# taz.de -- Spartaner-Partei in Griechenland: „Wir sind Nationalisten“
       
       > Bei der jüngsten Wahl ist die Partei Spartaner auf Anhieb ins griechische
       > Parlament eingezogen. Ein Besuch am rechten, verschwörungstheoretischen
       > Rand.
       
       SPARTA taz | Vor seinem kleinen Souvenirgeschäft an der Hauptstraße von
       Sparta steht Panagiotis Bebetsos – 54, schütteres Haar, schmächtige Figur.
       Unübersehbar trägt er ein schwarzes Kreuz um seinen Hals, das weiße Hemd
       ist aufgeknöpft. Bei der [1][Wahl in Griechenland Ende Juni] trat Bebetsos
       als der einzige Kandidat der Spartaner in diesem Wahlkreis an. Die
       ultrarechte Partei schaffte landesweit mit knapp 4,7 Prozent den Sprung
       über die geltende Dreiprozenthürde und zog so erstmals ins Parlament in
       Athen ein. In Bebetsos’ Wahlkreis holte die Partei sogar stattliche 8,2
       Prozent der Stimmen – beinahe doppelt so viele wie im Rest Griechenlands.
       
       Dabei kannte bis Ende Mai kaum jemand die Partei, selbst die in Sparta
       lebenden Griechen nicht – und auch Bebetsos nicht. Gemeinsam mit seinen
       etwa gleichaltrigen Kumpels Georgios Dimakogiannis und Fondas Angelopoulos
       möchte er erzählen, was ihn antreibt, was die Spartaner antreibt.
       
       Doch zuerst wird ein Gruppenfoto vor dem Denkmal von Leonidas gemacht –
       Spartas berühmtem König, der 480 vor Christus in der historischen Schlacht
       bei den Thermopylen in Heldenmanier gegen die übermächtigen Perser kämpfte.
       Dann geht es flugs in ein nahes Café, um der [2][brütenden Sommerhitze, die
       Griechenland dieser Tage einhüllt], zu entkommen.
       
       Angekommen in der angenehmen Kühle erzählt Bebetsos sichtlich stolz: Er sei
       Psalmsänger in der Kirche. Und: „Ich glaube an das Triptychon ‚Vaterland,
       Religion, Familie‘. Das ist das Fundament der europäischen Zivilisation.“
       Seine Augen funkeln.
       
       ## Im „patriotischen Raum“ unterwegs
       
       Plötzlich wirkt der kleine Mann so kämpferisch, als wäre er gerade mit
       einer Zeitmaschine 2.500 Jahre zurückkatapultiert worden, als stände er
       Seite an Seite mit dem Kriegsherrn Leonidas den Persern gegenüber. Mit
       ganzer Kraft wolle er „Widerstand gegen die Veränderung“ Europas leisten.
       
       Bebetsos ist schon lange im „patriotischen Raum“ aktiv, wie er das Spektrum
       rechts der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) nennt. Zuerst
       in der „Volksorthodoxen Sammlungsbewegung“ (LA.O.S.), für diese ließ er
       sich sogar zur Wahl aufstellen. Doch dann folgte die Finanz- und Eurokrise,
       die Griechenland besonders hart traf. Für das Gros der Griechen war das
       eine tiefe Zäsur, auch für Bebetsos.
       
       Ein herber Schlag, erzählt er, sei es für ihn gewesen, als der Chef seiner
       LA.O.S.-Partei Ende 2011, auf dem ersten Höhepunkt der Krise in
       Griechenland, entschied, sich an einer Dreiparteienregierung in Athen zu
       beteiligen – ausgerechnet mit den Bebetsos’ verhassten Altparteien ND und
       der sozialdemokratischen Pasok. Bebetsos zog rasch die Reißleine: Mit
       LA.O.S. wollte er fortan nichts mehr zu tun haben. So blieb der gebürtige
       Spartaner parteilos – bis er nur ein paar Tage vor dem Urnengang im Juni
       auf die Partei Spartaner aufmerksam wurde.
       
       Sein Kumpel Angelopoulos erinnert mit seinem Fu-Manchu-Schnurrbart an das
       Wrestler-Idol Hulk Hogan. Früher habe er die ND gewählt, erzählt er. Schnee
       von gestern. Der Parteiname Spartaner spreche ihn an – eine Erinnerung an
       große Zeiten. Außerdem sei er von Vassilis Stigas überzeugt, dem Gründer
       und Parteichef der Spartaner, erzählt er.
       
       ## Die Personalie Kasidiaris birgt Zündstoff
       
       Georgios Dimakogiannis ist der dritte im Bunde. Mit seinem schlohweißen
       Bart und markanten Kopf sieht er aus wie Zeus. Wie sein Freund Bebetsos sei
       er zunächst in der LA.O.S.-Partei gewesen, erklärt er. Frustriert über
       deren Kurswechsel während der Eurokrise sei er zur damals stürmisch
       aufstrebenden ultrarechten Goldenen Morgenröte gewechselt. Bei den beiden
       Parlamentswahlen 2015 kandidierte er für die Morgenröte. Dass er nun für
       die Spartaner eintrete, habe neben dem Parteinamen – „der lässt keinen
       Griechen unberührt“ – und Parteiführer Stigas noch einen dritten Grund:
       Ilias Kasidiaris.
       
       Die Personalie Kasidiaris, der selbst gar kein Mitglied der Spartaner ist,
       birgt gehörige Brisanz. Kasidiaris gehörte zur Führungsriege der
       berüchtigten Goldenen Morgenröte. Nach dem Mord an einen linken
       HipHop-Sänger verbüßt er für die Bildung einer kriminellen Organisation mit
       seinen ehemaligen Weggefährten eine langjährige Haftstrafe. Seine 2020
       gegründete nationalistische Partei Ellines (Griechen) [3][wurde von den
       jüngsten Wahlen per Gerichtsbeschluss ausgeschlossen].
       
       Kasidiaris kündigte etwa zwei Wochen vor dem Urnengang im Juni an, er werde
       seine Stimme den Spartanern geben. Ferner rief er seine Anhänger in ganz
       Griechenland dazu auf.
       
       Prompt vereinten die Spartaner, die bis dahin kaum jemand auf dem Schirm
       hatte, bei ihrer Wahlpremiere fast eine viertel Million Stimmen auf sich.
       Die Athener Analysten sind sich einig: Ohne Kasidiaris’ Wahlempfehlung
       hätten Stigas’ Spartaner diese hohen Anzahl an Stimmen niemals erreicht.
       
       ## Parteichef Stigas empfängt mit Spartanerhelm-Anstecknadel
       
       Dimakogiannis erzählt: Er kenne Kasidiaris, der ebenfalls aus dem Umland
       des auf der Halbinsel Peloponnes gelegenen Spartas stammt, persönlich.
       Seine Inhaftierung sei schlicht ein Unding, ätzt er. „Nationalismus wird
       strafrechtlich verfolgt. Das verstehen wir nicht.“ Panagiotis und Fondas,
       die beiden anderen des Spartaner-Trios, nicken.
       
       Gebetsmühlenartig betonen sie: „Wir sind weder Mörder noch Nazis oder
       Faschisten. Wir sind Nationalisten.“ Kasidiaris seien sie dankbar.
       Unverhohlen, fast trotzig, sagen sie: „Wir brauchen uns nicht dafür zu
       rechtfertigen, dass wir ihn unterstützen.“
       
       Das sieht Spartas Parteichef Stigas genauso: „Die Wahlempfehlung von
       Kasidiaris war für uns ein Auftrieb. Dafür habe ich ihm zu danken“, sagt er
       unverblümt. Stigas – perfekt sitzender Anzug, karierte Krawatte, eine
       Anstecknadel mit einem goldfarbenen Helm der antiken Spartaner ans Revers
       geheftet – empfängt die taz zum Gespräch im Parlament in Athen. Gerade erst
       hat er sein kleines Büro im zweiten Stockwerk der ehrwürdigen Boule der
       Hellenen bezogen. Noch herrscht etwas Unordnung.
       
       Der Geschäftsmann ist in der Stadt Livadia geboren, unweit des antiken
       Schlachtfelds der Spartaner bei den Thermopyplen. Der Vater und Großvater
       betreibt in Athen eine Produktionsstätte für tiefgekühlte Lebensmittel. Er
       zähle zur Mittelschicht, sei genügsam, verfüge über keinerlei
       Vermögenswerte. „Das Wenige reicht mir, so wie es die Spartaner vorgelebt
       haben“, sagt er.
       
       ## Lebensmittel, Kleidung, Geld – „nur an Griechen“
       
       In jungen Jahren trat Stigas der ND bei, folgte später einem ND-Rechtsaußen
       in dessen Splitterpartei, bevor er zur LA.O.S.-Partei wechselte. Mitten in
       der Griechenlandkrise gründete Stigas eine Solidarhilfe für in Not geratene
       Menschen, die er Spartaner nannte. „Wir haben Lebensmittel, Kleidung,
       Schuhe und etwas Geld verteilt – aber nur an Griechen“, hebt er hervor.
       
       Am 5. Dezember 2017 gründet er schließlich die Partei Spartaner. Den
       Parteinamen habe er ganz bewusst gewählt – aus historischen Gründen. Das
       „Epos der Spartaner“ bei den Thermopylen sei für ihn eine „Hymne des
       Widerstands und des unerschütterlichen Kampfes um die Freiheit“.
       
       Griechenland stecke im 14. Jahr einer Finanz- und Wirtschaftskrise fest,
       lautet Stigas’ triste Bestandsaufnahme seines Landes. Die griechische
       Staatsschuld steige statt zu sinken, die Privatschulden seien in die Höhe
       geschnellt. „Der ökonomische Druck auf die Griechen ist gewaltig“, so
       Stigas.
       
       Sein Gegenprogramm: Alle illegalen Einwanderer in Griechenland, die Stigas
       auf etwa vier Millionen Menschen beziffert, seien in ihre Herkunftsländer
       zurückzuführen – „geplant und gut organisiert“. Homosexualität sei Stigas
       zufolge „eine persönliche Sache“, „kein nachahmenswertes Vorbild für
       andere“. Auf Nachfrage wird er konkreter: Küssten sich Menschen des
       gleichen Geschlechts im öffentlichen Raum, sei dies mit einer Geldstrafe zu
       ahnden.
       
       ## Stigas wettert gegen Klaus Schwab und George Soros
       
       Für ihn und die Spartaner sei das Nachbarland Türkei zudem der „ewige Feind
       Griechenlands“. Hätte er das Oberkommando der griechischen Streitkräfte,
       würde er die Rückgewinnung der alten griechischen Siedlungsgebiete in der
       heutigen Türkei anordnen. Dies sei schon alleine wegen der Invasion der
       türkischen Streitkräfte in den Norden der Republik Zypern im Sommer 1974
       legitim, so Stigas. Die Regierung in Ankara müsse wissen: „Wir Griechen
       haben nichts wegzugeben. Wir haben Forderungen an die Türkei.“
       
       Stigas, ein glühender Nationalist in bürgerlichem Gewand, ist ein
       energischer Verfechter der Hufeisentheorie, Kommunisten und Nazis setzt er
       gleich. Auch Verschwörungstheorien hängt er an: Ob es um den Chef des
       Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, oder um den US-amerikanischen Investor
       George Soros geht: Ideologische Gegner seien für ihn die Kräfte, die „eine
       neue Weltordnung“ anstrebten. Ein rotes Tuch für Stigas sei außerdem die
       „kosmopolitische internationalistische Linke“, wie er sie nennt. Verbündete
       sieht er in Italiens Premierministerin Giorgia Meloni sowie Ungarns
       Ministerpräsident Viktor Orbán.
       
       Stigas zufolge sei unter dem alten und neuen Premier Kyriakos Mitsotakis
       die Regierungspartei ND nach links gerückt.“ Sie zähle zu den „Verrätern“,
       die nur eines im Sinn hätten: als „Befehlsempfänger von Fremdherrschern“
       Griechenland „zu verkaufen und zerstören“. „Wir wollen die Griechen einen“,
       sagt er. Nur knapp fünf Prozent der Wählenden teilen seinen Wunsch.
       
       1 Aug 2023
       
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