# taz.de -- Neues Polizeigesetz: Hamburg darf bald Füße fesseln
       
       > Der Senat hat die Reform des Polizeigesetzes beschlossen. So schlimm wie
       > in Bayern wird es nicht, aber die Linke sieht dennoch Grundrechte
       > bedroht.
       
 (IMG) Bild: Bekommen mehr Befugnisse: Polizist*innen in Hamburg
       
       HAMBURG taz | Der rot-grüne Senat hat die [1][Reform des Polizeirechts]
       beschlossen und der Bürgerschaft zur Beratung übergeben. Aus Sicht der
       Regierungskoalition handelt es sich um einen moderaten Kompromiss. „Hamburg
       beteiligt sich nicht an einem Wettbewerb um das schärfste Polizeigesetz“,
       sagt Sören Schumacher, innenpolitischer Sprecher der SPD. Antje Möller
       (Grüne) verweist darauf, dass die Reform vorwiegend aufgrund der
       Veränderung bundespolitischer Gesetze notwendig sei.
       
       Während der CDU die neuen Befugnisse nicht weit genug gehen, beklagt die
       Linke zu viel Ermächtigungen. „An vielen Punkten wird das Verhältnis
       zwischen Grundrechten und staatlichen Befugnissen weiter zu Lasten der
       Grundrechte verschoben“, sagt Christiane Schneider, innenpolitische
       Sprecherin der Linken.
       
       Die Reform bringt eine Vielzahl neuer Befugnisse für die Hamburger Polizei
       mit sich. Zentral ist, dass künftig Fußfesseln auf richterliche Anordnung
       angelegt werden dürfen. Dies gilt einerseits bei terroristischen
       Gefährder*innen. Zum anderen können die Fußfesseln auch bei Menschen zum
       Einsatz kommen, „von denen eine Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit einer
       Person ausgeht“, heißt es im Entwurf. Laut Schumacher sollen sie als
       Maßnahme für Täter*innen in Fällen von Beziehungsgewalt dienen.
       
       Schneider beklagt besonders die sogenannte „gezielte Kontrol-le“, denn
       durch diese Maßnahme könne die Polizei eigenwillig und permanent
       Verdächtige kontrollieren und durchsuchen. „Das kann dann auch den
       Fußballfan betreffen, der einmal Pyro dabei hatte, oder einen schwarzen
       Menschen, der einmal an der Hafentreppe mit 0,1 Gramm Gras erwischt wurde“,
       sagt Schneider.
       
       ## Drohende Gefahren reichen nicht
       
       Allerdings verzichtet Hamburg auch künftig auf Präventivhaft und die
       Online-Durchsuchung. [2][In Niedersachsen etwa darf die Polizei zur
       Gefahrenabwehr Menschen für bis zu 35 Tage in Gewahrsam nehmen]. „Auch gibt
       es keine Ausweitung des Gefahrenbegriffs nach bayerischem Vorbild“, betont
       Möller. Eingriffsbefugnisse wären dann schon auf Grundlage von Annahme
       gegen Personen möglich, die noch gar nicht straffällig geworden sind.
       
       Dies wäre etwa der Fall, wenn bestimmte Verhaltensweisen darauf hindeuten,
       dass ein Anschlag bevorsteht. Statt einer konkreten Gefahr ginge es dann um
       prognostizierte drohende Gefahren. „Hier ist im Unterschied zu
       CDU/CSU-geführten Ländern tatsächlich eine moderate Handschrift zu
       erkennen“, sagt Rafael Behr, Professor für Polizeiwissenschaften an der
       Hamburger Polizeiakademie.
       
       [3][Die Novelle des Polizeirechts hat mehrere Ursachen]. Neben der
       Anpassung an die Datenschutzgrundverordnung, steht die Reform in
       Zusammenhang mit der Debatte nach dem Terroranschlag auf den Berliner
       Breitscheidplatz im Dezember 2016. Hinzu kommt das 2017 verabschiedete
       BKA-Gesetz, das Befugnisse des Bundeskriminalamts erweiterte und an dem
       sich die Länder nun orientieren.
       
       ## Entwurf in den Ferien
       
       Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit,
       Johannes Caspar, äußert allerdings bereits Zweifel, ob der Gesetzentwurf
       konform mit geltendem EU-Recht ist. Denn dem Datenschutzbeauftragten soll
       die Anordnungsbefugnis gegenüber der Polizei beziehungsweise deren
       Aufsichtsbehörde wieder entzogen werden.
       
       Bei datenschutzrechtlichen Bedenken konnte er bisher der Innenbehörde
       anordnen, bestimmte Handlungen zu unterlassen. „Das halten wir für
       europarechtswidrig“, sagt Caspar.
       
       Zudem kritisiert Caspar die niedrigen Eingriffsvoraussetzungen für die
       elektronische Überwachung mithilfe der Fußfesseln, die auch außerhalb
       terroristischer Bedrohung zum Einsatz kommen sollen.
       
       Ungeachtet der neuen Befugnisse bemängelt Christiane Schneider das Vorgehen
       des Senats bei der Reform. „Es ist ein Unding, den Entwurf in den Ferien zu
       veröffentlichen und schon in zwei Wochen mit den Bürgerschaftsberatungen
       beginnen zu wollen“, sagt Schneider. Offenbar solle das Gesetz schnell
       durchgepeitscht werden. „Das ist nicht demokratieförderlich“, sagt
       Schneider.
       
       1 Aug 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/67514/drittes_gesetz_zur_aenderung_polizeirechtlicher_vorschriften.pdf
 (DIR) [2] /Neues-Polizeigesetz-in-Niedersachsen/!5591593&s=/
 (DIR) [3] /Verschaerfung-der-Polizeigesetze/!5503486&s=polizeirecht+hamburg/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) André Zuschlag
       
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