# taz.de -- Schnellverfahren nach dem Freibad: Lektion in Gewaltenteilung
       
       > CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann fiel diese Woche mit der Forderung
       > auf, Freibad-Randalier noch am Tag der Randale zu verurteilen. Geht das?
       
 (IMG) Bild: Entsprechend seiner Rolle: CDU-Generalsekretär Linnemann mit populistischen Forderungen
       
       Der neue CDU-Generalsekretär [1][Carsten Linnemann] forderte: „Wer mittags
       im Freibad Menschen angreift, muss abends vor dem Richter sitzen und
       abgeurteilt werden. Auch am Wochenende.“ 
       
       Richtig ist: 
       
       Die Strafprozessordnung erlaubt schon lange „beschleunigte Verfahren“.
       Dabei muss die Staatsanwaltschaft zum Beispiel keine Anklageschrift
       schreiben, sondern kann die Anklage mündlich im Gericht vortragen.
       Zuständig ist keine Sonderjustiz, sondern die normalen Amts- und
       Landgerichte. Die unabhängigen Richter:innen entscheiden auch, ob ein
       Schnellverfahren angewandt wird oder nicht. Die Politik kann das nicht
       anordnen.
       
       In der Praxis spielen beschleunigte Verfahren bisher kaum eine Rolle. Denn
       sie sind für die Justiz mit erhöhtem Koordinationsaufwand verbunden.
       Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung müssen sich kurzfristig auf
       einen Termin einigen. Prozesse am Sonntagabend für Straftaten vom
       Wochenende gibt es in der Praxis so gut wie nie. Wenn die Politik von der
       Strafjustiz mehr Eilverfahren erwartet, müsste sie die Justiz zunächst mit
       mehr Personal ausstatten.
       
       Allerdings sind Angriffe auf Bademeister kein besonders geeignetes Feld für
       beschleunigte Verfahren. Denn oft dürften die Verdächtigen noch jung sein.
       Gegen Jugendliche (unter 18) ist das beschleunigte Verfahren aber gar nicht
       zulässig und gegen Heranwachsende (18 bis 21) nur unter strengen
       Bedingungen.
       
       Außerdem sind beschleunigte Verfahren nur zulässig, wenn der Sachverhalt
       einfach oder die Beweislage klar ist, etwa wenn ein Einzeltäter auf
       frischer Tat ertappt wird und sofort alles gesteht. Bei einer
       [2][Freibad-Aggression] sind aber meist viele beteiligt und keiner will's
       gewesen sein. Im deutschen Strafprozess muss jedoch die Schuld des
       individuellen Täters nachgewiesen werden. Gerade bei unübersichtlichen
       Sachverhalten ist daher eine komplizierte Beweisaufnahme zu erwarten und
       ein Eilverfahren deshalb ausgeschlossen.
       
       21 Jul 2023
       
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