# taz.de -- HipHop-Hoffnung Nicki Minaj: Zwischen Barbie und Burlesque
       
       > Plaste und Elaste: Mit ihrem Debütalbum "Pink Friday" könnte Nicki Minaj
       > einer Lady Gaga ernsthaft Konkurrenz machen. Und hat ein totgeglaubtes
       > Genre wiederbelebt.
       
 (IMG) Bild: Big hair: Frisurentechnisch kann Nicki Minaj auf jeden Fall mit Lady Gaga mithalten.
       
       Den Kopf in kesser Schieflage, flirtet sie mit der Kamera und lässt ihre
       falschen Wimpern klackern, als sei sie die Reinkarnation von Minnie Mouse.
       Die Rolle der lasziven Lolita beherrscht die Madame im Bonbonoutfit
       perfekt, und es mutet an, als könne sie kein Wässerchen trüben - doch dann
       mutiert sie urplötzlich zum Reimroboter und spuckt trotzige Rapsalven ins
       Mikrofon.
       
       Die Rede ist von Nicki Minaj, die mit einem selbstbewussten Auftreten
       zwischen Barbie und Burlesque mehr an eine kurvige Lady-Gaga-Kopie als an
       die weibliche HipHop-Hoffnung des Jahres erinnert - genau die ist sie aber.
       
       Lange war der Posten des weiblichen MCs vakant: Ehemalige Vertreterinnen
       wie Lil Kim oder Foxy Brown sind nach peinlichen Comebackversuchen in der
       Versenkung verschwunden. Nicki Minaj hat ein totgeglaubtes Genre mit
       schrillem Make-up, falschen Fingernägeln und einem enormem Talent
       wiederbelebt.
       
       Geboren wird Onika Tanya Maraj am 8. Dezember 1984 in St. James, einem
       Vorort von Port-of-Spain, der Hauptstadt des karibischen Inselstaates
       Trinidad und Tobago. Mit fünf Jahren zieht sie mit Mutter und Vater nach
       Queens, wo Alkohol- und Drogenprobleme des Vaters das Familienleben
       belasten. Das Problemkind Nicki fällt in der Schule auf und eckt an,
       absolviert aber dennoch die New Yorker Kunsthochschule LaGuardia. Ihre
       Schwerpunkte: Musik, Kunst und Performance.
       
       Mit dem nötigen Rüstzeug ausgestattet, beginnt Nicki ihre Rapkarriere zu
       verfolgen. Sie veröffentlicht erste Lieder im Internet, ehe 2009 der Rapper
       Lil Wayne auf die junge Frau aufmerksam wird und sie bei seiner
       Plattenfirma unter Vertrag nimmt. Nicki Minaj arbeitet mit Größen wie
       Mariah Carey, Ludacris und Usher zusammen, läuft auf MTV und hat
       zwischendurch sieben Songs gleichzeitig in den Charts.
       
       Viele männliche Rapper ändern ihr erfundenes Image nach Lust und Laune und
       werden dafür angefeindet. Nicki Minaj dagegen wird durch ihren vielfältigen
       Fundus an Facetten und Images gerade so interessant. Die im Pop der
       vergangenen Jahre vorherrschende Stilprägung von Künstlerinnen wie Lady
       GaGa oder Katy Perry, die für jeden Auftritt in neue Zitatkostüme
       schlüpfen, zeigt sich auch im Minajschen Maskenball aus bunten Haarteilen
       und bizarren Latexkostümen.
       
       Artifizielles Auftreten 
       
       Mit ihren staksenden Bewegungen und der überzeichneten Mimik erinnert sie
       an einen asexuellen Fembot, wenig später mimt sie wieder das unschuldige
       Schulmädchen. Mal steht sie auf Frauen, gibt dann wieder den
       männermordenden Vamp oder lässt ihr schwules Alter-Ego Roman Zolanski zu
       Wort kommen - stets ist sie es, die dabei die Kontrolle über ihr
       Rollenspiel hat.
       
       Der Grund für Nicki Minajs enormen Erfolg ist nicht nur ihr artifizielles
       Auftreten. So wie die 26-Jährige sich inszeniert, ist man erstaunt, welch
       derbes Vokabular hier gepaart mit einem enormen Talent für Sprache und
       Wortspiele über die geschürzten Lippen kommt. In Kongruenz zu ihrer
       Kostümierung schauspielert sie ihre Texte in bester Musicalmanier und
       beherrscht Schönwetterlyrik genauso wie wütende Schimpfkanonaden oder die
       Adaption kruder Mundarten wie das Cockney der Londoner Vororte und das
       jamaikanische Faux Patois.
       
       Ihr kürzlich erschienenes Debütalbum "Pink Friday" verkaufte sich in der
       ersten Woche 375.000-mal und stieg auf dem zweiten Platz der
       Billboardcharts ein - die zweitbeste Platzierung einer Rapperin in der
       Geschichte hinter Lauryn Hill. Als klangliche Grundlage für den
       musikalischen Mummenschanz auf "Pink Friday" hat Nicki Minaj eine
       renommierte Produzentengarde um sich geschart: Von will.i.am der
       fremdelnden HipHop-Formation Black Eyed Peas bis hin zu charterprobten
       Musikussen wie Swizz Beatz oder J. R. Rotem.
       
       Umso weniger verwunderlich ist es, dass auf "Pink Friday" viel gesungen
       wird - wahlweise kommen Minaj dabei Popgrößen wie Rihanna ("Fly") und
       Natasha Bedingfield ("Last Chance") oder die Gesangskorrektursoftware
       Auto-Tune zur Hilfe. Mit den flirrenden Synthiepassagen und eingängigem
       Geklimper erfolgt eine kalkulierte Ranschmeiße an den Chartkonsens -
       glücklicherweise um die nötigen HipHop-Referenzen angereichert.
       
       Das Duett "Romans Revenge" mit Eminem etwa zitiert, nur von dumpfem
       Bassgrollen und Snare-Stakkati untermalt, den Rap-Klassiker "Scenario" von
       A Tribe Called Quest aus dem Jahr 1992. Außerdem unterstützt Kanye West,
       soeben mit "My Beautiful Dark Twisted Fantasy" vom Feuilleton einstimmig
       zum Heilsbringer des darbenden HipHop ernannt, Nicki Minaj auf dem
       selbstbewussten "Blazin".
       
       All das fügt sich schlüssig in das Gesamtbild vom selbstsicheren
       Sprechgesang aus Plaste und Elaste, dem es dennoch nicht an der
       Authentizität und Attitüde vieler männlicher Kollegen fehlt. Denn Nicki
       Minaj negiert das plumpe Galionsfigurendasein der Frau im von Machismo
       durchzogenen HipHop und liest ihren männlichen Mitstreitern mit einem
       überzeugenden Debütalbum ganz gehörig die Leviten.
       
       Nicki Minaj: "Pink Friday" (Cash Money/Universal)
       
       9 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Wehn
       
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