# taz.de -- Irland will Kühe keulen lassen: Wem gehört hier eins übergebraten?
       
       > Weil der irischen Regierung nichts Besseres einfällt, will sie für
       > Klimaschutz 195.000 Kühe keulen. Lieber sollte sie bei Datenzentren
       > anfangen.
       
 (IMG) Bild: Werden ungern gekeult: irische Milchkühe
       
       Wenn einem sonst nichts einfällt, sucht man sich einen Sündenbock. In
       diesem Fall ist es aber kein Bock, sondern es sind 195.000 irische
       Milchkühe. Die sollen in den nächsten drei Jahren gekeult werden, weil der
       Dubliner Regierung beim Klimaschutz nichts Besseres einfällt. Offiziell
       will Irland bis 2030 die Emissionen von Treibhausgasen um 30 Prozent im
       Vergleich zu 2005 senken, der Landwirtschaftssektor soll ein Viertel der
       Gase einsparen. Dabei hat die Regierung bis vor kurzem die Bauern noch
       ermutigt, zu expandieren.
       
       Manche Bauern verfünffachten die Zahl der Rinder. [1][Irische Butter] und
       irischer Käse füllen die Supermarktregale in vielen Teilen der Welt, und im
       Gegensatz zu den meisten europäischen Ländern leben Irlands Rinder immerhin
       das ganze Jahr über auf der Weide. Damit soll es für einen Teil der Tiere
       bald vorbei sein. In einem internen Papier des Landwirtschaftsministeriums
       heißt es: „Ungefähr 65.000 Milchkühe pro Jahr müssten 2023, 2024 und 2025
       vom Markt genommen werden.“ Der Landwirtschaftssektor war laut einem
       Bericht der Umweltschutzbehörde im Jahr 2021 verantwortlich für 38 Prozent
       der irischen Treibhausgase. Das ist der höchste Prozentsatz in der EU.
       
       2,5 Millionen Kühe und 18.000 Milchbauern gibt es in Irland. Eine
       satirische Webseite schlug schon vor, statt der Kühe ein Drittel der Bauern
       zu keulen. Die Regierung hofft, dass viele Bauern ihre Kühe freiwillig
       umbringen werden, weil sie ohnehin in Rente gehen wollen. Das werde nichts
       nützen, glaubt Tim Cullinan, der Präsident des irischen Bauernverbands.
       [2][Die Milchviehwirtschaft] werde einfach in andere Länder verlagert,
       sodass es insgesamt zu keiner Reduzierung der Emissionen kommen werde.
       
       Das Keulen der Kühe könnte, so eine Befürchtung, viele Bauern in den Ruin
       treiben, was wiederum dazu führen würde, dass Hunderttausende Kühe gekeult
       werden müssen. Die irische Regierung will den Bauern laut dem Papier bis zu
       5.000 Euro pro tote Kuh zahlen, insgesamt kämen 600 Millionen Euro
       zusammen. Eine Regierungssprecherin sagte aber, das Papier gehöre zu
       verschiedenen Optionen, die geprüft würden: „Es handelt sich nicht um eine
       endgültige politische Entscheidung.“
       
       ## Datenzentren nickt man ab
       
       Allerdings sollte die irische Regierung, statt alles auf die Kühe zu
       schieben, erst mal aufhören, [3][die Grüne Insel mit Datenzentren
       zuzupflastern]. Die Regierung hat vorige Woche kategorisch abgelehnt, deren
       Zahl zu beschränken. Sie hat im Gegenteil die Schönfärberei der Betreiber
       dieser Datenzentren zur Regierungpolitik gemacht.
       
       Es gibt bereits mehr als 75 dieser gewaltigen Hallen, 8 sind im Bau, 30 in
       Planung. Nirgendwo findet man eine größere Konzentration auf der Welt als
       im Großraum Dublin. Was hat Irland davon? Steuern zahlen diese Multis
       ohnehin kaum, aber sie werden 1,5 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich am Ende
       des Jahrzehnts produzieren. Die irischen Grünen nicken alles ab.
       Hauptsache, man hat ein paar Pöstchen.
       
       Dabei verbrauchen diese Zentren bereits jetzt fast 20 Prozent des irischen
       Stroms, vom Wasser für die Kühlung ganz abgesehen. Der irische
       Premierminister Leo Varadkar sagte voriges Jahr, als er noch
       stellvertretender Premier war: „Es ist Gold, es sind Diamanten. Warum
       sollten wir das nicht in unserem Land haben?“ Wer Daten mit Bodenschätzen
       vergleicht, sollte nicht Premierminister werden.
       
       Die Regierung wird ihre Klimaziele deutlich verfehlen, und zwar bei vollem
       Bewusstsein. Dann sollte sie aber so ehrlich sein, zu erklären, dass die
       wirtschaftliche Expansion Vorrang hat und der Klimaschutz wurscht ist. Und
       dann könnte sie auch die Milchkühe in Ruhe lassen. Die wahren Schuldigen
       für das irische Klimadilemma kann man ja nicht keulen.
       
       20 Jun 2023
       
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