# taz.de -- Lehrermangel in Berlin verschärft sich: Am Mangel schrauben
       
       > Das neue Schuljahr startet – und nur noch ein Drittel der neu
       > eingestellten LehrerInnen hat laut Gewerkschaft GEW diesen Beruf auch
       > studiert.
       
 (IMG) Bild: Weit geöffnet: Die Türen in den Lehrerberuf
       
       Eigentlich ist LehrerIn ein Ausbildungsberuf. Irgendjemand sollte ihnen
       erklärt haben, wie man Fachwissen adäquat in junge Köpfe transferiert.
       Normalerweise gehen sie deshalb zur Uni, und machen dann ein Referendariat,
       gehen also als Lehrer-Azubis an die Schulen.
       
       In Berlin haben von 2.700 in diesem Sommer neu eingestellten LehrerInnen
       nur noch 1.000 ihren Beruf auf diese Weise erlernt. Das berichtete die
       Lehrer-Gewerkschaft GEW am Mittwoch unter Berufung auf ihre Personalräte in
       den Bezirken. Die offiziellen Zahlen zum Schulstart am Montag will die
       Bildungsverwaltung erst am heutigen Donnerstag bekannt gegeben.
       
       Laut den Gewerkschaftern beginnen weitere 750 als QuereinsteigerInnen ein
       berufsbegleitendes Referendariat. Und dann sind da in diesem Jahr noch 900
       NeulehrerInnen, die weder auf Lehramt studiert haben noch als
       QuereinsteigerInnen im laufenden Betrieb zur Fachkraft in spe ausgebildet
       werden.
       
       Diese 900 heißen Lehrkraft ohne volle Lehrbefähigung – kurz LovL –, und sie
       machen nach den Daten der GEW inzwischen rund ein Drittel aller
       Neueinstellungen in den Berliner Schuldienst aus. Zum Vergleich: 2017 war
       ihre Zahl laut GEW nicht mal dreistellig. Doch weil Berlin jahrelang zu
       wenige LehrerInnen an den Unis ausgebildet hat und gleichzeitig die Zahl
       der SchülerInnen stieg, reichen nun weder die studierten PädagogInnen noch
       die QuereinsteigerInnen.
       
       Die LovLs müssen wenigstens einen akademischen Abschluss haben – ansonsten
       ist wenig geregelt. „Wir sind selbst gespannt, wer da im Einzelnen
       eingestellt wurde“, sagt Tom Erdmann, Berliner Landeschef der GEW. Eine
       Sprecherin von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) sagte am Mittwoch,
       es seien „in den meisten Fällen“ Menschen, die bereits als
       VertretungslehrerInnen oder als DeutschlehrerInnen in den
       Willkommensklassen für Geflüchtete gearbeitet hätten, die nun „in hoher
       Zahl“ von den Schulleitungen eingestellt worden seien.
       
       LovLs bekommen in der Regel befristete Ein- bis Zweijahresverträge. Eine
       berufsbegleitende Ausbildung, der Quereinstieg, ist ihnen verbaut, weil sie
       keines der sogenannten Mangelfächer der Berliner Schule studiert haben –
       also Fächer, wo der Bedarf besonders dringlich ist. Sie haben auch kein
       Recht auf Fort- und Weiterbildung. Das ist fragwürdig mit Blick auf die
       berufliche Perspektive, die diese Menschen haben. Das ist bei 900
       Neueinstellungen auch fragwürdig mit Blick auf das, was in den Schulen
       pädagogisch geleistet wird.
       
       Nun kann ein Archäologe ein hervorragender Geschichtslehrer sein, und eine
       ITlerin hat mit Sicherheit Ahnung von Informatik.
       
       ## Ein Missverhältnis
       
       Aber es besteht da inzwischen ein Missverhältnis. Wenn ein Drittel den
       Lehrerberuf nicht gelernt hat, und auch nicht als QuereinsteigerIn an die
       Hand genommen wird, kann das in vielen Klassenzimmern gut laufen. Es kann
       aber auch, alles in allem, ziemlich schiefgehen.
       
       Zumal hinter dem Fachkräftemangel auch die Frage nach der
       Bildungsgerechtigkeit steht. Der Lehrermangel trifft die Schulen sehr
       ungleich. Schulen in den besseren Vierteln können sich die BewerberInnen
       aussuchen. Für die Schulen in ärmeren Nachbarschaften, wo die SchülerInnen
       oft mehr Förderung brauchen, bleibt das Personal, das selbst Anleitung
       braucht.
       
       Die soziale Herkunft entscheidet immer noch viel zu viel. Das zeigen auch
       in Berlin immer wieder Vergleichsarbeiten und die einschlägige
       Schulabbrecherstatistik. Dieses Missverhältnis sollte eigentlich kleiner,
       nicht größer werden.
       
       Für die QuereinsteigerInnen gibt es seit diesem Jahr einen einwöchigen (!)
       Crashkurs und mehr Betreuungsstunden in der Anfangszeit. Sowohl die GEW als
       auch die SPD-Bildungspolitikerin Maja Lasić fordern deshalb, dass es
       Ähnliches nun auch für die LovLs geben müsse.
       
       Tatsächlich verspricht die Bildungsverwaltung ein schnelles Reagieren: „Wir
       werden diese Gruppe entsprechend qualifizieren, um bei entsprechender
       Bewährung befristete Verträge zu entfristen“, hieß es. Was das genau heißt,
       blieb zunächst unklar. Aber offenbar sucht man nach einer Perspektive – für
       alle Beteiligten.
       
       15 Aug 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Klöpper
       
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