# taz.de -- Infektion mit Covid-19: Was macht Corona im Herbst?
       
       > Neue Varianten, steigende Fallzahlen: Zwar bleiben die Verläufe meist
       > mild. Aber die Folgen von Reinfektionen mit dem Coronavirus sind noch
       > unklar.
       
 (IMG) Bild: Es gibt wieder mehr positive Tetsergebnisse, sofern getestet wird
       
       BERLIN taz | Das Virus ist noch da, auch wenn niemand mehr sehen kann, wo
       genau es ist. Nachdem die meisten Schutz- und Überwachungsmaßnahmen
       zurückgenommen wurden, muss man sich der Lage ungefähr annähern. [1][In
       Rheinland-Pfalz errechnet das Projekt SentiSurv] im Auftrag des Landes
       modellhaft die Inzidenz. Für den 5. Oktober wird eine 14-Tage-Inzidenz von
       ungefähr 2.000 angenommen, Tendenz steigend.
       
       Unklar ist, welche Varianten wie stark verbreitet sind. Eventuell befindet
       sich Deutschland im nahtlosen Übergang von der Eris- zur Pirola-Welle.
       Letztere Variante (BA.2.86) ist seit Ende August in Deutschland
       nachgewiesen. Es handelt sich um eine stark veränderte Omikron-Variante,
       die besser als ihre Vorgängerinnen den Immunschutz zu umgehen scheint.
       
       Da andere Länder bereits von der Pirola-Welle betroffen sind, können ihre
       Erfahrungen Hinweise darauf geben, wie sich die Lage hier entwickeln wird.
       Großbritannien zum Beispiel verzeichnete in der zweiten Septemberwoche
       einen Anstieg von Krankenhauseinweisungen. Am stärksten betroffen waren
       Kleinkinder. Es ist denkbar, dass dieser stärkere Anstieg mit der
       geringeren Durchimpfung bei Kleinkindern zusammenhängt. Inzwischen scheint
       sich die Lage stabilisiert zu haben.
       
       Möglicherweise gewähren die [2][Booster, die seit dem 18. September auch in
       Deutschland verfügbar sind], eine hohe Kreuzneutralisation, entsprechende
       Studien sind allerdings noch nicht begutachtet. Die Ständige Impfkommission
       empfiehlt eine Auffrischung bislang nur für Risikogruppen. Die
       amerikanische Zulassungsbehörde CDC empfiehlt den Booster dagegen für alle
       Personen ab sechs Monaten.
       
       ## Kein Grund zur Entwarnung
       
       Sowohl Eris als auch Pirola scheinen nicht zu schwereren Verläufen zu
       führen als bisherige Omikron-Varianten. Dies ist kein Grund zur Entwarnung,
       Covid-19 ist nach wie vor eine Erkrankung, die verschiedenste Organsysteme
       in Mitleidenschaft ziehen kann. An den Gefahren hat sich nur insofern etwas
       getan, als eine gewisse Grundimmunität gegen akute Verläufe in der
       Bevölkerung vorherrscht.
       
       Diese Immunität hatte einen Preis: Laut einer sehr detaillierten Studie des
       BARMER Instituts für Gesundheitssystemforschung verloren in den Jahren 2021
       und 2022 166.000 Menschen mehr ihr Leben, als zu erwarten gewesen wäre.
       Mindestens drei Viertel dieser Tode stehen mit Corona in Verbindung.
       
       Es stellt sich die Frage, wie es weitergeht. Aus den bisherigen Erfahrungen
       mit dem Virus schließt Andrew Perkosz, Professor für Molekularbiologie und
       Immunologie an der Johns Hopkins University, im Gespräch mit dem Guardian:
       „(Die Viren) versammeln ein paar Mutationen, die ihnen erlauben, einigen
       der durch Infektion oder Impfung entstandenen Antikörper zu entkommen. Dann
       verbreiten sie sich für ein paar Monate, werden verdrängt von einer neuen
       Variante, die noch ein paar Mutationen angesammelt hat, um bestehender
       Immunität zu entkommen, und der Kreislauf beginnt von vorne.“ Immunität vor
       einer Infektion ist also nicht zu erwarten.
       
       Für die aktuelle Lage kommt hinzu, dass bisher alle Varianten von
       Sars-CoV-2 das Immunsystem zu kompromittieren scheinen. Die letztjährige
       RSV-Welle beispielsweise könnte auf eine [3][verringerte Immunität nach
       Covid-Infektion] zurückzuführen sein.
       
       ## Brandbrief in Österreich
       
       Für jene, die sich keine Infektion leisten können und die als Vulnerable
       gelten, hat der US-amerikanische Immunologe Anthony Fauci vorausgesagt,
       dass sie im Verlauf der Zeit „auf der Strecke bleiben werden“. Fauci
       verteidigt mit diesen Worten die Laissez-faire-Politik der Biden-Regierung,
       die jener der bundesdeutschen Regierung sehr ähnlich ist.
       
       In Österreich haben praktizierende Ärzt*innen kürzlich einen
       [4][Brandbrief an die Ärztekammer] geschrieben. „Durch Infektionen und
       Reinfektionen sehen wir bereits jetzt, dass den Menschen gesunde
       Lebensjahre verloren gehen, die Übersterblichkeit anhaltend zu hoch ist und
       alleine in Europa 36 Millionen Menschen als Folge einer
       SARS-CoV-2-Infektion chronisch krank geworden sind. COVID-19 ist kein
       Schnupfen. Es ist kein grippaler Infekt. Es ist eine systemische,
       gefäßschädigende Erkrankung, die sich lediglich über den respiratorischen
       Weg, über Aerosole, ausbreitet“, heißt es darin. Sie fordern Schutz für
       Risikogruppen zumindest in ausgesuchten medizinischen Einrichtungen, eine
       Verbesserung der Raumluft und weitergehende Maßnahmen zur Beobachtung des
       Virus.
       
       Nach wie vor ist unklar, ob, wie sehr und für wen mit jeder Neuinfektion
       das Krankheitsrisiko steigt – nicht nur für Long und Post Covid, sondern
       zum Beispiel auch für Schlaganfälle, Herzinfarkte, Demenz, Parkinson,
       Diabetes. Eine aktuelle Studie der University of California San Francisco
       (UCSF) fand bei Schulkindern auch zweieinhalb Jahre nach einer akuten
       Corona-Infektion eine erhöhte T-Zellen-Aktivität. Das betrifft nicht nur
       Menschen mit Long-Covid-Symptomatik, sondern auch einen Teil jener
       Menschen, die als genesen gelten. Wie lange diese Entzündungsherde im
       Körper verbleiben, ist ebenso spekulativ wie ihr Einfluss auf die
       Entwicklung insbesondere von Kindern.
       
       In Deutschland darf derweil zumindest in der Behandlung von Long Covid auf
       Fortschritte gehofft werden. Nach einem Runden Tisch mit Expert*innen
       und Betroffenen hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)
       angekündigt, [5][60 Millionen Euro mehr als bisher in die Erforschung] zu
       investieren. Bislang ist allerdings unklar, woher das Geld kommen soll.
       
       9 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.unimedizin-mainz.de/SentiSurv-RLP/dashboard/index.html
 (DIR) [2] /Impfstart-in-den-Hausarztpraxen/!5957986
 (DIR) [3] https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2023.05.12.23289898v1
 (DIR) [4] https://covidisnotover.info/oeffentlicher-brief-an-aerztekammer/
 (DIR) [5] /Langzeitfolgen-der-Pandemie/!5956713
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frédéric Valin
       
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