# taz.de -- Frankfurts Triumph in der Europa League: Taumel am Main
       
       > Können es auch Mittelständler aus der Bundesliga ganz an die Spitze
       > schaffen? Aber ja, wie der Erfolg von Eintracht Frankfurt in der Europa
       > League zeigt.
       
 (IMG) Bild: Moment des Glücks: Santos Borré feiert den Sieg gegen die Glasgow Rangers
       
       FRANKFURT taz | Dragan Kandić ist mehr als nur der gute Geist vom
       Lichtluftbad im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen. Als Platzwart und
       Wirt, Multitalent und Seelsorger hält das Unikum seit vielen Jahren
       Menschen zusammen. Aber dass der gebürtige Serbe gegen Mitternacht
       plötzlich Freudensprünge, gefühlt bis zum Himmel, vollführt, hat der
       Tennisverein hoch über den Dächern der Mainmetropole auch noch nicht
       erlebt. Vor den Fernsehern auf der Terrasse spielte sich in dieser
       magischen Nacht nur ab, was überall geschah: Die Leute lagen sich in den
       Armen, die meisten schrien einfach ihre Freude hinaus, nicht wenige weinten
       aber auch vor Glück.
       
       Der Europa-League-Triumph von [1][Eintracht Frankfurt] mit 5:4 im
       Elfmeterschießen gegen die Glasgow Rangers versetzte auch seine
       Protagonisten in Sevilla in den Ausnahmezustand. „Ich feiere jetzt bis
       Samstag durch – und am Sonntag gehe ich den Urlaub“, kündigte [2][Trainer
       Oliver Glasner] an. Der Österreicher hatte sich vor der Siegerehrung auf
       einen Diver durch das Spalier seiner freudetrunkenen Spieler begeben, die
       das für dieses große Ereignis eigentlich zu kleine Estadio Ramón Sánchez
       Pizjuán gar nicht verlassen wollten.
       
       Wie das Ensemble nach dem Rückstand durch Rangers-Angreifer Joe Aribo (57.)
       in Person von Rafael Borré zurückkam (69.) und sich letztlich dank einer
       Elfmeterparade von Kevin Trapp gegen den Waliser Aaron Ramsey belohnte,
       sorgte für eine Explosion der Gefühle. Es dauerte nicht lange, da starteten
       in Frankfurt die ersten Autokorsos mit wilden Hupkonzerten und enthemmt
       feiernden Fans. Überall die schwarz-weißen Eintracht-Fahnen. Am Donnerstag
       füllte sich die Innenstadt früh mit den Menschenmassen: Die gigantische
       Sause auf dem Römerberg stellte selbst die rauschende Feier zu Pfingsten
       2018 nach dem DFB-Pokalsieg in den Schatten.
       
       ## Liedgut von Schulkindern
       
       Die Begeisterung für die launische Diva vom Main ist sprunghaft gewachsen,
       weil die Vereinsführung in jüngerer Vergangenheit viel richtig gemacht hat.
       Es kann kaum eine größere Anerkennung geben, als dass Schulkinder die
       gängigen Eintracht-Hymnen, von [3][„Schwarz-weiß wie Schnee“] bis hin zu
       „Im Herzen von Europa“, in- und auswendig kennen. Niemand käme als
       Heranwachsender in Frankfurt gerade auf die Idee, Anhänger des FC Bayern
       oder von Borussia Dortmund zu werden – die Eintracht bietet alles, was ein
       Fußballfan egal welchen Alters, welcher Nationalität, welchen Geschlechts,
       welcher Religion sich wünscht.
       
       Der Verein, der kürzlich stolz sein 100.000 Mitglied begrüßte, strahlt seit
       geraumer Zeit wie ein Fixstern. [4][Karl-Heinz Körbel], der mit 67 Jahren
       noch quietschfidele Markenbotschafter, Rekordspieler und Leiter der
       Eintracht-Fußballschule, verweist zu Recht darauf, dass der besondere
       Spirit „nicht von heute auf morgen geboren, sondern in den letzten Jahren
       gewachsen ist“. Die Eintracht hätte nie eine Finanzspritze eines
       sprunghaften Investors wie Lars Windhorst bei Hertha BSC angenommen –
       solche Erfahrungen hat Frankfurt hinter sich. Mit der krönenden Traumreise
       durch Europa ist ein Lehrstück aufgeführt, dass Klubs aus dem gehobenen
       Mittelstand mit Bordmitteln noch „Grenzen verschieben können“, wie Vorstand
       Axel Hellmann zuvor gesagt hatte.
       
       Er ist hinter den Kulissen einer der Baumeister dieser Erfolgsgeschichte.
       Der Jurist war treibende Kraft, den Klub nach dem soliden Mittelmaß der
       Bruchhagen-Ära mit mehr Fantasie und Risiko auszustatten. Hellmann verweist
       zu Recht darauf, dass es sich mit dem Cup-Gewinn 42 Jahre nach dem Triumph
       im alten Uefa-Pokal eben nicht um ein Zufallsprodukt handelt. „Wir waren in
       den vergangenen sechs Jahren fünf Mal in einem Halbfinale des DFB-Pokals
       oder der Europa League.“
       
       Doch letztlich geht nichts über einen Titel. „Es wird ein paar Jahre
       dauern, bis einem die Tragweite bewusst wird“, mutmaßte Mittelfeldkämpfer
       Sebastian Rode. Der wegen einer klaffende Platzwunde am Kopf früh mit einem
       Turban versehene Kapitän fährt an Sonntagen mit der Familie gern an den
       Goetheturm, um den Ausblick auf die Skyline zu genießen – nun sind nach dem
       mit Blut, Schweiß und Tränen getränkten Europapokalsieg die Perspektiven
       seines Arbeitgebers ähnlich prächtig. Die Adlerträger kommen ins
       Geschichtsbuch des deutschen Fußballs, ein Vierteljahrhundert nach dem
       Uefa-Pokal-Coup des FC Schalke 04.
       
       19 May 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Fan-Euphorie-bei-Eintracht-Frankfurt/!5851944
 (DIR) [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Oliver_Glasner
 (DIR) [3] https://www.youtube.com/watch?v=ZuXxQfKTKpk
 (DIR) [4] /Vor-dem-Bundesliga-Relegationsspiel/!5302715
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frank Hellmann
       
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