# taz.de -- Nach Korruptionsskandal in Vietnam: An Neujahr nicht mehr Präsident
       
       > Vietnams Staatspräsident Nguyen Xuan Phuc erklärt seinen Rücktritt kurz
       > vor dem Neujahrsfest. Am Mittwoch soll sein Nachfolger bestimmt werden.
       
 (IMG) Bild: Und tschüss: Nguyen Xuan Phuc tritt als vietnamesisches Staatsoberhaupt zurück
       
       BERLIN taz | Vietnams Staatspräsident Nguyen Xuan Phuc hat seinen Rücktritt
       von allen politischen Ämtern erklärt. Am Dienstag nahm zunächst das
       Zentralkomitee der [1][Kommunistischen Partei] in einer eilig einberufenen
       Sondersitzung das Rücktrittsgesuch des 68-Jährigen von seinen Parteiämtern
       an. Von seiner Funktion als Staatsoberhaupt müsste ihn das Parlament
       entlasten.
       
       Bereits für Mittwoch ist eine Sondersitzung des Parlaments anberaumt, die
       der Wahl eines Nachfolgers dienen soll, bestätigt Parlamentspräsident Bui
       Van Cuong.
       
       „So viel Hektik bei einem Politikerrücktritt gab es noch nie“, sagt ein
       politischer Beobachter, der ungenannt bleiben will, der taz. Denn in
       Vietnam sind gerade Ferien zum [2][fernöstlichen Neujahrsfest]. Die Bürger
       bereiten das wichtigste Fest des Jahres vor, das in der Familie begangen
       wird. Die Politik sollte da eigentlich ruhen.
       
       In dieser Woche solche Sondersitzungen anzusetzen, wäre etwa so merkwürdig,
       als würde in Deutschland eine Partei zwischen Weihnachten und Silvester
       einen Sonderparteitag einberufen, und anschließend käme noch der Bundestag
       zusammen.
       
       ## Erst kürzlich traten zwei wichtige Politiker zurück
       
       Die Merkwürdigkeit ist umso größer, weil erst vor drei beziehungsweise
       einer Woche Sondersitzungen von Parteispitze und Parlament stattfanden, auf
       denen zwei stellvertretende Premierminister ihren Rücktritt erklärten.
       Damals waren die Rücktritte nicht begründet worden.
       
       Phuc hat hingegen seinen Rücktritt begründet: Er erklärte, die politische
       Verantwortung für Korruptionshandlungen seiner Mitarbeiter im Zusammenhang
       mit Medizinprodukten zu übernehmen.
       
       Es geht um den international nicht anerkannten[3][, überteuerten Coronatest
       Viet A], den eine vietnamesische Kleinfirma mit erheblicher staatlicher
       Unterstützung 2020 entwickelte und im großen Stil vertrieb, wobei reichlich
       Bestechungsgelder der Firma an hohe Politiker gezahlt wurden.
       
       Mehrere Politiker waren in diesem Zusammenhang festgenommen worden,
       darunter zwei Minister. Der heutige Staatspräsident war damals
       Ministerpräsident und damit deren Chef.
       
       ## Wer Phuc nachfolgt ist noch unklar
       
       Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit und sie erklärt nicht, warum der
       Rücktritt ausgerechnet in der Woche des vietnamesischen Neujahrsfestes
       erfolgte.
       
       Was nicht gesagt wurde: Auch gegen die Ehefrau von Phuc wird im
       Zusammenhang mit den gefälschten Tests ermittelt, mehrere ihrer Verwandten
       wurden letzte Woche festgenommen. Damit wuchs der politische Druck auf
       Phuc.
       
       Der zurückgetretene Staatspräsident ist Südvietnamese und studierter
       Jurist. Er gehörte dem Wirtschaftsflügel innerhalb der Kommunistischen
       Partei an, verhielt sich ab 2016 flügelneutral, galt aber dennoch als
       Unterstützer der Wirtschaft.
       
       Das Datum der Sondersitzung des Parlaments wurde zwar festgelegt, wer Phucs
       Nachfolger werden könnte, ist aber noch unklar. Die größten Ambitionen
       werden dem 65-jährigen Innenminister To Lam, einem innenpolitischen
       Hardliner mit erheblicher krimineller Energie, zugesprochen.
       
       ## To Lam beauftragte Entführung aus Tiergarten
       
       To Lam war es, der 2017 die Entführung des [4][abtrünnigen
       Wirtschaftsfunktionärs Trinh Xuan Thanh] aus Berlin nach Hanoi in Auftrag
       gab und den Entführten in der slowakischen Hauptstadt Bratislava persönlich
       in Empfang nahm. Thanh wurde anschließend in Vietnam [5][in einem nicht
       rechtsstaatlichen Verfahren] zu zweimal lebenslänglicher Haft verurteilt.
       
       Es ist nicht ausgeschlossen, dass es einen deutschen Haftbefehl gegen To
       Lam gibt. Die Generalbundesanwaltschaft äußert sich generell nicht zu
       offenen Haftbefehlen, um die Betroffenen nicht zu warnen.
       
       Die Sache ist brisant, weil Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
       vietnamesischen Berichten zufolge im Februar einen offiziellen Besuch in
       Vietnam plant. Das Bundespräsidialamt äußert sich auf taz-Anfrage nicht, ob
       das zutrifft, nach taz-Informationen laufen aber bereits Vorbereitungen. Es
       ist jedoch kaum vorstellbar, dass Steinmeier sich nächsten Monat mit dem
       Auftraggeber dieser Entführung trifft.
       
       Eine andere in den sozialen Netzwerken diskutierte Variante wäre es, dass
       der 78-jährige Parteichef Nguyen Phu Trong – ebenfalls ein innenpolitischer
       Hardliner – den Job des Staatsoberhauptes übergangsweise miterledigt. Das
       hatte er bereits ab 2018 schon einmal gut zwei Jahre lang getan, weil sich
       die Führungsriege auf keinen Kandidaten einigen konnte.
       
       Anmerkung der Redaktion: In der ursprünglichen Version hieß es,
       Frank-Walter Steinmeier habe als Außenminister die Entführung verurteilt.
       Zum Zeitpunkt der Entführung war er aber bereits Bundespräsident. [6][Das
       Außenministerium], unter der Ägide von Sigmar Gabriel, hatte die Entführung
       Tranhs deutlich verurteilt. Wir haben das korrigiert.
       
       17 Jan 2023
       
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