# taz.de -- Eskalation in Kosovo: Nur keine „bosnischen Verhältnisse“
       
       > Militante Serben versuchen immer mehr Einfluss in Kosovo zu erzwingen –
       > unterstützt von Serbiens Präsidenten Vućić. Nun droht die Lage zu
       > eskalieren.
       
 (IMG) Bild: Unbeeindruckt: Eine Frau durchquert die Blockade serbischer Nationalisten in Mitrovica, 27. Dezember
       
       Die seit Jahren schwelenden Spannungen zwischen Serbien und dem Kosovo
       haben jetzt eine bedrohliche Dimension erreicht. Zwar gab es in den letzten
       Jahren immer wieder Krawalle militanter Serben in Nordkosovo. Sie
       protestierten militant gegen angebliche Übergriffe des seit 2008
       unabhängigen Staates auf das von ihnen beanspruchte Gebiet. Doch jetzt wird
       der Ton noch schärfer. Überall in der von rund 50.000 Menschen bewohnten
       Region tauchten jetzt Straßensperren auf – selbst im Nordteil der Stadt
       Mitrovica.
       
       Militante Serben blockieren seit 18 Tagen in den Dörfern jene Straßen, die
       zu den Grenzübergängen nach Serbien führen. Mit den Barrikaden protestieren
       sie auch gegen die Verhaftung eines ehemaligen Beamten der Kosovo-Polizei.
       Der serbische Präsident Aleksandar Vučić versetzte am Montagabend die
       serbischen Streitkräfte erneut in erhöhte Alarmbereitschaft. Innenminister
       Bratislav Gašić erklärte sogar, Ziel sei es, „alle Maßnahmen zu ergreifen,
       um das serbische Volk im Kosovo zu schützen“.
       
       Am Sonntagabend fielen sogar Schüsse nahe der Gemeinde Potok. Die serbische
       Seite machte zunächst Albaner dafür verantwortlich. Als sich aber
       herausstellte, dass eine Patrouille der multinational geführten
       Nato-Schutztruppe KFOR in der Nähe war und eine internationale Untersuchung
       eingeleitet werden sollte, verschwand diese Behauptung wieder.
       
       In den letzten fünf Jahren hatte Vučić die serbischen Streitkräfte sechsmal
       in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Dies blieb bisher jedoch folgenlos.
       Denn Vučić scheut den Konflikt mit der Nato-geführten KFOR. Dies könnte
       jetzt aber mit dem [1][Rückenwind aus Moskau] anders werden, befürchten
       einige unabhängige Analytiker in Prishtina. Denn Vučić fordert erstmals
       von der KFOR, serbische Truppen, rund 100 Mann, sollten in Nordkosovo
       stationiert werden.
       
       ## Serbische Pläne, albanischer Widerstand
       
       Serbien, das Kosovo nach wie vor als eigenes Staatsgebiet betrachtet, will
       jetzt eine militärische Präsenz in Kosovo durchsetzen und gleichzeitig die
       serbisch dominierten Gemeinden in Kosovo zu einem serbischen
       Gemeindeverbund mit eigenen Institutionen zusammenführen.
       
       Aber diese Pläne stoßen auf den erbitterten Widerstand der kosovarischen
       Regierung und der Mehrheit der ethnisch albanischen Bevölkerung unter
       Regierungschef Albin Kurti. Bisher hat die Regierung der Forderung der
       Serben, unterstützt von den Europäern, nicht nachgegeben. Kurti will keine
       [2][bosnischen Verhältnisse] in Kosovo.
       
       Die USA werden zudem der Stationierung serbischer Truppen in Nordkosovo
       nicht zustimmen, heißt es aus kosovarischen Regierungskreisen. Darauf könne
       man sich verlassen. Kosovos Außenministerin Donika Gërvalla-Schwarz
       verweist zudem auf den Kompromiss in Bezug auf die Reisefreiheit – sowohl
       die kosovarischen Nummernschilder wie auch Ausweispapiere sind von
       serbischer Seite anerkannt worden. Sie deutet damit an, dass es bei all den
       Spannungen in den letzten Monaten auch Fortschritte gegeben habe.
       
       Dennoch müsse die Kosovoregierung weiter auf der Hut sein, fordern
       politische Beobachter, Analytiker und Schriftsteller wie Shkëlzen Maliqi
       und Veton Surroi, die vor Jahrzehnten den Krieg und die
       Unabhängigkeitsbewegung durchlebt und mitgestaltet haben. Sie hatten immer
       wieder, wie die Ministerin selbst, darauf verwiesen, dass bei der
       militärischen Besetzung Kosovos durch Nato-Truppen 1999 das Gebiet nördlich
       von Mitrovica ausgenommen war.
       
       ## Vučić duldet keine Opposition im Kosovo
       
       Hier wurde in mehr als 20 Jahren eine von extremen Nationalisten,
       Geheimdienstleuten und Kriminellen dominiertes serbisches Einflussgebiet
       geschaffen, das unter der Kontrolle des jetzigen Präsidenten Vučić liegt.
       Eine Opposition gibt es dort nicht. Als unabhängige Serben aus den Enklaven
       des südlichen Landesteils sich vor wenigen Wochen dazu entschlossen, in der
       Kosovoregierung mitzuarbeiten, wurden sie vom Vučićregime bedroht.
       
       Vor allem [3][die französische Regierung] stand damals hinter der
       Entscheidung, dieses serbische Einflussgebiet zu schaffen. Viele Albaner im
       Kosovo trauen auch aus anderen Gründen der europäischen Politik trotz aller
       anderslautenden Beteuerungen nicht zu, das Land wirklich zu beschützen und
       in die EU zu führen. Sie vertrauen allein den USA. Angesichts der
       prorussischen Position in Serbien hat der Kosovokonflikt wieder eine
       internationale Dimension.
       
       27 Dec 2022
       
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 (DIR) Erich Rathfelder
       
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