# taz.de -- Immobilienriese meldet Konkurs in USA an: Chinas Krise verschärft sich weiter
       
       > Der Immobilienkonzern Evergrande hat Gläubigerschutz beantragt. Der Crash
       > kann die gesamte Volkswirtschaft Chinas in die Tiefe ziehen.
       
 (IMG) Bild: Unfertiges Bauprojekt von Evergrande in Hanzhou in Osten Chinas im August 2023
       
       PEKING taz | Als auf Chinas sozialen Medien Scheidungsgerüchte über den
       64-jährigen Evergrande-Gründer Xu Jiayin zirkulierten, stand für viele
       Branchenbeobachter bereits fest: Offenbar will einer der reichsten
       Unternehmer des Landes seine Vermögenswerte verstecken, um sie vor den
       drohenden Konkursverwaltern zu schützen.
       
       Kurz darauf berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg, dass der
       chinesische [1][Immobilienriese Evergrande] in den USA Gläubigerschutz
       beantragt hat. Somit kann die Firma ihre Werte in den Vereinigten Staaten
       schützen, während sie gleichzeitig an einem Deal zur Umstrukturierung ihrer
       Schulden arbeitet. Insgesamt hat der Konzern mit Sitz im südchinesischen
       Shenzhen bereits Verbindlichkeiten von 335 Milliarden US-Dollar angehäuft.
       
       Der [2][Crash in Fernost scheint somit immer größer zu werden]. Das
       beunruhigt auch Börsianer in Europa: Am Freitagmorgen ging der Dax in den
       Keller. Der deutsche Leitindex notierte zum Handelsstart am Freitag 0,7
       Prozent schwächer bei 15.571 Punkten.
       
       Der spektakuläre Fall von Evergrande, einst der zweitgrößte Bauentwickler
       des Landes, ist nur die jüngste in einer endlosen Reihe von
       Hiobsbotschaften, die derzeit in China an die Öffentlichkeit gelangen.
       Zuletzt ist auch der – noch vor wenigen Monaten als ökonomisch solide
       geltende – Bauentwickler Country Garden in die Negativschlagzeilen geraten.
       Das Unternehmen musste Anfang des Monats zwei Zahlungsfristen für
       US-Dollar-Anleihen verstreichen lassen.
       
       ## Pessimismus der Anleger in Fernost
       
       Auch wenn es sich mit 22,5 Millionen Dollar um vergleichsweise geringe
       Beträge handelt, löste die Nachricht einen sofortigen Aktiensturz aus.
       Vergleicht man den Kurs von Country Garden mit dem Zeitraum kurz vor der
       Pandemie, so sind die Papiere des Konzerns auf ein Zwanzigstel des
       damaligen Werts geschrumpft. Der Pessimismus der Anleger in Fernost ist
       durchaus begründet: Sollte die Immobilienfirma ihre Schulden bis Anfang
       September nicht begleichen können, dann droht ihr ebenfalls eine
       schmerzliche Umstrukturierung.
       
       Für unzählige chinesische Familien wäre dies ein harter Schicksalsschlag.
       Denn selbst konservativ kalkuliert dürften allein von Country Garden
       mindestens 150.000 Apartments, welche bereits gekauft wurden, vorerst nicht
       fertiggestellt werden. Dahinter stehen oft jahrzehntelang angehäufte
       Ersparnisse, die nun möglicherweise wertlos sind. Auch für die
       kommunistische Partei, die [3][immer stark um soziale Stabilität bemüht]
       ist, ist dies eine alarmierende Entwicklung.
       
       Ob es sich in China bereits um [4][eine klassische Immobilienblase]
       handelt, darüber herrscht unter Experten zwar kein Konsens. Doch dass der
       kriselnde Markt das Potenzial hat, die gesamte Volkswirtschaft in die Tiefe
       zu stürzen, liegt auf der Hand: Der Bausektor mit all seinen zugehörigen
       Industrien generiert rund 30 Prozent des chinesischen
       Bruttoinlandsprodukts. Allein die Privathaushalte haben bis zu drei Viertel
       ihrer Ersparnisse in den Häusermarkt geparkt – oft aus Ermangelung
       alternativer Anlagemöglichkeiten.
       
       Doch die einst boomende Branche funktionierte zuletzt nur mehr auf Pump.
       Viele der hochverschuldeten Entwickler nahmen immer riskantere Kredite auf,
       um ihr Geschäft am Laufen zu halten. Im Sommer 2020, als sich die
       chinesische Volkswirtschaft gerade vom ersten Corona-Schock zu erholen
       begann, proklamierte Staatschef Xi Jinping in einer richtungsweisenden
       Rede, dass Immobilien als Wohnraum dienen sollten – und nicht als
       Spekulationsobjekte.
       
       ## Etliche Bauentwickler in Zahlungsschwierigkeiten
       
       Doch die beschlossene Verschärfung der Kreditvergabe löste in Windeseile
       einen Dominoeffekt aus, von dem sich die Branche bislang nicht erholen
       konnte: Etliche Bauentwickler gerieten in Zahlungsschwierigkeiten, weil sie
       bei den Banken keine weiteren Schulden mehr aufnehmen konnten.
       
       Die Causa Evergrande wurde schließlich zum prominentesten Symbol für die
       chinesische Immobilienkrise. Bezeichnend ist, dass die Nachricht über den
       aktuellen Konkursantrag im Reich der Mitte bis auf einige Beiträge in den
       sozialen Medien praktisch nicht durchgedrungen ist. Auch am Freitagmittag
       Ortszeit hatten die führenden Wirtschaftszeitungen nicht über den Fall
       berichtet. Ganz offensichtlich hatten die Zensoren einen Maulkorb verhängt
       – aus Angst, die Information könnte Unruhe innerhalb der Bevölkerung
       auslösen.
       
       Der Staat reagierte bislang auf die Krise mit eher kleineren Maßnahmen. Am
       Donnerstag gab die chinesische Zentralbank bekannt, dass sie ihr im
       November beschlossenes Kreditprogramm für die angeschlagenen
       Immobilienentwickler bis Mai 2024 verlängern wird. Es handelt sich dabei um
       Sonderdarlehen in Höhe von umgerechnet knapp 26 Milliarden Euro. Für eine
       nachhaltige Erholung der Branche ist dies jedoch nicht einmal ansatzweise
       ausreichend.
       
       Bislang jedoch scheute Peking davor zurück, grundlegend zu intervenieren.
       Doch für den Fall, dass die Immobilienkrise eskalieren sollte, dürfte die
       Regierung wohl oder übel einen finanziellen Rettungsanker werfen. Der
       Immobiliensektor ist schließlich zu wichtig für die chinesische
       Volkswirtschaft, als dass man den Niedergang der Branche riskieren würde.
       
       18 Aug 2023
       
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 (DIR) Fabian Kretschmer
       
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