# taz.de -- Coronainfektionen in Deutschland: Das Virus macht keinen Feierabend
       
       > 11.000 Menschen wurden innerhalb eines Tages positiv auf Corona getestet.
       > Doch noch können wir das Virus stoppen, sagt RKI-Chef Lothar Wieler.
       
 (IMG) Bild: U-Bahn Station Hermannplatz am Samstag in Berlin
       
       BERLIN taz | Der [1][Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler,]
       macht Hoffnung, dass Deutschland die zweite Welle an Corona-Infektionen
       rechtzeitig stoppen kann. „Derzeit haben wir noch die Chance, die
       Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Wir sind nicht machtlos, wir können
       etwas bewirken“, sagte er am Donnerstag, 22. Oktober, auf einer
       Onlinepressekonferenz.
       
       Allerdings stellte er seine Aussage unter klare Vorbehalte: Es müssten sich
       noch mehr Leute an die „AHA plus L“-Regeln halten. Also Abstand halten,
       Hygieneregeln wie Händewaschen beachten, Maske tragen und viel lüften.
       „Insgesamt ist die Situation sehr ernst geworden“, sagte Wieler. Es sei
       damit zu rechnen, dass sich [2][das Virus] weiter und auch unkontrolliert
       verbreite. Hier eine Übersicht über die Lage:
       
       ## Infektionen
       
       [3][11.287 Menschen] sind in Deutschland an einem Tag positiv auf das
       Coronavrus getestet worden, 30 sind binnen 24 Stunden gestorben. Das ist
       ein trauriger Höhepunkt bei den nachgewiesenen Infektionen, die deutlich
       höher liegen als im April. Allerdings sind die Zahlen von jetzt mit denen
       von damals nicht vergleichbar: Heute werden täglich rund 1,2 Millionen
       Menschen auf das Virus getestet, rund dreimal so viele wie im April. In den
       Zahlen des RKI zeigt sich deutlich, dass sich von Mitte August bis Ende
       September vor allem jüngere Menschen bis 34 Jahren angesteckt haben. Doch
       seitdem infizieren sich auch zunehmen wieder Ältere. Laut RKI sterben im
       Schnitt rund 1 Prozent der Infizierten an dem Virus, Jüngere deutlich
       seltener als Ältere.
       
       ## Ansteckungen
       
       Am Dienstag hat das RKI eine aktualisierte Übersicht darüber
       veröffentlicht, wo sich laut Erhebung der Gesundheitsämter die Menschen
       seit Ausbruch der Pandemie mit dem Virus angesteckt haben. „Das Virus
       verbreitet sich überall dort, wo Menschen gern und eng zusammenkommen“,
       sagte Wieler. Klingt trivial, hat aber Tragweite: Obwohl in 75 Prozent der
       Fälle die Gesundheitsämter den Ort der Infektion nicht mehr nachvollziehen
       konnten, gibt es eine klare Aussage: „Ein Großteil der Menschen steckt sich
       im privaten Umfeld an, das ist es, was ich Ihnen mit dieser Grafik zeigen
       möchte“, sagte Wieler. Hotelübernachtungen, öffentlicher Nahverkehr oder
       auch Schulen spielten bisher eine untergeordnete Rolle – auch wenn sich in
       Schulen mit steigenden Fallzahlen durchaus mehr Menschen infizieren
       könnten.
       
       Die Menschen steckten sich eben oft bei privaten Feiern oder geselligen
       Events an und würden das Virus so in die Familien oder Wohngemeinschaften
       tragen. „Meine Bitte: Nehmen sie Symptome ernst und nehmen sie die
       Warnungen der Corona-App ernst“, sagte Wieler. Es scheint also so zu sein:
       Im Supermarkt, im Büro oder in der U-Bahn sind die meisten vorsichtig,
       sobald das Feierabendgetränk mit Freunden winkt, ist aber auch mal Schluss
       mit der dämlichen Maske. Dann kommt es zu Ansteckungen. Deshalb appelliert
       Wieler: AHA-plus-L-Regeln einhalten, auch im Privaten.
       
       ## Maßnahmen
       
       Das RKI sieht explizit keinen Anlass zu einem Strategiewechsel. Es habe
       sich bewährt, dass Gesundheitsämter versuchten, Infektionen einzudämmen und
       Infizierte isoliert werden. Gleichzeitig müssten weiterhin gefährdete
       Gruppe geschützt, Therapien gegen Covid-19 verbessert und mehr Kapazitäten
       für Behandlungen aufgebaut werden, so Wieler.
       
       Er widersprach damit dem Virologen Hendrick Streeck von der Universität
       Bonn, der am Mittwoch im Sender n-TV davor warnte, dass es für die
       Gesundheitsämter nicht mehr wie bisher möglich sei, Kontakte von
       Infizierten nachzuvollziehen.
       
       Vor diesem Hintergrund sei es umso wichtiger, Risikogruppen zu schützen,
       argumentierte Streeck. Eine solche neue Priorisierung der Maßnahmen lehnt
       Wieler dagegen ab: Jede Anstrengung, die Gesundheitsämter unternähmen,
       Ansteckungsketten aufzudecken, reduziere die Ausbreitung des Virus. Immer
       mehr Kreise melden mittlerweile überlastete Gesundheitsämter. Was nichts
       anderes bedeutet als: Es gibt immer mehr Menschen mit einer
       Corona-Infektion, die nichts davon wissen, keine Warnung von den
       Gesundheitsämtern erhalten und deshalb andere anstecken.
       
       Ausblick: Noch gibt es in Deutschland genug Kapazitäten im
       Gesundheitssystem. Aktuell leiden bundesweit 1.030 von insgesamt 21.473
       Intensivpatient*innen an einem schweren Verlauf von Covid-19. 8.184
       Intensivbetten sind noch frei. Allerdings stiegt die Zahl der
       Coronapatient*innen steil an. Jetzt zu sagen, da sei ja noch Kapazität
       frei, es gebe noch Puffer, sei deshalb zynisch, warnte Wieler. Es gehe
       darum, möglichst viele Menschen zu schützen. Und stiegen die
       Infektionszahlen weiter an, sind auch die Kapazitäten im Gesundheitssystem
       bald erschöpft.
       
       22 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ingo Arzt
       
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