# taz.de -- Die Wilmersdorfer Straße ohne Galeria: Eine Straße sucht sich selbst
       
       > Die Geschichte der Wilmersdorfer Straße war schon immer eine, in der es
       > auf und ab ging. Das Kaufhaus war aber immer da. Nun wird es geschlossen.
       
 (IMG) Bild: Eine Krise nach der anderen in der Wilmsesdorfer. Hier war Pandemie
       
       So oft die Wilmersdorfer in den vergangenen Jahrzehnten ihr Gesicht
       änderte, Karstadt war immer da, selbst als er in Galeria umbenannt wurde.
       Das älteste noch geöffnete Warenhaus Berlins als Fels in der Brandung. Nun
       schließt es, fast 120 Jahre nach seiner Eröffnung 1906.
       
       Geht mit der Ära des Kaufhauses nun auch die Wilmersdorfer Straße als
       Einkaufsstraße zu Ende? Ist der „Wilmi“ noch zu helfen?
       
       Noch während ich die Worte tippe, merke ich, dass das eine Flanierfrage
       ist. Flanierfragen sind die, die man sich beim Flanieren stellt, und ich
       flaniere oft durch die Wilmersdorfer. Vor fast jedem Hertha-Heimspiel ein
       Galao im Café Lisboa, danach schnell noch zu Edeka [1][in der „Wilma“]. Es
       ist, glaube ich, der bestsortierte Edeka der Stadt. Man kann die
       Wilmersdorfer Straße auch mögen, wenn man in Pankow oder Brandenburg lebt.
       
       Es ist ein Mögen mit vielen Abs und einigen Aufs. Zu den Aufs gehört der
       Umbau der Wilmersdorfer Arcaden zur „Wilma“. Kieziger sollte es werden,
       auch wenn das natürlich ein Euphemismus ist für eine Mall. Näher dran an
       den Leuten ist die „Wilma“ aber schon seit dem Umbau 2020, siehe Edeka.
       
       Auch einen großen „Marktplatz“ gibt es nun und ein bisschen Raum für
       Experimente. [2][„Mall anders“] nannte die TU ihr „offenes Lernlabor“ vom
       Dezember 2021 bis Februar 2022. [3][Kiez und Uni Hand in Hand,] in der
       Wilmersdorfer ist es möglich.
       
       ## Die Ankermieter sind weg
       
       Die Abs beim Flanieren wiegt das nicht auf. Es sind vor allem die
       Ankermieter, die in den vergangenen zwanzig Jahren verloren gingen. Sinn
       und Leffers traf es 2005. Das ein Jahr zuvor eröffnete Kant Center, eine
       architektonische Verprovinzung ihresgleichen, steht nach dem Auszug von
       Peek & Cloppenburg halbleer. Der Versuch des Bezirks, dort eine Filiale der
       Stadtbibliothek unterzubringen, scheiterte am Geld.
       
       Nun aber ist ein Mieter gefunden, weiß [4][Thomas Bong]. Kein Flaneur ist
       er, sondern ein Gewerbetreibender. Der Apotheker spricht für die [5][AG
       Wilmersdorfer Straße], die sich am Dienstag zu einer Krisensitzung mit dem
       Bezirk getroffen hat. Auch für das Galeria-Grundstück soll schnell eine
       Lösung her. „Die Schließung ist auch eine Chance“, sagt Bong. Zwar sei ein
       Ankermieter wichtig, aber auch auf einen besseren Mix aus Wohnen, Kultur
       und Einkaufen wolle man Wert legen.
       
       Und darauf, dass dort, wo Galeria heute steht, eine „saubere Baustelle“
       eingerichtet wird. Denn die Cofra Holding, der das Gebäude gehört, will das
       Kaufhaus abreißen und neu bauen. Mit einem städtebaulichen Vertrag will der
       Bezirk versuchen, auch öffentliche Nutzungen im Neubau unterzubringen. Bong
       ist optimistisch, verweist darauf, dass sich der Eigentümer schon bei der
       AG Wilmersdorfer Straße hat blicken lassen.
       
       Zum Flanieren gehört auch, dass man sich die Frage stellt, wo die
       Wilmersdorfer eigentlich anfängt und wo sie aufhört. Nur wenige Male bin
       ich in den 40 Jahren, die ich in Berlin lebe, durch den Norden
       geschlendert, wo es wirklich kiezig zugeht. Und der Süden ist eine Straße
       für sich, hochherrschaftlich, Kudammnähe halt, aber abgeschnitten durch die
       Stadtbahntrasse.
       
       Um das alles unter einen Hut zu kriegen, gibt es zwei Möglichkeiten.
       Entweder holt man das Kiezige im Norden und das Herrschaftliche im Süden in
       die Mitte. So hat es vor einiger Zeit der Stadtplaner [6][Harald
       Bodenschatz] vorgeschlagen. Er plädierte dafür, die 1978 eingeführte
       Fußgängerzone abzuschaffen.
       
       Oder aber man erweitert sie, wie es der Bezirk will. Noch in diesem Jahr
       soll die autofreie Zone von der Schillerstraße bis zur Bismarckstraße
       verlängert werden. Die Ausweitung der Fußgängerzone als eierlegende
       Wollmilchsau. [7][Die Friedrichstraße lässt grüßen].
       
       Der Wilmersdorfer wünsche ich Besseres.
       
       15 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.westfield.com/germany/wilmashoppen
 (DIR) [2] https://www.tu.berlin/themen/transfer/mall-anders
 (DIR) [3] /Wissenschaft-im-Einkausfzentrum/!5821708
 (DIR) [4] https://bong-apotheke.de/
 (DIR) [5] https://www.berlin.de/mittendrin/die-nominierten/ag-fussgaengerzone-wilmersdorfer-strasse/
 (DIR) [6] https://harald.bodenschatz.berlin/fileadmin/Buecher/BerlinerMorgenpost_01_07_2018.jpg
 (DIR) [7] /Berliner-Kampfzone-Friedrichstrasse/!5913770
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uwe Rada
       
       ## TAGS
       
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