# taz.de -- Olympia-Qualifikation der Handballer: Vor der Goldreife
       
       > Die deutsche Handballauswahl überzeugt beim Qualifikationsturnier für
       > Olympia. Nun kann sie voller Selbstvertrauen nach Tokio reisen.
       
 (IMG) Bild: Breitbrüstig: Kai Häfner im Spiel gegen Algerien
       
       BERLIN taz | Bob Hanning ist für seine extravagante Mode bekannt, aber
       einen goldenen Anzug trug der Vizepräsident des Deutschen Handballbundes
       (DHB) am Sonntag in der Max-Schmeling-Halle dann doch nicht. Vielleicht
       wäre es ohnehin besser, ein solches Outfit bleibt im Schrank, bis die
       deutschen Handballer in Tokio um die Medaillen spielen. „Warum sollte ich
       das Ziel ein paar Monate vor den Olympischen Spielen revidieren, das wir
       vor acht Jahren als Vision ausgegeben haben“, sagte Hanning. [1][Der
       (Vor-)Denker des Handballs] hatte zu Beginn seiner Arbeit beim Verband den
       Gewinn der Goldmedaille bei den Spielen in Tokio zum Ziel gemacht.
       
       „Ich sehe uns nicht in der Rolle des Favoriten, da gibt es andere
       Mannschaften, die besser besetzt sind“, sagte Hendrik Pekeler, der als
       Abwehrchef der Nationalmannschaft inzwischen so etwas wie das Sprachrohr
       des Teams geworden ist. Erst mal müsse sich die DHB-Auswahl für das
       Olympische Turnier qualifizieren. Diese Hürde haben die Deutschen am
       Wochenende übersprungen und sich mit einem 25:25-Remis gegen
       Vize-Weltmeister Schweden, einem klaren 36:27-Erfolg über den EM-Vierten
       Slowenien und einem abschließenden 34:26 gegen Außenseiter Algerien
       souverän durch das Qualifikationsturnier in Berlin gespielt.
       
       Man kann sich vorstellen, was Hanning hätte erleiden müssen, wenn die
       deutschen Handballer in der Qualifikation gescheitert wären. Häme und Spott
       wären über ihm ausgeschüttet worden, und mehr noch: der DHB-Vize wäre zu
       einem Grund des Scheiterns gemacht worden. Zu viel Druck, zu viel Unruhe
       vor den wichtigen Duellen – so hätten die Vorwürfe gelautet.
       
       Letztlich bleiben diese Überlegungen aber ein Denkmodell, weil die
       Mannschaft eine bemerkenswerte Reaktion zeigte. Die deutschen Handballer
       nutzten den Moment des größten Drucks zu einer Befreiung. „Ich bin sehr,
       sehr stolz“, sagte Bundestrainer Alfred Gislason nach dem Sieg über die
       Slowenen am Samstag. Eine Niederlage hätte das Scheitern bedeutet, und mit
       diesem Wissen zeigte das Team die beste Halbzeit seit vielen Jahren, beim
       22:12-Pausenstand war die Partie bereits entschieden. Hanning sprach in dem
       ersten Moment der Euphorie gar von den besten 30 Minuten, „seit ich hier
       ein Amt habe“, also seit acht Jahren.
       
       ## Die Ruhe des Trainer
       
       Das war etwas übertrieben, aber entscheidend für die Beurteilung ist
       ohnehin die Tatsache, dass die Spieler in der Lage waren, die
       Erwartungshaltung von außen und von innen in einen Energieschub
       umzuwandeln. In den vergangenen Jahren war dies nicht gelungen, in den
       wichtigsten Spielen bei großen Turnieren gab es deshalb seit dem
       erfolgreichen Jahr 2016 mit EM-Titel und Olympia-Bronze meist Niederlagen.
       
       Eine wichtige Rolle beim erfolgreichen Projekt „Olympia-Quali“ spielte
       Gislason, dessen Ruhe auf seine Spieler ausstrahlte. „Es ist wichtig und
       gut, einen Trainer an der Seitenlinie zu wissen, der dieser berühmte Fels
       in Brandung ist“, sagte DHB-Präsident Andreas Michelmann. Ganz offenbar
       gelang es dem ehemaligen [2][Titelsammler als Coach des THW Kiel], seine
       Ruhe auf die Spieler zu übertragen.
       
       Das Bestehen der Drucksituation in den Tagen von Berlin wirkt nach außen
       als Signal auf die Konkurrenz, viel mehr kann es aber eine Wirkung nach
       innen erzielen. Die deutschen Handballer werden mit dem Gefühl nach Tokio
       fliegen, dass das vor Jahren ausgerufene Ziel erreichbar ist. Gislason ist
       es in seiner Amtszeit seit Februar 2020 gelungen, das Offensivspiel des
       Teams zu verbessern, und in Berlin kehrte die altbekannte Stärke der
       Deutschen zurück – die Abwehr.
       
       Hendrik Pekeler, Patrick Wiencek – das eingespielte Duo aus Kiel – und
       Johannes Golla, die Entdeckung der vergangenen Monate aus Flensburg,
       bildeten in unterschiedlichen Formationen einen Innenblock, der höchsten
       Ansprüchen genügt. Dahinter steigerte sich Andreas Wolff im Tor deutlich.
       Der Rest der Handball-Welt hatte immer schon Respekt vor der deutschen
       Defensive – und die findet gerade zu alter Stärke zurück.
       
       Es ist also nicht ausgeschlossen, dass Bob Hanning im Sommer in Japan ein
       besonderes Kleidungsstück aus dem Schrank holen kann – wenn denn ein
       goldener Anzug dort hängt.
       
       15 Mar 2021
       
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