# taz.de -- Bauern-Proteste in Frankreich: Die Wut ist noch nicht besänftigt
       
       > Den Landwirten in Frankreich reichen Zugeständnisse der Regierung nach
       > ihren Protesten nicht aus. Um mehr zu erreichen, belagern sie nun Paris.
       
 (IMG) Bild: Zu wenig Geld, zu viele Vorschriften: Protest auf einer Autobahn nahe Paris
       
       PARIS taz | Innenminister Gérald Darmanin hatte 15.000 Ordnungskräfte samt
       Panzerfahrzeugen aufgeboten, um die Landwirte mit ihren Traktoren zu
       stoppen. Sein erklärtes Ziel: sie daran hindern, mit ihren schweren
       Maschinen bis vor den Präsidentenpalast zu fahren oder den Engros-Markt von
       Rungis im Süden zu blockieren. Dieser „Bauch von Paris“ ist für die
       Versorgung mit Nahrungsmitteln von lebenswichtiger Bedeutung. Falls es den
       Landwirten gelingen sollte, die Hauptstadt so abzuschneiden, würden bereits
       nach drei Tagen die Frischwaren Mangelware, warnen die Behörden. Seit dem
       Wochenende haben deswegen Hamsterkäufe begonnen.
       
       Schon während des [1][Wochenendes] rollten Dutzende oder Hunderte mit ihren
       Traktoren in Richtung Hauptstadt, um die Zu- und Ausfahrten der Autobahnen
       an strategischen Stellen am Montag zu blockieren. Langsam, aber sicher zog
       sich die Schlinge um Paris zu. Schon vormittags standen die Traktoren auf
       der A10 in Richtung Le Mans und Nantes bei den Mautschranken in
       Saint-Arnoult.
       
       Auf ihren gewaltigen Fahrzeugen waren Schilder angebracht: „Notre fin c'est
       votre faim“ („Unser Ende bedeutet für euch Hunger“), war darauf etwa zu
       lesen. Die Krise der französischen Landwirtschaft gefährde die
       Ernährungssicherheit. Nach eigenen Angaben bleibt vielen der
       demonstrierenden Landwirte, die meistens hoch verschuldet sind, am Ende des
       Monats ein Einkommen von rund 1.000 Euro oder weniger.
       
       Besonders protestieren sie deswegen gegen den offenen europäischen Markt.
       Immer wieder ist von der Ukraine die Rede. Eine Geflügelzüchterin behauptet
       auf Nachfrage, der Preis für ein importiertes Hühnchen sei nur halb so hoch
       wie für eines aus französischer Produktion.
       
       ## Liste mit 120 agrarpolitischen Forderungen
       
       Laut dem wichtigsten Verband FNSEA haben die Protestierenden rund 120
       agrarpolitische Forderungen aufgelistet, für die sie seitens der
       französischen Regierung und der EU eine Antwort erwarten. Andere Klagen
       über Ankaufspreise gehen an die Adresse der Industrie und der Großmärkte,
       die den Landwirten laut der nationalen Vereinbarung Egalim grundsätzlich
       einen existenzsichernden Preis garantieren müssen. Mehrfach leerten
       Landwirte in den letzten Tagen aus Protest ganze Lkw-Ladungen mit
       importiertem Gemüse oder Obst aus und machten sie so ungenießbar.
       
       Wie auch in [2][Deutschland] schimpfen die zornigen Bauern über die
       „Bürokratie“ und den administrativen „Papierkrieg“ mit Formularen und viel
       zu lange dauernden Prozeduren. Dem wolle der französische Regierungschef
       Attal rasch abhelfen, wo immer dies möglich sei, versprach er in der
       vorigen Woche. Zuvor hatte er zugestanden, dass auf eine [3][Erhöhung der
       Dieselabgabe] verzichtet und der landwirtschaftliche Treibstoff „direkt an
       der Zapfsäule“ verbilligt werde. Landwirtschaftsminister Marc Fesneau
       kündigte am Montag zudem neue Maßnahmen der Regierung binnen 48 Stunden an.
       
       Gegenüber Medien sagten die Landwirte, sie seien bereit, ihre Aktion „zwei
       Tage, eine Woche oder auch länger“ fortzusetzen, bis die Regierung auf ihre
       Forderungen eingehe. Sie wissen, dass derzeit mehr als 80 Prozent der
       Bürgerinnen und Bürger in Frankreich solidarisch hinter ihnen und ihren
       Protesten stehen. Innenminister Darmanin will deswegen die Konfrontation
       gegen blockierende Bauern vermeiden und dort, wo sich Blockaden bildeten,
       vorab für die Sicherheit sorgen. In Pamiers, südlich von Toulouse, waren am
       Dienstag letzter Woche eine Landwirtin und ihre Tochter ums Leben gekommen,
       als ein Auto in eine Sperre von Strohballen raste.
       
       29 Jan 2024
       
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