# taz.de -- Angriffe von Milizen und Mafia: Tot, weil sie die Umwelt schützten
       
       > In Mexiko wurden 2023 mindestens 123 Aktivist*innen rücksichtslos
       > angegriffen, 20 starben. Sie wehrten sich gegen Großprojekte wie den Tren
       > Maya.
       
 (IMG) Bild: Im Bundesstaat Michoacán ist die Mafia in die Abholzung von Wäldern involviert und treibt von Avocado-Bauern „Steuern“ ein
       
       BERLIN taz | Das [1][Mexikanische Zentrum für Umweltrecht (Cemda) zieht
       eine erschreckende Bilanz: 20 Umweltschützer*innen wurden 2023 in dem
       lateinamerikanischen Land umgebracht]. Insgesamt kam es zu 123 tätlichen
       Angriffen auf Menschen und Gemeinden, die sich gegen die Zerstörung ihrer
       Lebensgrundlagen wehrten. Das geht aus einem Bericht hervor, den die
       Organisation in Mexiko-Stadt vorgestellt hat. Neben Morden kam es auch zu
       sexualisierter Gewalt, Zerstörung von Eigentum sowie Einschüchterungen.
       
       Die Zahl der tödlichen Aggressionen gegen Umweltaktivist*innen sei in
       der [2][fünfjährigen Amtszeit von Präsident Andrés Manuel López Obrador]
       auf 102 gestiegen, erklärte Cemda-Leiter Gustavo Alanís Ortega. Zwar seien
       2023 4 Personen weniger bei solchen Angriffen gestorben als 2022, aber
       beruhigt habe sich die Lage nicht. „Die Gewalt geht nicht nur weiter,
       sondern verschärft sich und ist in allen Ecken und Regionen des Landes
       präsent“, informiert Cemda. Schon jetzt zählt Mexiko der Organisation
       Global Witness zufolge neben Brasilien und Kolumbien für
       Umweltschützer*innen zu den gefährlichsten Ländern.
       
       Von den Attacken sind Aktivist*innen, die sich gegen Großprojekte der
       Regierung wehren, genauso betroffen wie Indigene, die sich dem Bau von
       Staudämmen widersetzen. 57,7 Prozent der Opfer stammen aus indigenen
       Gemeinden. Die meisten Angriffe fanden im Zusammenhang mit Kämpfen gegen
       den Bergbau statt, gefolgt vom Widerstand gegen Infrastrukturanlagen und
       der Verteidigung von Wäldern.
       
       Über die Hälfte der Angriffe sei von Soldaten und der militärisch
       strukturierten Nationalgarde ausgegangen. Das ist naheliegend, denn zu den
       umstrittensten Projekten der Regierung zählen [3][der Touristenzug „Tren
       Maya“ auf der Halbinsel Yucatán] und eine Containertrasse „Transístmico“ im
       Isthmus von Tehuantepec, die den Atlantik mit dem Pazifik verbindet.
       
       Beide stehen unter Kontrolle der Armee, seit López Obrador
       infrastrukturelle Großanlagen für sicherheitspolitisch relevant erklärte.
       Dass der linke Präsident die Gegner*innen seiner Vorhaben immer wieder
       verbal angreift, sorgt nicht gerade für Entspannung. Mehrmals attackierten
       Sicherheitskräfte indigene Gruppen, die Straßen blockierten, um gegen den
       Transístmico zu protestieren.
       
       ## Widerstand gegen Prestigeprojekte
       
       Die Mixe befürchten, dass die Vorhaben ihre Lebensgrundlagen zerstören.
       Maya-Gemeinden wehren sich, [4][weil wegen des Tren Maya unzählige Bäume
       gefällt und seine Gleise auf einem fragilen, umfangreichen Wassersystem
       gebaut] wurden. Aktivist*innen gegen diese beiden Projekte wurden Cemda
       zufolge 18-mal angegriffen.
       
       An zweiter Stelle sind es Kriminelle, die gegen Umweltschützer*innen
       vorgehen. Viele [5][Regionen werden vom organisierten Verbrechen
       kontrolliert]. Häufig kooperieren die Gruppen mit Politiker*innen,
       Beamt*innen und Unternehmen, um Transportrouten für Drogen abzusichern,
       Schutzgeld zu kassieren oder an der legalen Wirtschaft mitzuverdienen. So
       auch im Bundesstaat Michoacán, wo die Mafia in die Abholzung von Wäldern
       involviert ist und von Avocado-Bauern „Steuern“ eintreibt. Wer sich dort
       gegen die Interessen der Kriminellen stellt, lebt gefährlich. Cemda
       erinnert an drei Mitglieder der Gemeinde Santa María Ostula, die 2023
       ermordet wurden.
       
       Die Organisation fordert von der Regierung, dass sie Regelungen zum Schutz
       von Aktivist*innen umsetzt, [6][wie sie im Escazú-Abkommen zur
       Beteiligung der Öffentlichkeit am Umweltschutz] festgeschrieben sind.
       Angriffe bei der Durchsetzung von Megaprojekten und der Ausplünderung
       natürlicher Ressourcen müssten besondere Beachtung finden.
       
       17 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.cemda.org.mx/
 (DIR) [2] /Verschwundene-Studenten-von-Ayotzinapa/!5981068
 (DIR) [3] /Touristenbahn-und-Indigene-in-Mexiko/!5977825
 (DIR) [4] /Neue-Zugstrecke-in-Mexiko/!5977655
 (DIR) [5] /Drogenkartell-mischt-im-Wahlkampf-mit/!5996237
 (DIR) [6] /Morde-an-Umweltschuetzerinnen/!5960141
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wolf-Dieter Vogel
       
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