# taz.de -- Schulsenator wirbt für Schulbesuch: Verstörung nach Videobotschaft
       
       > Hamburgs Schulsenator erklärt per Video, wenn Kindern langweilig sei,
       > könnten sie zur Schule gehen. Darüber sind Gewerkschaften und
       > Elternvertreter irritiert.
       
 (IMG) Bild: Zur Abholung bereit: Boxen mit Unterrichtsmaterialien in der Hamburger Grundschule Hoheluft
       
       HAMBURG taz | Um die Verbreitung des Corona-Virus zu bremsen, sind seit
       Montag Hamburgs Schulen dicht. Und es kamen tatsächlich nur eine Hand voll,
       also genauer 0,35 Prozent der 200.000 Schüler, in die Notbetreuung.
       Schulsenator Ties Rabe (SPD) ging am Dienstag in einer umstrittenen
       Botschaft darauf ein. An den Schulen sei durchaus noch etwas los, sagte er
       in einem Video-Post namens [1][„Frag den Rabe“]. Die Notbetreuung sei
       nicht nur für jene, die bei Feuerwehr oder Polizei arbeiteten, sondern „für
       alle Eltern, die das brauchen“.
       
       Und es könne schon der Fall sein, „wenn einem Zuhause vielleicht die Decke
       auf den Kopf fällt oder irgendetwas anderes passiert“, sagt der dreifache
       Vater. „Bevor die Kinder in Hamburg durch die Einkaufszentren ziehen und
       sich dort anstecken, da ist es doch in der Schule vermutlich der sicherere
       und bessere Ort. Hier gibt es im Moment keine Begrenzung.“
       
       Helge Pepperling regt das auf. Er habe das Video „verstört, ja verärgert“,
       wahrgenommen, sagt der Vorsitzende der „Lehrergewerkschaften in Hamburg“,
       kurz DLH. Denn Rabe habe die Kinder regelrecht eingeladen, als er davon
       sprach, dass die Schüler in kleinen Gruppen Lernaufgaben und
       selbstverständlich mittags auch etwas zu Essen bekämen.
       
       Ferner habe Rabe eine großzügige Obergrenze benannt, als er sagte, dass
       selbstverständlich nicht alle Schüler kommen könnten. „Wenn am Ende sogar
       doch 50 Prozent der Kinder an den Schulen sein werden, dann sind das zu
       viele. Denn wir wollen ja die Ansteckungsgefahr reduzieren.“ Aber zunächst
       einmal gelte: „Jeder, der es braucht, kann sich darauf verlassen, dass wir
       uns in den Schulen um die Kinder kümmern.“
       
       ## Gewerkschaften wollen strenge Regeln
       
       Für Pepperling klingen diese Worte wie eine „Teilöffnung“ der Schulen. Doch
       damit konterkariere Rabe die wissenschaftlichen Forderungen und „alle
       Eindämmungsversuche des Virus durch Schulschließungen“. Auch gefährde er
       die Gesundheit der Lehrer, unter denen sich auch ältere Kollegen und
       Risikopersonen befänden, für die eine Corona-Ansteckung gefährlich werden
       könne. Eine Grenze von 50 Prozent sei viel zu hoch.
       
       „Das ist ein völlig falsches Zeichen des Senators! So wird der nötige
       Schutz vor Ansteckung ad absurdum geführt“, kritisiert auch Anja
       Bensinger-Stolze, Vorsitzende des [2][Gewerkschaft Erziehung und
       Wissenschaft (GEW)]. Sie fordert, die Notbetreuung sollte eben doch nur für
       Beschäftigte, die in der Daseinsvorsorge arbeiteten, da sein. „Die
       Kindertagesstätten machen vor, wie es geht.“
       
       Beide Lehrergewerkschaften forderten Ties Rabe auf, seine Botschaft „in
       diesem Sinne richtig zu stellen“. Zudem, so Bensinger-Stolze, müsse die
       Schulbehörde Beschäftigte aus Risikogruppen von der Tätigkeit in der
       Notbetreuung ausnehmen.
       
       Auch die Elternkammer zeigte sich irritiert. Die Schüler bekämen von den
       Lehrern für Zuhause Aufgaben. „Das klappt ganz gut“, sagt Vorständler
       Thomas Koester. Das sehe er an seinen beiden Söhnen. „Es ist erstaunlich,
       wie flexibel auf einmal alles gemacht werden kann.“ Wenn jetzt viele Kinder
       wieder in die Schule kämen, sei das eine Quelle der Ansteckung.
       
       Ties Rabe selber schickte am Mittwoch eine neue Videobotschaft, in der er
       die Lehrer lobte, weil die Organisation des Heim-Unterrichts gut
       funktioniere. Doch zur Kritik am immer noch im Netz befindlichen ersten
       Post äußerte er sich nicht. Sein Sprecher Peter Albrecht verwies die taz
       auf die Homepage der Behörde. Dort werde ja appelliert, Kinder „nur in
       Notfällen zur Schule zu schicken“. Welcher Beruf „systemrelevant“ ist,
       werde von der Behörde bewusst nicht festgelegt, sagt Albrecht: „Deswegen
       gibt es an den Schulen keine Kontroll-Listen.“
       
       ## Verlängerung der Schulschließung erwartet
       
       Die Linke-Schulpolitikerin Sabine Boeddinghaus findet, Rabe habe sich
       unglücklich ausgedrückt. „Die Aufforderung, die Kinder jetzt in die Schule
       zu schicken, ist falsch.“ Richtig sei, jedoch „dass Eltern mit dem
       Betreuungsproblem nicht allein gelassen werden dürfen.“
       
       In Hamburg sind seit dieser Woche auch die Spielplätze gesperrt, anders als
       [3][in Berlin übrigens]. Die Schulschließungen werden wohl länger als zwei
       Wochen dauern. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hatte am Dienstag
       gesagt, Eltern sollten mit ihren Kindern an Alster und Elbe gehen, dort wo
       Platz sei.
       
       „Das ist weltfremd“, sagt Boeddinghaus. Wichtig sei, eine klare Ansage an
       die Arbeitgeber zu machen, damit die Eltern den Rücken frei hätten, sich um
       ihre Kinder zu kümmern.
       
       Eine ganz strenge Regelung gibt es übrigens auch bei den [4][Kitas] nicht,
       wo seit Montag ebenfalls nur eine Notbetreuung läuft, die etwa fünf
       Prozent in Anspruch nehmen. Eltern müssen einen Grund nennen, warum sie
       Notbetreuung brauchen, erklärt Sozialbehördensprecher Martin Helfrich.
       Doch weggeschickt wird auch dort keiner.
       
       19 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.youtube.com/watch?v=7CHpCxdMx7A&list=PL5LYbSLXzQs_M2OSNfz2bEVXFyc0bRzsO&index=4&t=0s
 (DIR) [2] https://www.gew-hamburg.de/themen/schule/falsches-zeichen
 (DIR) [3] /Berlin-in-Zeiten-von-Corona/!5672347
 (DIR) [4] /Kinderbetreuung-in-Norddeutschland/!5668617
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
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