# taz.de -- Europride in Serbien: Serbenfaschos wollen leere Straßen
       
       > Viele Serb:innen unterschreiben eine homophobe Petition. Der Präsident
       > will eine Demonstration für die Rechte von LGBTQIA+-Menschen verbieten.
       
 (IMG) Bild: Protest gegen die LGBT-Veranstaltung Europride, Belgrad, 28. August 2022
       
       „Vom 12. bis 18. September 2022 ist in Serbien, in der Residenzstadt
       Belgrad, ein Ereignis unter dem Namen Europride 2022 angesagt. Laut dem
       Organisator sollen sich während dieser Manifestation in Belgrad
       Zehntausende Mitglieder der sogenannten LGBT-Population aus ganz Europa und
       der Welt versammeln, um ihre sexuelle Orientierung zu äußern.“ So steht es
       in einer Petition, die 96 Professoren, Redakteure, Schriftsteller,
       Übersetzer, Akademiker, Ingenieure und andere unterzeichnet haben.
       
       Das von Russland gesteuerte Medium Sputnik und national gesinnte Portale in
       Serbien veröffentlichten die Petition, in sozialen Netzwerken wird sie
       massenhaft verbreitet. Die Unterzeichner sind „besorgt wegen der
       angekündigten Verletzung der öffentlichen Moral, der Beunruhigung von
       Bürgern und potenzieller gesundheitlicher Bedrohung der Bürger Serbiens“.
       Sie fordern das Innen- und Gesundheitsministerium dazu auf, „die
       angekündigte Versammlung zu verbieten“.
       
       Eine Menge ähnlicher homophober Petitionen geistert in serbischen sozialen
       Netzwerken herum. Seit Jahren kontaminieren serbische Medien den
       öffentlichen Raum mit prorussischen, antiwestlichen, homophoben,
       coronaleugnenden Parolen. All das gehört zum ideologischen Mischmasch der
       rechtskonservativen Parteien des Landes. Sie behaupten, der dekadente
       Westen wolle der einheimischen orthodox-christlichen Tradition die
       LGBTQ-Rechte aufdrängen.
       
       Nach der Invasion Russlands in der Ukraine begann der rasante Höhenflug
       rechtsnationaler, prorussischer Parteien. Vier schafften es [1][bei den
       vorgezogenen Parlamentswahlen Anfang April] überraschend ins Parlament, auf
       Kosten der Serbischen Fortschrittspartei (SNS), die dennoch mit großem
       Abstand die meisten Stimmen holte.
       
       Auch wegen dieser Verschiebungen gab Staatspräsident Aleksandar Vučić,
       zugleich auch Chef der SNS, nach und [2][kündigte das Verbot der Europride
       an]. Dass eine deklarierte Lesbe, Ana Brnabić, Ministerpräsidentin ist,
       änderte nichts daran. Serbische LGBTQ-Organsationen werfen ihr seit Jahren
       vor, nichts für sie getan zu haben.
       
       Laut Gesetz kann angekündigte Versammlungen oder Protestmärsche allerdings
       nur das Innenministerium verbieten, und das hat sich noch nicht geäußert.
       Bestimmen darüber wird am Ende Präsident Vučić.
       
       Die Organisatoren der in jährlich wechselnden Ländern stattfinden
       Veranstaltung geben sich nicht geschlagen. „Die Europride wird so wie
       geplant stattfinden“, erklärte Goran Miletic. Er berief sich auf das
       Verfassungsgericht, das frühere Verbote der Belgrader Pride „aus
       Sicherheitsgründen“ als verfassungswidrig bezeichnete. Sofort wurden auch
       Gegenpetitionen für die Pride organisiert.
       
       Die meisten sogenannten bürgerlichen serbischen Parteien schweigen zu
       diesem Thema. Sie wollen bei ihren Wählern nicht in Ungnade fallen.
       Unterstützung kommt aus Washington, Brüssel und Straßburg: Der
       amerikanische Außenminister Antony Blinken appellierte an die serbischen
       Behörden, die Europride zu ermöglichen, genau wie Europaabgeordnete und
       Funktionäre der EU. Man erinnerte daran, dass Serbien EU-Beitrittskandidat
       sei und entsprechende Verpflichtungen gegenüber den Menschenrechten habe.
       Die Europride in Belgrad steht inzwischen im Zentrum eines Machtspiels mit
       ungewissem Ausgang.
       
       3 Sep 2022
       
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