# taz.de -- Anschlag auf Journalisten in Amsterdam: Von Heineken bis Marengo
       
       > Peter R. de Vries ist einer der profiliertesten Kriminalreporter der
       > Niederlande. Jetzt wurde er Opfer eines Attentats.
       
 (IMG) Bild: Peter R. de Vries bei Filmaufnahmen im Juni 2021
       
       AMSTERDAM taz | „Gestern wurde unser größter Alptraum Wirklichkeit“ – mit
       diesen Worten reagierte Royce de Vries, Sohn des niedergeschossenen
       Journalisten Peter R. de Vries, im Namen der Familie auf den
       [1][Mordanschlag gegen seinen Vater am 6. Juli]. Der 64-Jährige ist seit
       Jahrzehnten nicht nur im ganzen Land bekannt, sondern auch das Gesicht des
       niederländischen Kriminaljournalismus. Das bis 2012 ausgestrahlte TV-Format
       Peter R. De Vries, misdaadverslaggever (übersetzt: Verbrechensreporter)
       machte ihn zum Protagonisten des Genres.
       
       De Vries, regelmäßiger Talkshow-Gast und auch zur Tatzeit auf dem Weg von
       einem Amsterdamer Studio zu seinem Auto, begann seine Laufbahn 1978 bei der
       Zeitung Telegraaf. Seit Jahren beißt er sich an spektakulären, aber auch
       besonders aussichtslos scheinenden Fällen fest, stellt eigene Recherchen an
       und verfasst Bücher dazu. So ist seine Bekanntheit eng mit der legendären
       Entführung des damaligen Brauerei-Chefs Freddy [2][Heineken] 1983
       verknüpft, von deren fünf Tätern er 1994 einen in Paraguay aufspürte.
       
       Verbunden ist sein Name auch mit dem lange unaufgeklärten Mord am
       11-jährigen Nicky Verstappen 1998 oder dem Verschwinden der amerikanischen
       Touristin Natalee Holloway auf Aruba 2005. Beide Fälle standen in den
       Niederlanden über Jahre im Fokus der Öffentlichkeit. Letzten Monat begann
       er eine Spendenkampagne für einen Hinweis zur Lösung eines weiteren
       unaufgeklärten Falls: dem Verschwinden der damals 18-jährigen Tanja Groen
       1993. Als schönsten Moment seiner Karriere bezeichnete er den Freispruch
       von zwei zuvor zu Unrecht Verurteilten im sogenannten „Puttener Mordfall“
       2002.
       
       Charakteristisch für De Vries ist, dass er innerhalb seines Fachgebiets
       verschiedene Rollen einnimmt. So gründete er 2005 die „Partei für
       Gerechtigkeit, Tatkraft und Fortschritt“, um sich dem Thema Sicherheit zu
       widmen, trat dann aber wegen fehlenden Zuspruchs bei den Wahlen nicht an.
       
       ## Vertrauter des Kronzeugen Nabil B. im Marengo-Prozess
       
       Seit 2020 hat er eine neue Funktion: Er ist Vertrauensperson des Kronzeugen
       Nabil B. im sogenannten „Marengo“-Prozess gegen den Drogenboss Ridouan T.
       und 16 weitere Tatverdächtige. Nachdem sowohl der Bruder des Kronzeugen
       (2018) als auch sein Anwalt Derk Wiersum (2019) ermordet wurden, sah De
       Vries in dieser Tätigkeit ein „Signal“. Er wollte “zeigen, dass so ein
       Verbrechen sich nicht lohnt und keinen Sinn hat, weil andere ihren Platz
       einnehmen“.
       
       Mehrfach pro Woche telefonierte er nach eigener Aussage mit Nabil B.
       Personenschutz lehnte er ab, weil er sein Leben nicht dessen Bedingungen
       unterwerfen wollte. Der Anschlag auf den Journalisten auf offener Straße
       mitten in der Hauptstadt ist ein weiteres Anzeichen dafür, dass sich die
       seit Jahren anhaltenden Abrechnungen längst nicht auf das kriminelle Milieu
       beschränken.
       
       Das organisierte Verbrechen in den Niederlanden hat inzwischen das
       Potential, die Gesellschaft zu unterminieren. Mit De Vries bezahlt nun
       einer der profiliertesten Experten für diese Entwicklung mit seiner
       Gesundheit, womöglich mit seinem Leben.
       
       7 Jul 2021
       
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 (DIR) Tobias Müller
       
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