# taz.de -- „Prince Charming“ über große Gefühle: „Ich finde heiraten toll“
       
       > Nicolas Puschmann ist als „Prince Charming“ auf Vox zu sehen. Er steht
       > auf Monogamie – denkt aber, dass es die große Liebe mehr als nur einmal
       > gibt.
       
 (IMG) Bild: Nicolas Puschmann, 28 Jahre alt, Account Manager und Star der Dating-Show „Prince Charming“
       
       taz: Herr Puschmann, Sie wurden vergangenes Jahr in einer Bar „entdeckt“
       und als Protagonist für die Datingshow „Prince Charming“ gecastet.
       Mitgemacht haben Sie, weil Sie Single waren und nichts zu verlieren hatten,
       wie Sie es nannten. Dabei würde man ja eigentlich denken, dass ein gut
       aussehender Typ wie Sie auch ohne Fernsehshow problemlos einen Partner
       finden sollte, oder? 
       
       Nicolas Puschmann: Klar, es gibt diese ganzen Dating-Apps, gerade auch für
       Homosexuelle, von Grindr bis GayRomeo. Aber da geht es meistens nur um das
       eine, nämlich den schnellen Sex und One-Night-Stands. Seriöse [1][Liebe]
       sucht da meiner Erfahrung nach kaum jemand. Außerdem hatte ich immer das
       Gefühl, dass die Männer da immer noch nach was Besserem gesucht haben,
       selbst wenn man sich gedatet hat. Also gefiel mir die Idee, einen Monat
       lang mit 20 Männern und ohne Handys, die für Ablenkung sorgen, eingesperrt
       zu sein, ganz gut.
       
       Gleichzeitig spricht ja nichts gegen One-Night-Stands. Und man könnte auch
       einwenden, dass die Idee eines Märchenprinzen, der der einzig Wahre ist,
       womöglich etwas veraltet und heteronormativ ist. 
       
       So naiv zu denken, dass es die Liebe meines Lebens nur einmal gibt, war ich
       nur mit 18 Jahren, als ich meinen ersten Freund hatte. Aber an das Projekt
       Beziehung bin ich von vornherein trotzdem immer monogam herangegangen. So
       wurde es mir vorgelebt, das habe ich verinnerlicht und ich mag auch die
       Vorstellung, einfach nur mit dem Menschen zusammen zu sein, den man liebt.
       Natürlich gibt es gerade in der Community da auch ganz andere Beispiele,
       warum auch nicht. Jeder muss eben ganz individuell das Beziehungspaket
       schnüren, mit dem er am besten lange mit leben kann. Ich zum Beispiel finde
       heiraten toll und denke auch überhaupt nicht, dass das ein Hetero-Ding ist.
       Gleichzeitig weiß ich aber auch nicht, was in einer Beziehung nach fünf
       oder zehn Jahren sein wird. Bislang war ich immer monogam, aber wenn nach
       zehn Jahren die Luft raus sein sollte zum Beispiel, muss man sich natürlich
       einen Plan B überlegen, wenn man weiter zusammen sein möchte.
       
       „Prince Charming“ wird immer gern als „der schwule Bachelor“ beschrieben.
       Aber Sie haben schon vergangenen Herbst in einem Interview gesagt, dass Sie
       denken, die Show sei ein bisschen mehr und habe auch eine Art Lehrauftrag.
       Würden Sie rückblickend sagen, dass das geklappt hat? 
       
       Yes, absolut, das kann ich mit voller Überzeugung sagen. Ich selbst war
       natürlich auch sehr gespannt, was aus der Sendung gemacht wird, also wie
       das Material, das wir einen Monat lang auf Kreta gedreht haben, am Ende
       geschnitten wird. Aber zum Glück ist das wirklich toll geworden. Neben all
       dem Spaß und dem Trinken und Rauchen hatten wir auch die Freiheit, unsere
       ehrlichen Geschichten zu erzählen, über unsere Vergangenheit, unser
       [2][Outing], unsere Probleme in der Gesellschaft. Und ich hatte den
       Eindruck, dass wir – obwohl alle um denselben Mann gebuhlt haben – immer
       eine Einheit waren. Ganz anders als beim regulären „Bachelor“, wo immer
       Zickenkrieg ohne Ende angesagt ist.
       
       Ganz ohne Zickenkrieg kommt natürlich auch „Prince Charming“ nicht aus. Und
       auch nicht ohne Stereotype: Letztlich zeigt die Show lauter
       durchtrainierte, gängigen Schönheitsidealen entsprechende Schwule, die
       leicht bekleidet Party machen. Ist das nicht ein bisschen zu viel Klischee? 
       
       Aber was wäre denn unsere Community ohne Klischees? Die gibt’s natürlich,
       und mit denen kann man auch ein Stück weit provozieren und die
       Aufmerksamkeit auf uns lenken. Natürlich gab es in der Sendung auch Typen,
       die nicht schrill oder laut waren. Aber die werden in einer solchen Show
       natürlich nicht so wahrgenommen. Ich war ehrlich gesagt mit der Mischung
       von Männern eigentlich sehr zufrieden, denn da waren schon sehr viele
       verschiedene Typen bei. Und ich glaube also durchaus, dass wir einen guten
       Einblick in ein [3][echtes, normales schwules Leben] geben konnten, wenn
       ich mir die Reaktionen so angucke.
       
       Wie sahen die denn aus? 
       
       Ich habe tolle Zuschriften bekommen von Leuten, die sich dank der Sendung
       getraut haben, sich zu outen. Oder von Menschen, die sich endlich für das
       Thema sensibilisiert fühlten und meinten, sie würden nun verstehen, was für
       einen Prozess man als homosexueller Mensch eventuell durchmachen muss.
       
       Schlug Ihnen auch Homophobie und Hass entgegen? 
       
       Gar nicht. Bislang wurde mir bei den Reaktionen ganz schön der Arsch
       gepudert. Sicherlich gab es ein oder zwei Personen, die mich scheiße
       fanden. Aber die taten das auch schon im Vorfeld. Ein paar Typen, mit denen
       ich früher schlechte Dates hatte, haben sich jetzt zumindest die Blöße
       gegeben, mit reichlich Verspätung zu sagen, was ich für ein Wichser gewesen
       sei. (lacht) Aber das amüsiert mich eher, als dass es mich stört. Da stehe
       ich definitiv drüber.
       
       Rechnen Sie damit, dass sich an den Reaktionen nun etwas ändern wird, wenn
       „Prince Charming“ statt auf dem Streamingportal im linearen Programm läuft? 
       
       Ich kann das super schwer einschätzen. Aber insgesamt erwarte ich
       tatsächlich ein gemischteres Feedback. Es wird jetzt sicher hier und da
       Leute geben, die sich hinter irgendwelchen anonymen Instagram-Profilen
       verstecken und irgendwelche Hate-Kommentare schreiben. Kennt man ja: null
       Follower und im Schreiben sind sie riesengroß, aber wenn sie mich auf der
       Straße treffen würden, würden sie ihren Mund nicht aufbekommen. Immerhin
       läuft die Sendung um 22.10 Uhr. Da sind die Kinder der sogenannten
       „besorgten Eltern“ wohl auch schon im Bett und sie können sich nicht
       unnötig aufregen.
       
       Sprechen wir über die Entstehung der Sendung, in der es ja emotional
       durchaus hoch hergeht. Haben Sie nie verflucht, von Kameras umgeben zu
       sein, während Sie Gefühle für Menschen entwickeln? 
       
       Doch, die eine oder andere Situation gab es schon. Beim allerersten Date
       zum Beispiel war alles noch neu und ungewohnt. Da mussten immer mal wieder
       Kameraeinstellungen verändert werden, sodass wir innehalten mussten. Oder
       es fuhr ein Partyschiff vorbei und wir mussten warten, weil sonst der Lärm
       auf der Tonspur gewesen wäre. Da habe ich schon gedacht: Oh Mann, wie gern
       hätte ich jetzt einfach ein ganz normales Date. Aber insgesamt habe ich
       mich schnell daran gewöhnt, sodass es mir irgendwann echt egal war, ob da
       eine Kamera steht. Weil ich mich so hart auf den Typen fokussiert habe, der
       vor mir saß und den ich wirklich kennenlernen wollte.
       
       Wurde seitens der Produktion viel eingegriffen und das Drama forciert? 
       
       Ehrlich gesagt glaube ich, dass man da nicht viel tun musste. Das Drama ist
       von ganz alleine entstanden. Von meiner Seite aus war auf jeden Fall nichts
       geskriptet und ich habe auch nie mitbekommen, was zwischen den Kandidaten
       im Haus passiert ist. Das musste ich schon selbst herausfinden.
       
       Dass – so wirkt es zumindest – die Alkoholvorräte nie ausgingen, dürfte da
       jedenfalls nicht geschadet haben … 
       
       Ich hatte ja jeden Tag ein Date – und es gab immer etwas zu trinken. Egal
       um wie viel Uhr das Date anfing. Wir haben im September mit den
       Dreharbeiten angefangen, da war es auf Kreta noch bullenheiß. Wein und Sekt
       bei Dates in der prallen Sonne – zumindest bei einem Date ist mir das dann
       auch wirklich zu Kopf gestiegen. Da habe ich dann auch vergessen, dass ich
       gerade in einer Fernsehshow bin, aber ich stehe zu allem, was passiert ist.
       
       Haben Sie denn im Rückblick das Gefühl, vielleicht hier und da zu viel
       preisgegeben zu haben? Zum Beispiel beim Thema Anal-Waxing? 
       
       Überhaupt nicht. Ich fand es eher schräg, wie pikiert gerade die
       Homosexuellen im Haus darüber waren, dass ihr Prince Charming über so etwas
       spricht. Ihr cremt euch schließlich gegenseitig mit Sonnenmilch ein und
       führt Paarungstänze/Balztänze in der Villa auf – und ich erzähle nur, dass
       ich es hygienischer finde, mich zwischen den Backen waxen zu lassen?! Auf
       jeden Fall habe ich mich eher über mich selbst totgelacht, denn ich nehme
       mich selbst da gerne nicht zu ernst und haue mal einen Spruch raus. Ich
       schäme mich überhaupt nicht. Und bin ganz überrascht, dass mir nach der
       Sendung tatsächlich einige Leute geschrieben haben, um zu fragen, wo man
       denn Anal-Waxing machen kann.
       
       20 Apr 2020
       
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