# taz.de -- Cell Broadcasting für Katastrophenschutz: Warnnachrichten plötzlich im Trend
       
       > Nach der Flutkatastrophe denkt die Regierung über automatische
       > Warnmeldungen auf Mobiltelefone nach. Bisher war sie da eher skeptisch.
       
 (IMG) Bild: Wenn die Sirenen heulen, soll es auch eine Warn-SMS an alle geben
       
       BERLIN taz | Katastrophenwarnungen per Kurznachricht aufs Handy? Nach der
       Flutkatastrophe der vergangenen Woche, vor der viele Betroffene nicht
       ausreichend gewarnt wurden, [1][könnte diese Neuerung bald kommen].
       Innenminister Horst Seehofer verwies am Mittwoch auf eine momentan laufende
       Machbarkeitsstudie des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und
       Katastrophenhilfe (BBK). Das Ergebnis, so Seehofer, könnte noch vor der
       Bundestagswahl kommen und positiv ausfallen.
       
       Bei dem sogenannten „Cell Broadcasting“-System (sehr frei übersetzt:
       Funkzellen-Versand) können Behörden Textnachrichten an alle Handys senden,
       die sich in einer oder mehreren bestimmten Funkzellen befinden. Die
       Nachricht erscheint als Push-Meldung auf dem Display, dazu ist ein
       spezieller Warnton möglich. Bilder können über das System nicht verschickt
       werden. Das hat aber auch Vorteile: Die Warnungen sind dadurch nicht nur
       mit Smartphones kompatibel, sondern auch mit alten oder einfachen Handys.
       Außerdem ist die Datenmenge dadurch gering. Auch bei stark ausgelastetem
       Mobilfunknetz können die Nachrichten durchkommen.
       
       Etliche andere Staaten nutzen dieses jahrzehntealte System bereits. Die EU
       schreibt dessen Einführung in einer Richtlinie eigentlich auch vor, lässt
       aber ein Schlupfloch: Demnach können Mitgliedsstaaten statt des Cell
       Broadcasting auch andere Methoden mit der gleichen Effektivität nutzen.
       Deutschland beruft sich bislang darauf und führt unter anderem die
       Warn-Apps Nina und Katwarn an.
       
       Diese Apps sind zwar tatsächlich nicht schlecht, müssen von den
       Handy-Nutzer*innen aber erst mal aktiv installiert werden. Das haben in
       Deutschland bisher nur ein paar Millionen Menschen getan. Über das Cell
       Broadcasting wären viel mehr Personen zu erreichen.
       
       ## Kosten und Datenschutz
       
       Warum wurde das System dann bisher nicht eingeführt? Auch wenn Seehofer
       jetzt Tempo macht: Bisher haben Behörden und Regierung keinen großen Elan
       gezeigt. Ein Grund sind die Kosten. Armin Schuster (CDU), Chef der
       Katastrophenschutzbehörde, sagte noch am Dienstag im Deutschlandfunk, die
       Einführung sei „extrem teuer“. Er nannte Einführungskosten von – eigentlich
       überschaubaren – 30 bis 40 Millionen Euro.
       
       Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sagte zudem der Bild, bislang sei
       die Einführung auch am Datenschutz gescheitert. Datenschützer*innen
       haben allerdings gar kein Problem mit der Technik. Handynummern oder
       ähnliche Daten werden durch das Cell Broadcasting überhaupt nicht erfasst.
       
       Alle Probleme könnten aber auch die Warnnachrichten nicht lösen. Zunächst
       mal müsste irgendjemand die Meldungen abschicken. Zuständig wären gemäß der
       aktuellen Aufgabenverteilung wohl in erster Linie Behörden der Länder oder
       Kommunen. Diese [2][könnten im Einzelfall überfordert sein]. Zu viele
       Nachrichten wären andererseits auch wieder ein Problem, weil sie schnell
       als Spam wahrgenommen und ignoriert werden könnten.
       
       ## Kein Allheilmittel
       
       Und: Menschen ohne Handy sind natürlich nicht übers Handy zu erreichen. Ist
       das Mobilfunknetz erst einmal komplett zusammengebrochen, kommen sowieso
       keine Nachrichten mehr durch. Andere Methoden wie Sirenen müssten daher
       bestenfalls das System ergänzen.
       
       Sirenen wurden seit dem Ende des Kalten Kriegs aber vielerorts abgebaut und
       werden erst seit kurzem wieder in manchen Bundesländern installiert.
       Moderne Anlagen sind oft batteriebetrieben, sind also auch nach
       Stromausfällen noch nutzbar. Die Bevölkerung muss die Signale dann nur noch
       richtig interpretieren. Daran hapert es aber auch noch, wie eine weitere
       Aussage Horst Seehofers vom Mittwoch zeigte.
       
       Beim Signal einer Sirene denke er an einen Feueralarm, sagte der für den
       Katastrophenschutz zuständige Innenminister. Ein neues, alternatives Signal
       sei nötig, um auch auf andere Gefahren hinzuweisen. Dieses Signal gibt es
       aber eigentlich längst: Ein einminütiger, auf- und abschwellender Ton weist
       auf eine Gefahr für die Bevölkerung hin und dient als Aufruf an die
       Bürger*innen, sich im Radio oder anderen Medien über den Anlass zu
       informieren.
       
       21 Jul 2021
       
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