       Ahnung von Ackerbau und Viehzucht, und im Kampf um die Seele – oder
       zumindest die Wählerstimme – der ländlichen US-Amerikaner:innen [1][kann
       das sich als ertragreich erweisen].
       
       „Ich bin stolz, Euch mitteilen zu können, dass ich @Tim_Walz gefragt habe,
       mein Vizekandidat zu sein“, so beginnt die Ankündigung von Kamala Harris
       auf der Plattform X. „Als Gouverneur, Trainer, Lehrer und Veteran hat er
       sich für berufstätige Familien wie seine eingesetzt. Es ist großartig, ihn
       im Team zu haben. Jetzt machen wir uns an die Arbeit. Machen Sie mit!“
       
       Selbst jene Politexperten, die sich plausibel damit rühmen dürfen,
       Washingtoner Insider zu sein, staunten. Sie hatten, wie ich, auf Josh
       Shapiro, den jungen, jüdischen Gouverneur von Pennsylvania gesetzt. Ein
       Weißer, der von der Diktion, der Gestik und nicht zuletzt der Figur her an
       Barack Obama erinnert. Und bereits am Wochenende vor ihrer Ankündigung zum
       Running Mate hatte sich Harris schon für einen Auftritt in Philadelphia
       entschieden. Philadelphia, die geschichtsträchtige Metropole Pennsylvanias;
       übrigens die kleine Hauptstadt des Staates heißt Harrisburg. So deutete
       alles auf den dynamischen 51-jährigen Shapiro hin. Doch die Würfeln waren
       anders gefallen. Blind gewürfelt hat Harris aber keineswegs.
       
       ## Ein Gambit mit Kalkül
       
       Es handelt sich um eine Damenwahl der besonderen Art. Auf ihrer Tanzkarte
       hatte Kamala Harris überhaupt nur ein Kästchen, das angekreuzt werden
       durfte. Ein Gambit mit Kalkül. Eine Schwarze Dame versucht, ihre Gegner
       mattzusetzen, indem sie einen weißen Bauern einsetzt, um die Hürden auf dem
       Weg ins Oval Office besser bewältigen zu können. Zweifelsohne eine
       Gratwanderung, die Grazie erfordert.
       
       Die Dame führt, der Bauer gehorcht. Das Lavieren auf dem Schachbrett ähnelt
       tatsächlich der Bewegung über ein Parkett im Dreivierteltakt. Große und
       kleine Schritte, Ausstrahlungsästhetik, Positur, Style – und irgendwann mal
       Substanz, oder? [2][Der Bauer trägt natürlich lieber ein Flannelhemd als
       einen Frack]. Der Stilbruch wiederum kann, soll, ja muss zur Geltung
       kommen. Hauptsache, Handwerker-Stil ohne Hillybilly-Vibes. Denn es muss dem
       Pärchen Harris und Walz gelingen, einem ähnlich ungleichen Duo, [3][den
       Milliardär Donald Trump und dessen hinterwäldlerischen Vize-Kandidaten J.
       D. Vance, vorzuführen und simultan in den Schatten zu stellen]. Allerdings
       werfen Weltereignisse düstere Schatten auf den US-Wahlkampf. Pulsierende
       Bässe schaukeln die Seele. Der Walzer erweist sich als Tanz auf dem Vulkan.
       
       There ’s a concert hall in Vienna Where your mouth had a thousand reviews
       There ’s a bar where the boys have stopped talking 
       
       They’ve been sentenced to death by the blues … 
       
       ## Was hat Taylor Swift mit Kamala Harris zu tun?
       
       In der österreichischen Hauptstadt treffen die Melancholie von Leonard
       Cohens Take this Waltz und die Munterkeit von Taylor Swifts Cruel Summer
       schlagartig aufeinander. [4][Islamistische Terroristen hatten Taylor und
       ihre Swifties im Visier]. Ein veritables Blutbad wäre es beinahe geworden,
       ähnlich wie bei dem mörderischen Anschlag auf das Ariana-Grande-Konzert
       2017 in Manchester, Großbritannien. Zum Glück wurden einige der
       mutmaßlichen Hauptakteure des versuchten Massenmordes in Wien rechtzeitig
       aufgegriffen.
       
       Und was hat Kamala Harris damit zu tun? Ja, eben. Gedenkt die 59-jährige
       US-Demokratin, die [5][terrortrotzenden Swifties] zu loben, die nach den
       drei aus Sicherheitsgründen abgesagten Konzerten den Islamisten die Stirn
       bieten?
       
       Mit so einem Schachzug könnte sie ihren Patriotismus zeigen und das
       Patriarchat gleichzeitig anprangern. Eine Steilvorlage für die
       Versinnbildlichung des feministischen Aufstandes. Ein Donald Trump oder ein
       J. D. Vance kämen noch nicht mal auf diese Idee. Es wäre für Harris eine
       ideale Gelegenheit gewesen, mal ein handfestes und nicht herbeifabuliertes
       Endorsement von einer der aktuell wichtigsten Frauen der Popkultur zu
       erhalten.
       
       Immerhin sieht sich Harris, selbst Ehefrau eines Juden, mit Vorwürfen des
       Antisemitismus konfrontiert. Schon deshalb, weil sie den proisraelischen
       Gouverneur Josh Shapiro nicht zum Tanz gebeten hat. Dass sie neulich
       propalästinensiche Zwischenruferinnen auf einer Walhkampfveranstaltung zu
       Recht gerügt hat, lässt die Vorwürfe nicht verebben. Und währenddessen
       hallt eine rauchige Stimme nach.
       
       I take this Walz, I take this Walz, 
       
       I take this Walz, with the clamp on my jaws
       
       12 Aug 2024
       
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