# taz.de -- Künstler reagieren auf Absage in Chemnitz: Bloß keine Apfelbäume pflanzen
       
       > Das Projekt "We Parapom!" für Chemnitz 2025 wurde abgesagt. Bürgerwille?
       > Oder weicht man da Unbequemlichkeiten der Kunst aus?
       
 (IMG) Bild: Asphalt aufhacken für Apfelbäume: Beitrag von Folke Köbberling für „We Parapom!“ in Chemnitz, 2021
       
       Derzeit kursiert ein offener Brief in der Kunstszene. [1][Chemnitz ist 2025
       Kulturhauptstadt Europas], und der Intendant dieses riesigen EU-geförderten
       Vorhabens, der Kulturmanager Stefan Schmidtke, will die Erzgebirgsstadt mit
       viel Bürgerbeteiligung als Machermetropole präsentieren. Doch ein
       partizipatives Kunstprojekt hat er abgesagt.
       
       Unter dem Titel „We Parapom!“ sollten 4.000 Apfelbäume quer durch die
       asphaltierte Stadt gepflanzt werden. Sie sollten im von Kriegszerstörung
       und DDR-Stadtplanung gezeichneten Chemnitz einen vegetativen
       Aufmarschboulevard bilden, auch wenn die empfindlichen Bäume unter
       Aufhitzung und Wassermangel vielleicht nicht gedeihen können. Entlang
       dieser fragilen Anti-Parade plante die Kuratorin dieses Projektes, die
       österreichische Künstlerin Barbara Holub, künstlerische Interventionen: Das
       britische [2][Architekturkollektiv Assemble] etwa wollte mit Jugendlichen
       eine Spielsituation entwickeln, Künstlerin [3][Folke Köbberling] hatte
       bereits 2021 für die Pflanzung mit Schüler:innen einen Parkplatz
       freigelegt. Rund 20 solcher Beiträge sollte es geben.
       
       Doch Bäume scheinen in der Öffentlichkeit ein empfindliches Thema zu sein,
       vor allem in der Stadt, in der Auflagen und begrenzte Mittel der häufig
       klammen Behörden schnell die Grenzen zwischen Vision und Praktikabilität
       aufweisen. Komplikationen tauchten auf, in der „Stadtgesellschaft gab es
       schließlich wenig Akzeptanz für den künstlerischen Aspekt dieses Projekts“,
       verkündete am 26. Mai Stefan Schmidtke in einer Pressemitteilung und
       cancelte das Vorhaben. Die Apfelbäume sollen jetzt unter Bürgerbeteiligung
       andernorts gepflanzt werden.
       
       Man verhindere, beklagen nun in jenem offenen Brief die Künstler:innen
       von „We Parapom!“, dass [4][Chemnitz mit seinem Ruf „als ‚NeoNazi‘-Stadt]
       auch ein Ort sein kann, an dem relevante Ideen für eine gemeinsame Zukunft
       produziert werden können“. Es kursierten gar Spekulationen, die Absage sei
       eine Zensur von rechts. Dem widerspricht die Pressesprecherin der
       Kulturhauptstadt Europas Chemnitz 2025 GmbH, Mareike Holfeld, heftig.
       
       Trotzdem scheint man in Chemnitz offenbar demokratische Werte der Kunst
       nicht verteidigen zu wollen. Denn ist es nicht sie, die losgelöst von
       Pragmatismus und stadtgesellschaftlichen Stimmungsschwankungen auch
       unbequeme Fragen stellen kann, vielleicht jene Stellen öffentlich aufdeckt,
       an denen Wunsch und Wirklichkeit clashen?
       
       11 Jun 2023
       
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