# taz.de -- Expertin über Geldwäsche in Dubai: „Schmutzige Geschäfte gibt es immer“
       
       > Solange es Orte wie Dubai gibt, funktionieren Sanktionen des Westens
       > gegen Russland nicht, sagt Sicherheitsexpertin Jodi Vittori.
       
 (IMG) Bild: Grundstücke auf der Insel Palm Jumeirah sind in Dubai besonders begehrt
       
       taz am wochenende: Im März wurden die Vereinigten Arabischen Emirate auf
       die „graue Liste“ der [1][Financial Action Task Force] gesetzt. Das
       bedeutet, dass ein besonderes Risiko für Geldwäsche und
       Terrorismusfinanzierung besteht. Seit wann gibt es diesen Verdacht? 
       
       Jodi Vittori: Ich war 2011 und 2012 Teil einer
       Counter-Corruption-Task-Force der Nato, die sich mit Afghanistan
       beschäftigte. Uns fiel auf, wie viel Geld durch Dubai floss. Nachdem ich
       das US-Militär verlassen hatte, arbeitete ich für Organisationen, die sich
       gegen Geldwäsche einsetzen, und es war wieder dasselbe: Egal mit welchem
       Teil der Welt ich und meine Kollegen uns beschäftigten, fast immer kam
       Dubai auf. Die Emirate, vor allem Dubai, sind heute ein Handels-Hotspot.
       Egal, wie sehr man sich anstrengt – eine gewisse Menge an schmutzigen
       Geschäften wird es immer geben. Aber wir haben uns gefragt: Sind das
       Zufälle? Oder gibt es einen Grund für diese Häufungen?
       
       Wie wurde Dubai von einem kleinen Wüstenstädtchen zu einem wichtigen
       Handelsplatz? 
       
       Die gesamte Golfküste ist seit Langem vom Seehandel geprägt, damit einher
       ging in den letzten Jahrhunderten auch ein reger Schmuggel. Ein großer Teil
       des Goldschmuggels zwischen Indien und anderen Teilen der Welt wurde im
       frühen 20. Jahrhundert über den damals winzigen Hafen von Dubai
       abgewickelt. Der Schmuggel scheint sich parallel zum Wirtschaftswachstum
       entwickelt zu haben. Der berühmte russische Waffenschmuggler Wiktor But
       verschiffte etwa seine Waffen in den 1990ern und frühen 2000ern über die
       Emirate.
       
       Auch andere Orte sind internationale Handels- und Finanzzentren. Warum gibt
       es ausgerechnet in den Emiraten so viel Schwarzgeld? 
       
       Das System ist so aufgebaut, dass Geschäftswilligen nur sehr wenige Fragen
       gestellt werden. Und die Antworten werden kaum überwacht. Die Emirate
       befinden sich in einem Zustand, den man „regulatory capture“ nennt. Das
       bedeutet, dass diejenigen, die für die Förderung dieser Wirtschaftssektoren
       – Finanz- und Bankwesen, Gold oder Immobilien – zuständig sind, nicht nur
       die Vorschriften aufstellen, sondern auch persönlich von diesen Geschäften
       profitieren. Gleichzeitig sollen sie diese auch überwachen. In den Emiraten
       gibt es keine unabhängigen Aufsichtsgremien. Alle Institutionen existieren
       nur, solange die königlichen Familien und andere Eliten es ihnen gestatten.
       Es gibt keine unabhängige Berichterstattung darüber, weshalb und wie genau
       Entscheidungen zur Regulation der Märkte getroffen werden.
       
       Wenn das so bekannt ist – weshalb gibt es keine westlichen Sanktionen gegen
       die Emirate? 
       
       In der Vergangenheit wurden den Emiraten Sanktionen angedroht, sollten sie
       die Finanzierung von Terrorismus nicht unterbinden – etwa nach dem 11.
       September 2001, dessen Finanzierung zum Teil durch Dubai floss. Das haben
       sie daraufhin eingeschränkt. Doch die Emirate sind ein sehr komplexer
       geopolitischer Ort, und die Verbindungen zum Westen sind eng: Einer der
       größten Militärhäfen Großbritanniens liegt dort. Das emiratische Militär
       gilt als das kompetenteste in der Region und durfte die Luftangriffe der
       Anti-IS-Koalition anführen. Viele westliche Unternehmen haben in Dubai oder
       Abu Dhabi ihren Sitz. Die Emirate haben auch ein PR-Narrativ entworfen, sie
       stellen sich als Quelle der Stabilität in einer unsteten Region dar.
       
       Auch russische Oligarchen investieren massiv in Immobilien in Dubai. Wer
       macht in den Emiraten noch Geschäfte? 
       
       Jeder und alle. Da es keine unabhängigen Statistiken gibt, erfährt man das
       vor allem aus Leaks, wie dem des Recherchenetzwerks OCCRP zu den russischen
       Immobiliengeschäften in Dubai. Oft wird auch nur publik, wer sich dort
       aufhält, weil viele Oligarchen und Kriegsverbrecher gern auf Social Media
       unterwegs sind. So wie Dmitri Kisseljow, der als Putins Chefpropagandist
       gilt und neulich in rosa Badeshorts in einem Dubaier Ressort Urlaub machte.
       Aber es gibt auch viele Expatriots in hochbezahlten Branchen, viele
       Arbeiter, die vor allem Geld nach Hause senden wollen.
       
       Weshalb zieht Dubai so viele Ausländer an? 
       
       Das [2][European Tax Observatory] (ETO) hat sich die Leaks von OCCRP aus
       ökonomischer Perspektive angesehen. Dabei fiel ihnen auf, dass Dubai eines
       der ersten Länder war, das es auch Ausländern erlaubt hat, Immobilien zu
       kaufen. Außerdem gibt es auf Verwaltungsebene wenig Korruption, alles ist
       darauf ausgelegt, dass Geschäfte möglichst einfach sind.
       
       Dabei landen autokratische Länder in Rankings, wie einfach es ist, dort
       Geschäfte zu machen, oft eher unten. 
       
       Die meisten Autokratien sind keine beliebten Zielorte für Geld, weil es
       keine unabhängige Justiz gibt, man immer Gefahr läuft, dass einem sein Geld
       einfach abgenommen wird. Doch obwohl Dubai ein autokratischer Staat ist,
       ist es ein sogenannter Zielort für Finanzströme. Solche Zielorte brauchen
       eine gut laufende Wirtschaft wie in Singapur, Hongkong oder auch
       Deutschland, um große Geldmengen unauffällig verschieben zu können. Auf den
       Cayman Islands etwa ginge das nicht. Man könnte dort nicht genug Häuser und
       Wohnungen bauen, um große Mengen an Geld zu waschen. Für Geldwäsche eignet
       sich der Immobiliensektor besonders gut.
       
       Weshalb ist das so? 
       
       Wenn man etwas vermietet – oder so tut –, bekommt man ganz regelmäßige,
       reingewaschene Zahlungen zurück. Der ganze Grund in den Emiraten gehört
       letztlich der königlichen Familie. Sie überlassen ihn anderen und schaffen
       so Loyalitäten – ebenso mit der Vergabe von Bauaufträgen oder Bankkrediten.
       Im Immobiliensektor lässt sich an jeder Ecke Geld machen – sehr viel
       einfacher als in anderen Geschäftsfeldern.
       
       Und russische Oligarchen nutzen diese Vorteile gerne? 
       
       Auch das fällt in dem Bericht des ETO auf: Die meisten Wohnungen, die in
       Dubai an Ausländer verkauft werden, haben nur ein Schlafzimmer. Vielleicht
       brauchen die Leute einfach nicht mehr Platz, vielleicht ist es ein Hinweis
       darauf, zu welchem Zweck sie gekauft wurden – um schnell kaufen, vermieten
       und verkaufen zu können – um Geld zu waschen.
       
       Oder manche Ausländer haben wirklich nicht mehr Geld. 
       
       Das ist auch eine Möglichkeit. Am Beispiel Russland: Der Staat und seine
       Oligarchen haben eine gewisse Allmacht. Wenn einer beschließt, dass er dein
       Geschäft übernehmen oder dich aus einer Branche drängen will, kann er das
       tun – Korruption und Straflosigkeit ermöglichen es ihm. Viele russische
       Mittelständler, etwa aus dem IT-Bereich, die hart für ihr Vermögen
       gearbeitet haben, verlagern es auch aus diesem Grund nach Dubai. Um einem
       möglichen Staatszugriff zu entgehen. Russland wird immer totalitärer.
       Tausende verlassen das Land – und nehmen ihr Geld mit. Das wird eine große
       Herausforderung beim Erlass von Sanktionen gegen Russland und Russen im
       Ausland: herauszufinden, wer sein Geld aufrichtig verdient hat – und wer
       durch Vorteilsnahme und Korruption.
       
       Könnte man sagen, dass westliche Sanktionen gegen Russland sinnlos sind,
       solange es Orte ohne Kapitalkontrolle wie Dubai gibt? 
       
       Absolut. Solange solche Orte existieren, werden Sanktionen nicht wirklich
       funktionieren. Vor allem in Kombination mit Briefkastenfirmen und ähnlichen
       Verschleierungskonzepten, die es auch in den USA und Europa gibt.
       
       22 May 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.fatf-gafi.org/
 (DIR) [2] https://www.taxobservatory.eu/de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lisa Schneider
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Geldwäsche
 (DIR) Dubai
 (DIR) Immobilien
 (DIR) Oligarchen
 (DIR) Schwerpunkt Korruption
 (DIR) Oligarchen
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Vereinigte Arabische Emirate
 (DIR) Dubai
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Ländle im Strudel von US-Sanktionen: High-Tech unter Geldwäsche-Verdacht
       
       Eine Gemeinde in Baden-Württemberg stoppt ein Bebauungsplanverfahren nach
       Korruptionsvorwürfen gegen einen afghanischen Großinvestor. Der weist die
       Anschuldigungen zurück. ​
       
 (DIR) Russische Oligarchen: Todesserie unter Milliardären
       
       In Russland häufen sich Todesfälle von Oligarchen, die ihr Geld vor allem
       mit Gas oder Öl machten. Was dahintersteckt, bleibt unklar.
       
 (DIR) Russlands Geldadel: Die leisen Worte der Oligarchen
       
       Die Sanktionen des Westens treffen auch die Milliardäre in Russland. Lehnen
       diese sich nun gegen ihren Präsidenten Wladimir Putin auf?
       
 (DIR) Expo in Dubai: Glitzer, Sand und Stahl
       
       Die Weltausstellung Expo entwirft in Dubai mit Superlativen und Kitsch eine
       Welt der Zukunft. Beinhaltet diese Vision auch Menschenrechte?
       
 (DIR) Dubais Emir und Prinzessin Latifa: Die Mär vom Übermorgenland
       
       Die Entführung Latifas hat international Wellen geschlagen. Möglich ist,
       dass der rigide Emir bald auch zu anderen Fragen Stellung beziehen muss.