# taz.de -- Die Verständnisfrage: Wenn Männer zu viel Platz brauchen
       
       > Warum sitzen Männer so oft breitbeinig in Bus und Bahn?, fragt eine
       > Leserin. Ein ehemaliger Manspreader antwortet.
       
 (IMG) Bild: Typische Szene in der U-Bahn
       
       Liebe Männer, warum sitzt ihr so oft breitbeinig da?, fragt Beatriz S., 44,
       Lehrkraft aus Bremen.
       
       Moritz Schiefer, 22, Sozialarbeiter aus Wien, antwortet:
       
       Heute weiß ich, dass man das „Manspreading“ nennt und es problematisch ist,
       wenn cis-Männer ganz selbstverständlich Platz im öffentlichen Raum für sich
       beanspruchen. Metaphorisch, aber auch physisch. Ich glaube, bei den
       wenigsten steckt eine Absicht dahinter, man übernimmt das automatisch aus
       dem Umfeld. Auch ich saß als Jugendlicher manchmal breitbeiniger da.
       
       Gerade in der Pubertät ist man in einem Findungsprozess und schaut auf
       andere, um seinen eigenen Platz in der Welt zu finden. Rückblickend
       spielten dabei [1][Männlichkeitsbilder] in meiner Jungsgruppe eine große
       Rolle. Wir wollten uns abgrenzen von Männlichkeiten, die abgewertet wurden
       – „schwul“ zum Beispiel wurde damals noch als Schimpfwort benutzt. Also
       reproduzierten wir die Bewegungsmuster von Männern, die als cool und stark
       galten, auch eine bestimmte Art zu sitzen.
       
       Ich dachte mir also nie aktiv: Ich will diesen Platz einnehmen, der steht
       mir zu. Aber es hat sich auch nicht falsch angefühlt, ich habe das
       teilweise gar nicht bemerkt. Mir wurde vermittelt, dass ich das darf und
       kann. Im Gegensatz dazu wird Mädchen gern gesagt, dass sie sich ordentlich
       hinsetzen sollen, ihnen wird beigebracht, sich zurückzuhalten und ja nicht
       zu viel Raum zu beanspruchen. Wir verinnerlichen diese Dinge.
       
       Vor einigen Jahren, ich war um die sechzehn, wurde [2][Manspreading zum
       Thema im Internet]. Ich erinnere mich an Videos, in denen sich weiblich
       gelesene Personen breitbeinig in die U-Bahn setzen. Sie wollten damit
       zeigen, wie seltsam es wirkt, wenn nicht cis-Männer das machen. Das war ein
       ziemliches Aufregerthema. Es wurde ins Lächerliche gezogen, Leute haben
       gefragt, ob wir keine größeren Probleme haben. Ich selbst hatte damals
       keine starke Meinung dazu – auch das sagt ja einiges über meine
       Nichtbetroffenheit aus. Aber etwas ist hängengeblieben.
       
       Nach der Schule begann ich mich mit [3][Feminismus] auseinanderzusetzen.
       Durch mein Studium der Sozialen Arbeit lernte ich, dass es wichtig ist,
       sich zu fragen, wer in der Gesellschaft wie viel Raum beanspruchen darf.
       Dass es keine private Frage ist, wie man am liebsten sitzt, sondern
       politische Strukturen dahinterstecken. Und dass Gender eine Performance
       ist. Mittlerweile bin ich in der Offenen Jugendarbeit tätig und versuche,
       mit den Jugendlichen zu reflektieren: Was bedeutet Männlichkeit? Was
       bedeutet es, stark zu sein?
       
       Wenn ich mich selbst heute noch manchmal dabei ertappe, dass ich ein
       bisschen breiter sitze, stelle ich die Beine einfach enger zusammen.
       Argumente, dass Männer physisch nur breitbeinig sitzen können, finde ich
       unsinnig. Ich kann ohne Probleme die Beine übereinanderschlagen. Aber man
       muss das wollen und sich fragen: Bin ich bereit, Raum herzugeben, ein
       toxisches Männlichkeitsbild abzulegen und zurückhaltender aufzutreten?
       
       Häh? Fragen Sie sich manchmal auch, warum andere Leute so sind? Dann
       schicken Sie Ihre Frage an [4][verstaendnis@taz.de].
       
       29 Jan 2024
       
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