# taz.de -- Neuer CDU-Generalsekretär Linnemann: Mit angestrengtem Blick nach vorne
       
       > Der CDU-Vorstand wählt Carsten Linnemann zum Generalsekretär. Die Causa
       > Maaßen wird innerhalb der Partei der derweil gekonnt ignoriert.
       
 (IMG) Bild: Carsten Linnemann, der neue CDU Generalsekretär, bei der Pressekonferenz am 12.07.2023
       
       BERLIN taz | Carsten Linnemann verabschiedet seinen Vorgänger ohne Dank.
       Der frisch ernannte CDU-Generalsekretär zollt am Mittwoch seinem
       Wegbereiter Mario Czaja zwar seinen Respekt und wünscht ihm „alles Gute“,
       wirkt jedoch in seiner Antrittsrede, als könne er es sich nicht leisten,
       auch nur für eine weitere Sekunde irgendwie zurückzublicken. Dabei wären
       [1][die Ereignisse der vergangenen 24 Stunden] innerhalb der Union durchaus
       eine kleine Pause wert.
       
       Es ist ein kleiner Erdrutsch bei der CDU, und viele Parteimitglieder zeigen
       sich darüber hoch erfreut. Der Bundesvorstand hat einstimmig und ohne
       Enthaltung den Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann zum neuen
       Generalsekretär der Partei gewählt, Czaja muss den Posten räumen. „Carsten
       Linnemann ist in der CDU fest verankert und genießt in der Partei großes
       Vertrauen“, sagte CDU-Chef Friedrich Merz.
       
       Seit fast zwei Jahren ist die Union damit beschäftigt, [2][ein neues
       Parteiprogramm aufzusetzen,] schafft es jedoch nicht, aus den internen
       Diskussionen einen politischen Antrieb zu generieren. Auch die Krise der
       Ampelkoalition zahlt sich nicht für die CDU aus. Innerhalb der
       Parteiführung kursiert die Angst, in der Bevölkerung als Teil des Problems
       im Berliner Regierungsviertel wahrgenommen zu werden. Nun soll es Linnemann
       richten und der Union als Generalsekretär wieder zu mehr Schärfe verhelfen.
       In der Partei bauen sie dafür auf seinen hitzigen Charakter. Oder in den
       Worten von Merz: „Linnemann brennt für die CDU.“
       
       Der 45-jährige Linnemann gilt, obwohl er bereits seit 2009 im Bundestag
       sitzt, als Quell der Frische in der Union. Bei seinen Reden, die er frei
       und ohne Aussetzer hält, steht er nach kurzer Zeit oftmals mit rotem Kopf
       vor dem Publikum und kneift die Augen konzentriert zusammen. Er kann sich
       in Rage reden, wenn es um offensichtliche Schnittmengen der CDU mit der AfD
       bei Fragen der Migration oder zuletzt beim Gebäudeenergiegesetz geht. Der
       Paderborner hat in Chemnitz in Volkswirtschaftslehre promoviert, gilt als
       Verfechter eines schlanken Staats in marktwirtschaftlichen Fragen und eines
       starken Staats in der Sicherheitspolitik. Im Umgang mit der AfD zählt er zu
       den Menschen, die mit Rechten reden wollen, um sie mit ihrer Politik zu
       konfrontieren.
       
       Seine Antrittsrede im Konrad-Adenauer-Haus beginnt Linnemann dann auch mit
       einem kleinen Angriff gegen die Bundesregierung: Die Ampel schaffe es
       nicht, in Zeiten von Krieg und Inflation den Menschen Orientierung zu
       geben. Das zu liefern sei die Aufgabe der CDU. „Wir nehmen die Menschen,
       wie sie sind, und nicht, wie sie sein sollen“, sagt Linnemann und
       wiederholt damit das Mantra, das er auch in seiner Arbeit als
       Verantwortlicher für das neue CDU-Grundsatzprogramm immer wieder betont
       hat.
       
       Linnemann soll diese Aufgabe auch weiterhin erfüllen. Das neue
       Parteiprogramm soll im kommenden Mai auf dem Bundesparteitag der Union
       verabschiedet werden. Dann muss Linnemann sich auch als Generalsekretär
       noch mal zur Wahl stellen, mit dem Beschluss des CDU-Bundesvorstands
       übernimmt er das Amt vorerst kommissarisch.
       
       Czajas Auftritt am Mittwoch in Berlin bringt ihm großes Lob aus dem
       Parteivorstand ein: Dass er sich nach seiner Abwahl nochmal aufs Podium
       stellt, wird dort als Ausdruck seiner Charakterstärke gewertet. Er selbst
       bezeichnet seinen Rückzug aus dem Amt gar als „besonderen Tag“ für die
       Union. Als Generalsekretär stand er schon länger auf verlorenem Posten,
       weil viele in der Partei ihn als zu zaghaft wahrnahmen.
       
       Dabei hatte Czaja sich innerhalb der Union Respekt verschafft, weil er der
       Linkspartei das Direktmandat im traditionell linken Wahlkreis
       Marzahn-Hellersdorf in Berlin entrissen hatte. 2021 schlug Merz den
       47-Jährigen als Generalsekretär vor, wohl wissend, die geplante Erneuerung
       der CDU breit verankern zu müssen; der ostdeutsche Sozialpolitiker Czaja
       schien dafür der geeignete Kandidat. Mit der Abberufung Czajas legt der
       Parteichef nun die Kehrtwende hin.
       
       Nun stehen mit Linnemann und Merz zwei Männer aus Nordrhein-Westfalen, dazu
       noch aus benachbarten Wahlkreisen, auf den Spitzenpositionen der Union.
       Merz sagte dazu, NRW sei als größter Landesverband in der Union lange Zeit
       „unter Wert geschlagen gewesen“.
       
       Zu einem anderen Fall schwieg der Parteivorstand am Mittwoch: Der
       rechtsextreme ehemalige Verfassungsschutzpräsident mit langjähriger
       CDU-Mitgliedschaft, Hans-Georg Maaßen, darf nach dem Urteil eines Thüringer
       Parteigerichts von Dienstag nicht aus der Union ausgeschlossen werden. Merz
       erklärte, der Vorstand warte noch auf die schriftliche Urteilsbegründung.
       Vielleicht wollte auch er sich mit den lästigen Vergangenheitskapiteln der
       Union vorerst nicht auseinandersetzen.
       
       12 Jul 2023
       
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