# taz.de -- Konflikt unter Fußball-Schiedsrichtern: Tiefe menschliche Abgründe
       
       > Manuel Gräfe hat seinem Ex-Chef Vetternwirtschaft vorgeworfen. Er ist
       > nicht der Erste. In der sonst dezenten Szene sorgt das für Unruhe.
       
 (IMG) Bild: Das Schiedsrichterwesen zeigt sich für öffentliche Diskussionen eher wenig empfänglich
       
       Eigentlich beginnt gerade eine neue Ära im deutschen Schiedsrichterwesen,
       das nach der Einführung des Videoassistenten plötzlich fortschrittlich und
       entwicklungsfähig erscheint. Die neue Technik soll die Unparteiischen auf
       dem Platz vor schlimmen Fehlern schützen, es sei eine schöne Aussicht, dass
       künftig über die TV-Bilder diskutiert werde statt über Schwalben, heißt es
       beim DFB.
       
       Ein schöner Traum. Denn am ersten Spieltag versagte der Dienstleister
       Hawkeye, und Manuel Gräfe, der beste Schiedsrichter des Jahres, erhebt
       schwere Vorwürfe gegen heutige und ehemalige Vorgesetzte. Mal wieder tobt
       die Debatte über ein Milieu, in dem sich nicht zum ersten Mal tiefe
       menschliche Abgründe auftun.
       
       Gräfes Kernvorwurf [1][in einem Interview mit dem Tagesspiegel] lautet,
       bestimmte Schiedsrichter seien über Jahre „nicht entsprechend ihren
       Möglichkeiten eingesetzt oder gefördert“ worden. Der 43-Jährige bezieht
       seine Aussagen explizit auf die Zeit vor 2016, als Herbert Fandel das
       Schiedsrichterwesen im DFB leitete, während Hellmut Krug als
       Schiedsrichterchef der Deutschen Fußball-Liga (DFL) agierte. Über Jahre
       wurden „alle, die nicht uneingeschränkt auf einer Wellenlänge mit der
       Führung lagen, also nicht zu allem Ja und Amen gesagt haben, auf
       verschiedenen Ebenen bearbeitet“, behauptet Gräfe. Es ist nicht der erste
       Bericht von einem angeblichen System des Mobbings und der
       Vetternwirtschaft.
       
       Entsprechend groß ist das Entsetzen der Beschuldigten. „Dass ein
       Schiedsrichter einen Kollegen aus den eigenen Reihen angreift und ihn
       diskreditiert, das ist für uns unverzeihlich und nicht akzeptabel“, sagt
       Krug. Aber wahrscheinlich hat Gräfe Verbündete, die heimlich Beifall
       klatschen. Denn vor einem Jahr hat Lutz-Michael Fröhlich Fandel als Chef
       der DFB-Schiedsrichter abgelöst, „seitdem er die Verantwortung trägt, geht
       es ausschließlich nach Leistung“, behauptet Gräfe. In diesem Sommer ist
       Krug nun von der DFL zurück zum DFB gewechselt, wo er als Chefinstruktor
       wieder erheblich mehr Einfluss auf die Kultur der Zusammenarbeit hat. Hier
       liegt offenbar das Problem.
       
       Er könne Krugs Rückkehr ins Zentrum der Schiedsrichterverwaltung
       „persönlich nicht nachvollziehen“, sagt Gräfe und liefert damit eine
       naheliegende Erklärung für das aggressive Vorgehen, das höchst ungewöhnlich
       ist in der sonst so dezenten Schiedsrichterszene. Anscheinend fürchtet
       Gräfe um den offeneren Umgang, der zuletzt entstanden sein soll, und wenn
       sich das zwischenmenschliche Klima seit dem Abschied Fandels verbessert
       hat, ist Gräfe wohl nicht der Einzige, den diese Sorge treibt.
       
       Probleme mit Krug sind schließlich nichts Neues. „Aus meiner eigenen
       Erfahrung ist da nicht viel Falsches dran“, sagt etwa der ehemalige Kollege
       Bernd Heynemann zu Gräfes Kritik an Krug und Fandel. Und Babak Rafati, der
       seine Karriere 2011 nach einem Selbstmordversuch beendete, erhebt seit
       Jahren schwere Vorwürfe.
       
       Krug und Fandel „fehlte jede Führungskompetenz“, berichtet Rafati [2][in
       einem Interview mit Spiegel Online] aus dem Herbst 2016. Er hoffe, dass die
       „Führungskräfte sich ihrer verantwortlichen Rolle bewusst werden, besser
       kommunizieren und nicht das Geschäft in den Vordergrund stellen, sondern
       ihre Angestellten“. Nach seinem Suizidversuch gab es einen Aufschrei, die
       Schiedsrichter kündigten an, den internen Umgang zu hinterfragen. „Hat nur
       niemand gemacht, und das Weggucken verjährt sich“, sagt Rafati.
       
       In dieser Wunde rührt Gräfe. Ob er die Arbeitsbedingungen für sich und
       seine Kollegen damit wirklich verbessert, ist aber zweifelhaft. Kritiker
       sagen, der Nestbeschmutzer müsse solche Vorwürfe intern artikulieren. Genau
       das habe er versucht, entgegnet Gräfe. Vergeblich.
       
       Klar ist nur, dass Krug mächtig angeschlagen ist als wichtigster
       Repräsentant für die Verteidigung der fehleranfälligen Videotechnik und als
       Hauptadressat der Kritik. Die entscheidende Rolle für den weiteren Verlauf
       der Auseinandersetzung wird nun Lutz-Michael Fröhlich zukommen. Zwar rügt
       auch er Gräfe, „bei allem Verständnis zu einer öffentlichen
       Meinungsäußerung geht es entschieden zu weit, wenn ein Schiedsrichter einen
       Kollegen öffentlich und in dieser Form attackiert“, sagt Fröhlich. Auch
       inhaltlich könne man die Aussagen „so nicht stehen lassen“, findet der
       Schiedsrichter-Chef, aber dieser Einspruch klingt doch reichlich
       halbherzig.
       
       23 Aug 2017
       
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 (DIR) [1] http://www.tagesspiegel.de/sport/bundesliga-schiedsrichter-manuel-graefe-es-ging-zu-oft-nach-gusto-nicht-nach-leistung/20211174.html
 (DIR) [2] http://www.spiegel.de/sport/fussball/babak-rafati-spricht-ueber-seinen-suizidversuch-vor-fuenf-jahren-a-1121967.html
       
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 (DIR) Daniel Theweleit
       
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