# taz.de -- Schiedsrichter über Angriffe im Stadion: „Kannten Ausmaß der Gewalt nicht“
       
       > Die gewaltsamen Übergriffe auf Schiedsrichter nehmen zu. Hamburger
       > Verbandsschiedsrichter schreiben nun einen offenen Brief.
       
 (IMG) Bild: Sind nicht die Einzigen, die dem Schiedsrichter auf die Pelle rücken: Spieler von Hannover 96.
       
       taz: Herr Ehrenfort, ist das Gewaltpotenzial im Amateurfußball gestiegen? 
       
       Michael Ehrenfort: Das lässt sich schlecht beantworten, weil es darüber
       keine Statistiken gibt. Gefühlt hat gerade im unteren Bereich des
       Amateurfußballs die Berichterstattung darüber zugenommen. In den oberen
       Spielklassen kannten wir ein solches Ausmaß an Gewalt lange Zeit nicht, bis
       auf wenige Einzelfälle. Aufgrund der zahlreichen Zwischenfälle in den
       letzten Wochen haben wir Schiedsrichter uns nun mit einem Brief an die
       Öffentlichkeit gewandt.
       
       Sind die Übergriffe zahlenmäßig mehr geworden oder haben sie an Intensität
       zugenommen? 
       
       Meinem Gefühl nach sind die Übergriffe gewaltsamer geworden.
       
       Wie erklären Sie sich das? 
       
       Die Hemmschwelle, uns verbal zu beleidigen und zu attackieren, ist relativ
       gering. Das ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Da könnte man genauso gut
       die Polizei befragen. Der Respekt, der Entscheidungsträgern
       entgegengebracht wird, geht verloren. Wir sind auf dem Platz ja so etwas
       Ähnliches wie die Polizei in der Gesellschaft.
       
       Ein Schiedsrichterkollege von Ihnen wurde krankenhausreif geschlagen – wie
       kam es dazu? 
       
       Das war ein Spiel am 4. September in der Landesliga Hansa. Der Bramfelder
       SV spielte gegen Dersimspor Hamburg. Der Kollege ist nach einem hitzigen,
       aber nicht auffälligen Spiel auf dem Weg in die Kabine von einem Zuschauer
       von hinten attackiert worden. Er wurde durch Schläge und Tritte zu Fall
       gebracht und auch am Boden liegend ist er noch geschlagen worden. Er hat
       erhebliche Gesichtsverletzungen davon getragen und musste im Krankenhaus
       behandelt werden.
       
       Bei diesem Beispiel kam der Täter also aus der Anhängerschaft des Vereins. 
       
       Ja. In den letzten Wochen haben wir in unserer Kritik die Mannschaften ins
       Visier genommen. Das muss man aber relativieren. Die Mannschaft Dersimspor
       hat nach dem Vorfall aktiv zur Aufklärung beigetragen und den Täter aus
       ihrer Anhängerschaft identifiziert. Dadurch konnte der Fall vor das
       Sportgericht gebracht werden und auch eine Anzeige gestellt werden.
       
       Wer will denn da noch Schiedsrichter werden? 
       
       Wir verlieren Schiedsrichter. Wir bilden pro Jahr in den Bezirken eine
       dreistellige Zahl an Schiedsrichtern aus. Man kann statistisch gut
       nachvollziehen, dass von den ausgebildeten Schiedsrichtern 50 Prozent
       direkt nach dem ersten Jahr wieder aufhören. Weitere 25 Prozent hören nach
       dem zweiten Jahr auf. Das ist seit Jahren so.
       
       Begründen die Abbrecher das mit Angst vor Gewalt? 
       
       Das ist eine der Hauptbegründungen. Es sind häufig junge Kollegen im Alter
       von 14 bis 16 Jahren, die als erste Spiele Jugendspiele leiten. Das
       Erschreckende ist, dass sie nach einem Jahr beleidigt, bepöbelt und bedroht
       wurden. Das wollen sie sich einfach nicht antun.
       
       Hindern solche Vorfälle die Schiedsrichter bei der Ausführung ihrer
       Tätigkeiten? Haben sie Angst vor Ausschreitungen? 
       
       Ich stehe weiterhin dazu, dass das nicht passieren darf. Auch rote Karten
       sollten wegen so etwas nicht stecken bleiben. Wenn wir an den Punkt kommen
       würden, dass die Schiedsrichter Fouls nicht mehr pfeifen, dann wäre es zu
       spät. Wenn das passieren sollte, haben alle Instanzen, von Vereinen, über
       die Verbände, die Sportgerichte bis hin zur Gesellschaft versagt. In solche
       Situationen dürfen wir nicht kommen, dass Gewalthandlungen die
       Schiedsrichter bei ihren Entscheidungen einschränken.
       
       Wie können Schiedsrichter besser geschützt werden? 
       
       Es gibt Sicherheitsrichtlinien, die nur für die Hamburger Oberliga gelten.
       Diese müssen auf alle Spielklassen ausgeweitet werden. Bezeichnend ist,
       dass auch der DFB reagiert und eine Sicherheitszone bei allen Jugendspielen
       einrichtet. Eltern müssen dann einen bestimmten Abstand zum Spielfeld
       einhalten, damit sie keinen Einfluss nehmen können. Wir wollen zunächst in
       den Dialog mit den Vereinen treten, um in gemeinsamen Gesprächen die
       gegenseitige Akzeptanz wiederherzustellen. Wir wollen einfach wieder auf
       einen gemeinsamen Nenner kommen.
       
       27 Sep 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fabio Kalla
       
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