# taz.de -- „Socialism in our Times“-Konferenz: Friede den Hütten, Krieg den …
       
       > Stadtsoziologe Andrej Holm, die Linke Katalin Gennburg und Max Zirngast,
       > KPÖ-Gemeinderat aus Graz, diskutieren die Wohnungspolitik als soziale
       > Frage.
       
 (IMG) Bild: Alte Frage, immer wieder neu diskutiert: wem gehört die Stadt? Hier Berlin vom Fernsehturm aus
       
       BERLIN taz | „Die Wohnungspolitik ist eine der sozialen Fragen unserer
       Zeit“. Mit diesen einleitenden Worten eröffnete Moderatorin Ines
       Schwerdtner die Podiumsdiskussion „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“
       am Samstagvormittag. Im Rahmen der zweitägigen „[1][Socialism in our
       Times“-Konferenz], die von der [2][deutschsprachigen Ausgabe des Jacobin
       Magazins] organisiert wurde, diskutierten der Stadtsoziologe Andrej Holm,
       die Linken-Abgeordnete und Sprecherin für Stadtentwicklung Katalin Gennburg
       sowie der Grazer KPÖ-Gemeinderat Max Zirngast die Frage, wie sich eine
       sozialistische Wohnungspolitik erreichen lässt?
       
       Wie drängend die Wohnungsfrage ist, zeigte sich auch in der regen
       Beteiligung des Paneels. Nachdem alle Sitzplätze besetzt waren, nutzten die
       Teilnehmer:innen der ausverkauften Konferenz den Boden und die
       Fenstersimse als Sitzgelegenheit.
       
       „Wohnen ist für das Kapital interessant geworden“, erklärt Holm die
       Ursachen für die sich verschärfende Situation am Wohnungsmarkt. Durch die
       Finanzialisierung des Wohnungsmarktes seien Immobilien zu Anlageobjekten
       geworden, von denen die Investor:innen die höchstmögliche Rendite
       erwarten. Die Folge seien Spekulation und Verdrängung, so Holm.
       
       Katalin Gennburg fügt hinzu, dass diese mit der Finanzkrise eingesetzte
       Finanzialisierung erst durch jahrzehntelange Deregulierung des
       Wohnungsmarktes seitens der Politik ermöglicht wurde. Daran sei auch die
       Linkspartei beteiligt gewesen, die Anfang der 2000er Jahre zugestimmt
       hatte, große Teile des Berliner Wohnungsbestandes zu privatisieren. „Es
       geht auch um eine Wiedergutmachung der Wohnungsverkäufe“, stellt
       Linken-Abgeordnete Gennburg selbstkritisch fest.
       
       ## Für Graz als auch für Berlin
       
       Darüber, wie eine sozialere Wohnungspolitik aussehen könnte, herrschte im
       Podium weitestgehend Konsens: „Wir brauchen mehr kommunalen Wohnraum, damit
       wir das Wohnen dem Markt entziehen“, fasste [3][Zirngast] den Konsens des
       Podiums zusammen, der sowohl für das österreichische Graz, als auch für
       Berlin gilt.
       
       Die staatliche Kontrolle sozialer Infrastrukturen wie des Wohnraums sei der
       vielversprechendste Ansatz für die Lösung der Wohnungsfrage, stimmte auch
       Stadtsoziologe Holm ein. Für wenig aussichtsreich hält er rechtliche
       Steuerungsinstrumente wie den Mietendeckel. „Rechtliche Instrumente, die
       entgegen privaten Interessen durchgesetzt werden, provozieren immer eine
       Gegenreaktion“, argumentierte Holm – und wies auf die deutlich verminderte
       Zahl der Wohnungsangebote während der Dauer des Mietendeckels hin.
       
       Ebenfalls ungenügend seien finanzielle Ansätze wie Wohngeld und staatliche
       Förderung von Sozialwohnungen, die einerseits kaum Steuerungswirkung hätten
       und anderseits eine indirekte Subventionierung der Immobilienwirtschaft
       darstelle, so Holm.
       
       „Langfristig wird es darum gehen, die Art und Weise der Wohnraumversorgung
       grundsätzlich zu verändern“, schlussfolgerte Holm. Dementsprechend
       hoffnungsvoll blickten die Podiumsteilnehmer:innen auf den
       Volksentscheid „[4][Deutsche Wohnen & Co enteignen“], der die
       Rekommunalisierung großer Teile des Berliner Wohnungsmarktes in greifbare
       Nähe rückt.
       
       Darüber, dass es bis zur einer Umsetzung des Volksentscheids noch ein
       steiniger Weg ist, machte sich keiner der Teilnehmer:innen Illusionen.
       „Giffey hat sich die Immobilienlobby direkt ins Rote Rathaus geholt“,
       verdeutlichte Gennburg die politischen Widerstände, die in der aktuellen
       Koalition bestehen.
       
       ## Ausdauer und Hartnäckigkeit
       
       Zirngast, dessen KPÖ jüngst in Graz einen historischen Sieg erringen konnte
       und nun mit Elke Kahr die Bürgermeisterin stellt, wies darauf hin, dass es
       vor allem nahen Kontakt mit den Bürger*innen und einem langen Atem
       benötigt, um politisch erfolgreich zu sein: „Ihr braucht Ausdauer und
       Hartnäckigkeit, mit einem Volksentscheid allein ist es nicht getan.“
       
       Zirngast berichtet, dass der Erfolg der kommunistischen Partei in Graz vor
       allem dem wohnungspolitischen Engagement zu verdanken sei, mit dem die
       Partei beispielsweise die Privatisierung des kommunalen Wohnungsbestandes
       durch wiederholtes Unterschriftensammeln verhinderte.
       
       Auch Holm sieht in einem kontinuierlichen Zusammenspiel von Protest und
       parteipolitischer Arbeit einen Weg, den Volksentscheid zum Erfolg zu
       führen. „Es gibt noch kein Transformationsbündnis zwischen Partei und
       Bewegung.“
       
       12 Jun 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://socialism.berlin/
 (DIR) [2] https://jacobin.de/
 (DIR) [3] https://www.graz.at/cms/beitrag/10379837/7768635/Gemeinderat_Max_Zirngast_BA_KPOe.html
 (DIR) [4] /Enteignungskommission-hoert-Expertinnen/!5856870
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jonas Wahmkow
       
       ## TAGS
       
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 (DIR) Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
       
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