# taz.de -- Majestätsbeleidigung in Thailand: Im Hungerstreik gestorben
       
       > Die Gefangene Netiporn Sanesangkhom ist während ihres zweiten
       > Hungerstreiks gestorben. Sie hatte die Regierung mit Meinungsumfragen
       > verärgert.
       
 (IMG) Bild: Demokratische Aktivist:innen zeigen Bilder von Netiporn Sanesangkhom während einer Trauerzeremonie vor einem Gericht
       
       Ihr Vater ist in Thailand Richter, ihre Schwester eine Rechtsanwältin,
       schreibt das Bangkoker Nachrichtenportal [1][Khaosod] über die 28-jährige
       Studentin Netiporn Sanesangkhom. „Bung Taluwang“, wie sie genannt wird, hat
       ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden und entwickelte sich schon in
       ihrer Jugend zu einer Aktivistin im südostasiatischen Königreich. So
       kämpfte sie für das Recht thailändischer Schülerinnen und Schüler, selbst
       über ihre Frisuren zu entscheiden, wie auch für die Rechte der
       LGBTQ-Community.
       
       Die Studentin der Finanzwissenschaft, die als Englisch-Tutorin jobbte,
       forderte Bildungsreformen und nahm sich dann auch noch einer 15-Jährigen
       an, die als jüngste Person in Thailand wegen Verstoßes gegen das
       drakonische Gesetz zur Majestätsbeleidigung angeklagt wurde. Dieser
       Paragraf 112 des thailändischen Strafgesetzbuches gilt als das härteste
       Majestätsbeleidigungsgesetz der Welt. Es wird immer wieder von Angehörigen
       der Elite zur Einschüchterung und Verfolgung von demokratischen Aktivisten
       missbraucht. Das Gesetz sieht Strafen von 3 bis zu 15 Jahren pro Verstoß
       vor, wozu schon ein Posting in einem sozialen Netzwerk zählen kann. Nach
       Angaben der Gruppe [2][Thai Lawyers for Human Rights] sind seit 2020
       mindestens 270 Personen wegen Majestätsbeleidigung angeklagt und alle
       verurteilt worden.
       
       So auch Netiporn. Sie hatte sich der monarchiekritischen Reformgruppe Talu
       Wang angeschlossen und protestierte im Jahr 2022 mit „Meinungsumfragen“
       gegen das Privileg königlicher Wagenkolonnen. Diese bewegen sich in
       Thailands staugeplagter Hauptstadt Bangkok nur auf dann eigens komplett für
       sie abgesperrten Straßen. Netiporn demonstrierte mit einem Plakat, auf dem
       Passanten per Klebepunkt abstimmen können, ob sie sich von den royalen
       Konvois gestört fühlen oder nicht. Was für royalistische Hardliner eine
       Provokation darstellt, ist für Bürger moderner Gesellschaften eine legitime
       wie übliche Kritik antiquierter Privilegien.
       
       Bald hatte Netiporn sieben Verfahren wegen Majestätsbeleidigung am Hals.
       2022 erreichte sie mit ihrem ersten Hungerstreik, der 64 Tage dauerte, dass
       sie auf Kaution freikam. Doch diese Entscheidung kassierte ein Gericht in
       Bangkok im Januar dieses Jahres, weil sie im Gerichtssaal einer anderen
       Angeklagten etwas zugerufen hatte und dies als Missachtung des Gerichts
       gewertet wurde. Netiporn kam am 26. Januar wieder in Haft und begann am
       Folgetag ihren zweiten Hungerstreik mit der Forderung nach einer
       umfassenden Justizreform sowie Meinungsfreiheit. Zweimal wurde sie in den
       folgenden Wochen ins Krankenhaus eingeliefert, verweigerte aber weiterhin
       Vitamine und Elektrolyte und wurde anschließend wieder ins Gefängnis
       gebracht.
       
       ## In Bangkoks Innenstadt trauerten Hunderte
       
       Am 14. Mai wird Netiporn Sanesangkhom bewusstlos in ihrer Zelle
       aufgefunden, im Krankenhaus wird kurz vor Mittag ihr Tod festgestellt. Ihr
       Schicksal steht in starkem Kontrast zum Fall des früheren Premiers Thaksin
       Shinawatra. Dessen Partei war mit dem Versprechen der Reform des
       Majestätsbeleidigungsparagrafen zur Wahl angetreten, hatte sich im Tausch
       für die Regierungsübernahme und [3][Thaksins Rückkehr aus dem Exil] aber
       aus der Koalition mit der noch stärker reformorientierten
       Move-Forward-Partei gelöst. Thaksins achtjährige Haftstrafe wegen
       Korruption wurde dann auf ein Jahr reduziert, wovon er ein halbes in einem
       Krankenhaus verbrachte und dann schließlich freikam. Das
       Majestätsbeleidigungsgesetz blieb unverändert.
       
       Der heutige Premierminister Srettha Thavisin ordnete am Mittwoch nach
       eigenen Angaben eine Untersuchung über den Tod von Netiporn an. Hunderte
       Aktivisten und Trauende gedachten am Abend in Bangkoks Innenstadt mit
       Kerzen der Toten.
       
       15 May 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.khaosodenglish.com/featured/2024/05/14/who-is-bung-talu-wang-the-person-who-died-protesting-article-112/
 (DIR) [2] https://tlhr2014.com/
 (DIR) [3] /Thailands-Ex-Premier-aus-dem-Exil-zurueck/!5955445
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sven Hansen
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Hungerstreik
 (DIR) Inhaftierung
 (DIR) Thailand
 (DIR) GNS
 (DIR) Thailand
 (DIR) Thailand
 (DIR) Thailand
 (DIR) Thailand
 (DIR) Thailand
 (DIR) Thailand
 (DIR) Thailand
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Neue Regierungschefin in Thailand: Der Shinawatra-Clan ist zurück
       
       Paetongtarn Shinawatra, Tochter des früheren Premiers Thaksin, ist neue
       Regierungschefin in Thailand – mit 37 die jüngste aller Zeiten.
       
 (DIR) Gerichtsentscheidung in Thailand: Größte Oppositionspartei aufgelöst
       
       Die bei den letzten Wahlen siegreiche Partei wird wie ihre Vorgängerin
       verboten. Sie wollten das harte Gesetz gegen Majestätsbeleidigung
       reformieren.
       
 (DIR) Thailand erlaubt Homoehe: Regenbogen mit Grauschleier
       
       Der thailändische Senat beschließt Ehegleichheit für alle, aber politisch
       bleibt das Land instabil: Der größten Oppositionspartei droht Auflösung.
       
 (DIR) Pride in Bangkok: Ein rosa Gorilla und viel „Sanuk“
       
       Zur Pride-Parade in Bangkok kam dieses Jahr auch der Premierminister. Und
       bald schon dürfte Thailand das dritte asiatische Land mit Homoehe sein.
       
 (DIR) Thailands Ex-Premier aus dem Exil zurück: Die Kunst politischer Deals
       
       Der weggeputschte Ex-Regierungschef Thaksin Shinawatra dürfte nur kurz eine
       Haftstrafe absitzen. Seine Partei könnte heute die Regierung übernehmen.
       
 (DIR) Justiz in Thailand: 28 Jahre Haft für Facebook-Posts
       
       Wegen 14-facher Majestätsbeleidigung hat ein Mann eine Rekordhaftstrafe
       bekommen. In Bangkok fordern drei Hungerstreikende eine Gesetzesreform.
       
 (DIR) Wegen regierungskritischer Proteste: Ausnahmezustand in Thailand
       
       Thailands Regime ruft einen verschärften Notstand aus. Führende Köpfe der
       Protestbewegung, die eine Reform der Monarchie fordern, werden verhaftet.