# taz.de -- DFB-Elf ist Weltmeister: Über Jahre hinaus unschlagbar?
       
       > Die deutsche Nationalmannschaft holt sich in einem knappen Finale den
       > vierten Weltmeisterschaftstitel. Es war ein Sieg der guten
       > Nachwuchsarbeit.
       
 (IMG) Bild: Enthemmter Jubel nach dem Schlusspfiff
       
       BERLIN taz | Was für ein Sieg – zumal beide Mannschaften von Beginn an
       weitgehend gleichwertig waren. Dabei bestimmten ungewohnte Bilder die erste
       Hälfte des Spiels. Schon die Startaufstellung Löws sorgte kurz vor Anpfiff
       für eine besorgniserregende Überraschung: Sami Khedira blieb wegen
       Wadenproblemen auf der Bank. Der Gladbacher Christoph Kramer nimmt seinen
       Platz im defensiven Mittelfeld ein. Sein erstes Nationalmannschaftsspiel
       von Anfang an, in einem WM-Finale, Respekt!
       
       Die argentinische Elf lässt der deutschen Nationalmannschaft zunächst
       ungeahnt viel Platz. Erste zaghafte Kombinationen, wie der versuchte
       Doppelpass zwischen Özil und Müller, deuteten sich an. Die zwingenderen
       Gelegenheiten boten sich jedoch im Sechszehner von Manuel Neuer.
       
       War das argentinische Spiel bei dieser WM zunächst von einem dicht
       stehenden Abwehrriegel geprägt, schienen sie passend zum Finale ihre
       Offensivkraft wiederzuentdecken. Schon in der vierten Minute schob Higuaín
       aus kurzer Distanz den Ball fünf Meter am linken Pfosten vorbei. Und in der
       20. Minute? Macht er genau dasselbe. Nach katastrophalem Rückspiel von
       Kroos ist der argentinische Spieler plötzlich frei vor Neuer. Sein
       Abschluss: kläglich.
       
       Die anderen Angreifer der Albiceleste wissen jedoch zu überzeugen. Lavezzi
       läuft sich die Lunge aus dem Hals. Und auch Lionel Messi scheint sich daran
       zu erinnern, dass er doch eigentlich ganz passabel Fußball spielen kann.
       Sehenswert sein Spaziergang durch den deutschen Strafraum in der 40.
       Minute, der von Boateng in höchster Not geklärt wird.
       
       ## Chancen auf beiden Seiten
       
       Doch auch die Elf von Jogi Löw hat ihre Chance. Allen voran die Aktion von
       Benedikt Höwedes, der nach einer Ecke von Kroos in den Luftraum über Rio
       abhebt, den Kopfball aber nur an den Pfosten setzt. Auch der für den durch
       einen Bodycheck ausgeknockten Kramer eingewechselte Schürrle prüfte den
       gegnerischen Tormann Romero. Dieser leitete den Schuss von der
       Strafraumgrenze jedoch gerade noch ins Tor-Aus.
       
       Nach dem Wiederanpfiff scheint die Albiceleste an die bisherige Leistung
       anknüpfen zu wollen. 48. Minute: Wieder Messi, wieder vorbei. Die
       anschließende Phase ist eher etwas für die Nerven, denn fürs Auge. Die
       deutsche Mannschaft lässt den Ball gut zirkulieren, jedoch ohne
       nennenswerte Abschlüsse. Es ist ein enges Spiel. Voll Neunziger! Ab der 70.
       Minute machen die Argentinier wieder Druck. Die Gelbe Karten häufen sich
       mittlerweile. In der 65. Minute steht es in dieser Hinsicht bereits 2:2.
       
       In der 79. Minute dann wieder Höwedes. Nach Manuel Neuer ist er nun der
       Zweite im deutschen Team, der auf eigene Faust seine Position ändert: von
       der linken Abwehrseite in den Mittelsturm. Mitten im Strafraum kommt er an
       den Ball, kann diesen jedoch nicht verarbeiten. Sehenswerter ist da schon
       die Kombination in der 81. über Özil. Vom rechten Flügel spielt er einen
       Zuckerpass auf den am linken Strafraumecken lauernden Kroos, der jedoch
       verzieht. Beide Teams zittern sich in die Verlängerung. Deutschland zuletzt
       mit dem Chancenplus.
       
       ## Mit Pauken in die Verlängerung
       
       Ein Paukenschlag läutet die Verlängerung ein: Erst scheitert Schürrle nach
       Zuspiel des eingewechselten Götze am stark reagierenden Romero, woraufhin
       Boateng im richtigen Moment sein Bein in den argentinischen Konter stellt.
       Wenige Minuten später pennt Hummels in einer ähnlichen Situation. Palacio,
       der Mann mit dem Roberto-Baggio-Gedächtniszöpfchen, ist durch, setzt den
       Heber aber an Neuers Kasten vorbei – eher weniger Baggio-like.
       
       Die Verletzungsunterbrechungen häufen sich. Mehr als 100 Minuten
       Vollgasfußball fordern ihren Tribut. Die Laufleistung beschränkt sich aufs
       Wesentliche. Ball halten, Ball verteilen und plötzlich: Ball reinschießen.
       Auf der linken Seite rennt Schürrle in 113. Minute bis zur Grundlinie,
       bringt den Ball in die Mitte, wo ihn Götze mit der Brust aus der Luft nimmt
       und aus spitzem WM direkt verwandelt. 1:0!
       
       Zwei Minuten später muss Neuer noch einmal den Neuer machen. Er kommt weit
       raus und holt sich den Ball. Noch ein ansehnlicher Sololauf von Müller,
       dann ist Schluss. Deutschland ist Weltmeister.
       
       ## Multikulturelle Früchte
       
       Viele werden schreiben, dass Jogi und seine Jungs hier Geschichte
       geschrieben haben. Es sind jedoch nicht große Männer, die Geschichte
       schreiben, sondern Prozesse und Strukturen. Die Investitionen in den
       Nachwuchs, die der DFB nach der vergeigten EM 2000 tätigte, trugen am
       Sonntagabend multikulturelle Früchte.
       
       Nicht „Wir“ sind Weltmeister, sondern die vielen Götzes, Özils und Müllers,
       durch die das deutsche Team flexibel ist wie nie. Durch sie konnte auch der
       Ausfall von Khedira ohne Probleme kompensiert werden. Auch Kramers
       gehirnerschütternde Verletzung bereitete dem Bundestrainer ersichtlich
       keine großen Sorgen.
       
       Trotzdem: Argentinien bot der deutschen Elf über weite Strecken Paroli.
       „Ich glaube, dass die deutsche Mannschaft über Jahre hinaus nicht zu
       besiegen sein wird. Es tut mir leid für den Rest der Welt, aber wir werden
       für die nächsten Jahren nicht zu besiegen sein“, schwärmte Franz
       Beckenbauer nach dem gewonnenen Finale 1990. Er sollte sich irren.
       
       Eine Aussage, die einem Trainer wie Joachim Löw vermutlich nur im Zustand
       der geistigen Umnachtung über die Lippen kommen würde. Er weiß, diese WM
       hat eine Mannschaft gewonnen, die über viele Jahre auf diesen Titelgewinn
       hingearbeitet hat. Nicht mit brachialer Gewalt hat die Löw-Elf gewonnen,
       sondern, zumal nach dem 7:1 gegen Brasilien im Halbfinale, mit einer
       kämpferischen Mixtur, der eine erhebliche Portion Ansehnlichkeit beigegeben
       war.
       
       Es wird, im globalen Zuschnitt, nur wenige geben, die dem DFB diesen Sieg
       nicht gönnen würden. Gewonnen hat das Land mit der längeren demokratischen
       Tradition.
       
       14 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marco Wedig
       
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