# taz.de -- Schon wieder Shitstorm: Hamburger Polizei bekommt Fanpost
       
       > Das Social-Media-Team der Polizei postet eine Postkarte, die sie von
       > einem Schüler namens „Ben“ erhalten haben will. Das motiviert
       > Nachahmer*innen.
       
 (IMG) Bild: Ein Fall für die Soko „Wand und Farbe“? Plakatwand der Roten Flora
       
       HAMBURG taz | Das Referat „Öffentlichkeitsarbeit“ der Polizei hat es
       manchmal nicht leicht. Es muss eine positive Außenwirkung der Polizei
       vermitteln, [1][Journalist*innen Fragen beantworten], Social-Media-Kanäle
       bespielen und sich manchmal für das schwer nachvollziehbare Verhalten der
       eigenen Kolleg*innen rechtfertigen. Da ist die Freude wahrscheinlich umso
       größer, wenn mal Fanpost kommt. Diese Freude in den sozialen Netzwerken zu
       zelebrieren, kann allerdings nach hinten losgehen.
       
       Am Mittwoch postete die Polizei auf Twitter das [2][Foto einer Postkarte
       von einem Jungen namens „Ben“] und bekam dafür einen Shitstorm.
       
       „Liebe LBP,“ steht handschriftlich auf der abfotografierten Karte, „unsere
       Deutschlehrerin hat uns den Auftrag erteilt einer Menschengruppe eine
       Postkarte zu schreiben, die gerade besonders wichtige Arbeit leistet. Da es
       auch mein großer Traum ist zur Polizei zu gehen sind Sie mir sofort
       eingefallen. Danke dass sie in dieser heiglen (!) Situation weiterhin für
       Ordnung auf den Straßen sorgen. (...) Deshalb halten sie die Ohren steif
       und DANKE. LG Ben.“
       
       Ein Fake, vermuten viele Twitter-User*innen. Die Karte ist nicht frankiert,
       außerdem würde wohl kein Schüler die Abkürzung „LBP“ – für
       Landesbereitschaftspolizei – verwenden. Auch die Wortwahl wirkt nicht
       gerade kindlich und der Rechtschreibfehler bei „heiglen“ eher künstlich.
       Zudem merken viele User*innen an, dass die Schrift nicht nach einer
       Kinderschrift aussieht. Das Polit-Künstler-Kollektiv „Peng!“ weist darauf
       hin, dass seit vergangener Woche Sommerferien sind.
       
       ## „Ben gibt es wirklich“
       
       Die Polizei beteuert die Echtheit der Karte: „Ben gibt es wirklich, er ist
       Jugendlicher und hat diese Postkarte selbst verfasst“, twittert das
       Social-Media-Team. Die fehlende Briefmarke gehe darauf zurück, dass die
       Karte in einem Umschlag gesteckt habe.
       
       Die Diskussion bezeichnet Polizeisprecher Holger Vehren als absurd. „Die
       Polizei genießt höchste Vertrauenswerte in der Bevölkerung. Entsprechend
       ist uns die Wichtigkeit der inhaltlichen Richtigkeit unserer Meldungen
       bewusst. Vor diesem Hintergrund ist es lächerlich, die Authentizität des
       Briefs in Abrede zu stellen“, sagt er der taz.
       
       Auf Twitter, wo der Ton oft rau ist, geht das polizeiliche
       Social-Media-Team zum Angriff über: „Wir finden es besorgniserregend, dass
       ein anerkennender, authentischer Brief eines Jugendlichen an die Polizei
       dazu führt, dass er (und die Polizei) derart angefeindet werden.“
       
       „Angefeindet“ ist vielleicht etwas viel gesagt. Twitter-User*innen
       verstehen die Postkarte wohl eher als Challenge, mal wieder auf das aus der
       Mode gekommene Medium zurückzugreifen.
       
       Die linksradikale „Gruppe für den Organisierten Widerspruch“ (Grow) postet
       eine Postkarte mit der Aufschrift „Liebe Growis (...) da es auch mein
       großer Traum ist, zu den Autonomen zu gehen, seid ihr mir sofort
       eingefallen. Danke dass ihr in dieser heiglen Situation für Widerstand auf
       den Straßen sorgt. LG Ben.“ Die gephotoshoppte Briefmarke zeigt ein Porträt
       von Innensenator Andy Grote (SPD) mit der Aufschrift „1312“, dem Zahlencode
       für „All cops are bastards“).
       
       ## Auch Šaša Stanišić postet
       
       Der preisgekrönte Schriftsteller Šaša Stanišić postet eine Karte,
       adressiert an das „Landesrosenkohlamt“: „Liebe Rosenkohl-Gemeinde, unsere
       Bio-Lehrerin hat uns die Aufgabe erteilt einem Gemüse/einer Menschengruppe,
       der/die gerade besonders wichtige Arbeit leistet, eine Postkarte zu
       schreiben. Danke dass sie trotz der ganzen Situation in der
       Rosenkohl-Hass-Bubble, habe vergessen, wie der Satz anfing.“
       Twitter-User*innen diskutieren oft – nicht ganz ernst gemeint – über das
       viel gehasste Kleinstgemüse.
       
       Eine Userin scshreibt: „Hallo Polizei, ich schreib dir, weil unsere
       Deutschlehrerin uns den Auftrag erteilt hat, das kleine ACAB zu üben.“ Auf
       der Postkarte steht „Schätzungsweise jährlich 12.000 rechtswidrige
       Übergriffe durch euch.“ Datum: 13. 12. 2020, Adresse: FCK CPS.
       
       In der Nacht zum Donnerstag schwappte die Netzdebatte dann ins
       Offline-Leben. Die Plakatwand der Roten Flora war erst am Wochenende von
       der Polizei übermalt worden, nachdem dort ein brennendes Polizeiauto mit
       dem Titel „The Kids are alright“ zu sehen war – eine Anspielung auf die
       Krawalle in Stuttgart und den USA. Auch in der Vergangenheit [3][hatte die
       Polizei dort öfters unliebsame Inhalte übermalt], auf welcher
       Rechtsgrundlage, ist dabei unklar.
       
       Nun ist dort eine weitere Postkarte von „Ben“ abgebildet. „Liebe Polizei“,
       steht da, gefolgt von der üblichen Einleitung. Und weiter: „Ich finde es
       schön, dass ihr neben der ganzen Polizeigewalt & rassistischen Kontrollen
       noch Zeit findet, euch künstlerisch auszuleben. Wenn ich groß bin, will ich
       auch Maler werden.“
       
       3 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Kritischer-Polizist-ueber-Pressearbeit/!5611406
 (DIR) [2] https://twitter.com/PolizeiHamburg/status/1278247130055036929
 (DIR) [3] /Portraets-von-Spitzeln-uebermalt/!5326757
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katharina Schipkowski
       
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