# taz.de -- Griechenlands Syriza wählt Vorsitzenden: Genosse Kasselakis übernimmt
       
       > Die griechische Oppositionspartei Syriza hat ein neues Oberhaupt:
       > Stefanos Kasselakis. Seine Vision ist ein progressives Griechenland.
       
 (IMG) Bild: Der Star des Abends: Kasselakis, neuer Vorsitzender der linken Syriza
       
       ATHEN taz | Genau drei Monate nach ihrer herben Niederlage bei den
       [1][Parlamentswahlen in Griechenland] hat die Ex-Regierungspartei „Bündnis
       der Radikalen Linken“ (Syriza) einen neuen Parteichef gewählt: Stefanos
       Kasselakis.
       
       Der 35-Jährige setzte sich am Sonntag in der Stichwahl erwartungsgemäß
       gegen seine Widersacherin, Ex-Arbeitsministerin Efi Achtsioglou, durch. Für
       Kasselakis stimmten nach Auszählung aller abgegebenen Stimmen knapp über 56
       Prozent der Syriza-Mitglieder, für Achtsioglou votierten die übrigen 44
       Prozent.
       
       Bereits in der ersten [2][Wahlrunde am vorigen Sonntag hatte Kasselakis mit
       fast 45 Prozent der Stimmen die Nase] vorn gehabt. Daher ging Kasselakis
       als klarer Favorit in die Stichwahl. In der Nacht zu Montag trat der sehr
       medienaffine Kasselakis vor dem Syriza-Parteigebäude am „Platz der
       Freiheit“ im Athener Zentrum vor seine begeisterten Anhänger, die ihn mit
       den Sprechchören wie „Stefanos, sei stark, damit die Rechte fällt“
       begrüßten – eine Absage an die konservative Regierung Griechenlands.
       
       „Heute hat das Licht und die kollektive Hoffnung gesiegt“, erwiderte der
       sichtlich zufriedene Kasselakis. „Ich bin die Stimme der Gesellschaft“,
       fügte er hinzu. Kämpferisch definierte Kasselakis seine Vision: „Lasst uns
       Griechenland zu einem progressiven, modernen, europäischen Land machen! Es
       ist in euren Händen!“
       
       ## Nicht alle Syriza-Konkurrenten gratulierten Kasselakis
       
       Der Viertplatzierte der ersten Wahlrunde, der frühere Staatsminister Nikos
       Pappas, hatte Kasselakis bereits vor der Stichwahl unterstützt, die beiden
       umarmten sich in der Wahlnacht innig. Auch die Zweitplatzierte gratulierte.
       
       Doch der Drittplatzierte der ersten Wahlrunde, Ex-Finanzminister Euklid
       Tsakalotos, der den linken Parteiflügel vertritt, sah davon ab, Kasselakis
       zu seinem Sieg in der Stichwahl zu gratulieren.
       
       Das dürfte ein Vorgeschmack darauf sein, wie es mit der führenden Athener
       Oppositionspartei fortan weitergeht. Schon im Vorfeld der Stichwahl hatten
       sich die beiden Lager – das Team Kasselakis auf der einen und Achtsioglou,
       Tsakalotos und Co. auf der anderen Seite- heftigst angegriffen.
       
       Beobachtern zufolge könnte nach Kasselakis' Triumph der im November
       angepeilte Parteitag turbulent werden: Abgänge führender Syriza-Politiker
       bis hin zu einer Spaltung sind nicht ausgeschlossen.
       
       ## Eine kommunistische anmutende Vision für Griechenland
       
       Nikos Karanikas ist Syriza-Vordenker, früherer Sonderberater für
       strategische [3][Fragen von Ex-Premier Alexis Tsipras] und ein vehementer
       Befürworter der Kandidatur Kasselakis. Im Gespräch mit der taz erklärt er:
       „Kasselakis ist eine Zäsur. Genauso wie es Tsipras Anfang der Zehnerjahre
       war, der damals klargestellt hat, dass die Linke sofort regieren wolle“.
       
       Karanikas sagt: „Wir werden die Partei erneuern, um die Partei an die
       gesellschaftliche Realität anzupassen“. „Genosse Kasselakis“ öffne die „Tür
       zu einer zutiefst politisierten Gesellschaft“, in der „alle informiert und
       fast alle gebildet“ seien und „keine Instruktoren oder Agitatoren“
       bräuchten, die „irgendwann einmal das Informations- und Bildungsmonopol“
       innegehabt hätten.
       
       Was Kasselakis Plan sei: „Anachronistischen“ Kräften in der Partei, die
       keinen Bezug zur gesellschaftlichen Realität hätten, zugleich aber Syriza
       vor der Zufuhr von frischem Blut verschlossen, selbst eine Parteielite
       gebildet und der Gesellschaft nichts mehr zu bieten hätten, den Garaus zu
       machen.
       
       „Die heiligen Kühe in der Partei, die ‚historische Führungsriege‘,
       Berufsfunktionäre, die sich gegen jeglichen Fortschritt stemmen, müssen
       dorthin verbannt werden, wo sie hingehören: in die Geschichte. In der
       Partei, überall“, so Karanikas.
       
       ## Kasselakis war einst Freiwilliger im Stab Joe Biden
       
       Fest steht: Kasselakis ist keiner der beklagten Partei-Apparatschik.
       Geboren in Athen besuchte er eine Elite-High School in den USA, studierte
       an der Uni Pennsylvania. Vor den Präsidentschaftswahlen 2008 war er als
       Freiwilliger im Stab des damaligen Senators und heutigen US-Präsidenten Joe
       Biden. Mit 21 fand er einen Job bei Goldman Sachs, mit 30 war er Reeder.
       Kasselakis ist Gründer der Reederei Swiftbulk.
       
       Bei den jüngsten Parlamentswahlen in Hellas folgte Kasselakis dem Ruf des
       damaligen Syriza-Chefs Alexis Tsipras. Er kandidierte auf einem hinteren
       Listenplatz – ohne Chance auf eine Wahl ins Athener Parlament.
       
       Der [4][Urnengang am 25. Juni endete für Syriza] im Debakel. Die
       Radikallinken brachen auf 17 Prozent der Stimmen ein, 23 Prozentpunkte
       hinter der konservativen Nea Dimokratia (ND) unter Premier Kyriakos
       Mitsotakis.
       
       Die ND regiert weiter alleine in Athen, Syriza muss sich schwer
       angeschlagen abermals mit der Oppositionsrolle begnügen. Tsipras machte
       vier Tage nach dem Waterloo den Weg für seine Nachfolge frei.
       
       ## Kasselakis Priorität: Den Schutz für LGBTQ+ verbessern
       
       Ein besonderes Augenmerk richtet Kasselakis, der mit dem Krankenpfleger
       Tyler McBeth in den USA eine Lebenspartnerschaft eingegangen ist, auf die
       Angleichung der griechischen Gesetzgebung an „die fortschrittlichste der
       europäischen Länder in allen Fragen der Gleichstellung und des Schutzes für
       Frauen, Alleinerziehende, Behinderte sowie LGBTQ+-Personen“.
       
       Oberste Priorität ist jedenfalls, Premier Mitsotakis, den Spross einer
       alten Politdynastie, aus dem Amt zu jagen. Die Syriza-Mitglieder trauen ihm
       das offenkundig zu, mehr als jedem oder jeder anderen in Syriza.
       
       Die Athener Presse würdigte Kasselakis' Durchmarsch an die Parteispitze
       durchaus differenziert: „Eine neue Seite für die Linke“, titelte am Montag
       die auflagenstärkste Athener Tageszeitung Ta Nea.
       
       25 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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