# taz.de -- Geothermische Energieversorgung: Wärme aus dem Berliner Erdreich
       
       > 5 Prozent des Wärmebedarfs einer Millionenstadt könnten durch Geothermie
       > abgedeckt werden. In Berlin werden erste Tiefenbohrungen geplant.
       
 (IMG) Bild: Schöne Aussicht: Energiekonzern Eon will den Untergrund des Tempelhofer Flughafengeländes für die Wärmegewinnung nutzen.
       
       BERLIN taz | Die Anhänger der erneuerbaren Energien richten nicht nur den
       Blick gen Himmel oder halten die Nase in den Wind. Zunehmend wird auch das
       Energiepotenzial unter unseren Füßen, die Erdwärme, interessant. Auf den
       Berliner Energietagen, die am Freitag zu Ende gehen, wurden unter anderem
       aktuelle Projekte zur Nutzung von Geothermie in der Großstadt vorgestellt.
       
       Am spektakulärsten ist das Vorhaben des Berliner Gasversorgers Gasag, an
       der auch der Energiekonzern Eon beteiligt ist. Der Gasversorger will die
       Tiefengeothermie im Untergrund des ehemaligen Flughafens Tempelhof für die
       Wärmegewinnung zu nutzen.
       
       "Tiefe Geothermie ist eine grundlastfähige Energiequelle, daher wird sie
       ideal ergänzt durch eine Spitzenlastversorgung mit Erdgas und Bioerdgas",
       erklärt Stefan Bredel-Schürmann, Leiter der Stabsstelle Geothermie der
       Gasag. Der städtische Energieversorger betreibt seit 20 Jahren einen
       riesigen unterirdischen Gasspeicher neben dem Olympiastadion. "Hier haben
       wir unsere geologische Kompetenz erworben", sagt Geothermiker
       Bredel-Schürmann.
       
       Auf der Suche nach neuen Formen der Energiedienstleistungen hat die Gasag
       die Erdwärme entdeckt. Das regionale Bergamt in Cottbus erteilte
       "Aufsuchungserlaubnis", auf dem "Claim Adlershof" nach Erdwärme und Sole im
       Untergrund in 1.500 Metern Tiefe zu suchen. Mit der Erdwärme soll das
       Europäische Energieforum (Euref) in der Nähe versorgt werden.
       
       Die ersten seismischen Messungen zur Vorbereitung der Probebohrungen fanden
       ausgerechnet am 11. März statt, dem Tag des katastrophalen Erdbebens in
       Japan. "Die Erschütterungen waren auch auf unseren Messgeräten zu
       erkennen", berichtete Bredel-Schürmann.
       
       In 1.200 Metern Tiefe war das Erdreich 44 Grad Celsius warm, bei 1.500
       Metern waren es bereits 53 Grad. Von hier soll hinabgepumptes Wasser
       erwärmt wieder nach oben geholt werden. Geplant ist ein Durchlauf von 50
       Kubikmeter pro Stunde.
       
       ## Tiefbohrungen sind 2012 geplant
       
       Derzeit läuft die Auswertung der seismischen Messung von 321 Geophonen.
       Daran ist das Geoforschungszentrum in Potsdam als wissenschaftlicher
       Partner beteiligt. Die ersten Tiefenbohrungen sind für das erste Halbjahr
       2012 geplant, 2014 soll dann der Regelbetrieb starten. Nach den jetzigen
       Erkenntnissen schätzt der Gasag-Experte das Energiepotenzial der
       Tiefengeothermie im Berliner Untergrund auf insgesamt 2 Terawattstunden.
       Damit könnten rechnerisch 5 Prozent des Berliner Raumwärmebedarfs von
       insgesamt 40 Terawattstunden gedeckt werden.
       
       Dass Städte nicht nur große Energieverbraucher sind, sondern auch Energie
       liefern können, wird am Karlsruhe Institut of Technology (KIT) untersucht.
       Mittels Temperaturmessungen an der Oberfläche können "Wärmeinseln" im
       Stadtgebiet erkannt werden. "In Berlin wie auch in anderen Städten beträgt
       die Temperaturdifferenz dieser Wärmeinseln bis zu 10 Grad im Vergleich zum
       städtischen Umland", erklärt KIT-Forscher Philipp Blum. Diese Temperatur
       setzt sich im Untergrund fort und kann über Erdwärmesonden genutzt werden.
       
       An Einzelprojekten zur Erdwärmenutzung arbeitet das Berliner Ingenieurbüro
       Geo-En. Für ein geplantes Hotel am Berliner Hauptbahnhof wurde eine
       Wärmeversorgung aus der Tiefe entwickelt, mit der 871.000 kWh oder 90.000
       Liter Heizöl im Vergleich zu einer konventionellen Heizung eingespart
       werden können. In diesem Fall war der Spareffekt aber nicht groß genug: Der
       Hotelbau liegt wegen Finanzproblemen derzeit auf Eis.
       
       20 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Manfred Ronzheimer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Energiespeicher
 (DIR) Erneuerbare Energien
       
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