# taz.de -- Streit im E-Bike-Sport: Radfahren schwer gemacht
       
       > Alles könnte so leicht sein: E-Bikes sind interessante Sportgeräte und
       > beliebt. Unklar ist aber, wer sie auf Rennstrecken fahren darf.
       
 (IMG) Bild: Geht in Flip-Flops aber auch mit Radschuhen: E-Bike fahren
       
       BERLIN taz | E-Bikes sind im Kommen. Auf den Straßen sieht man immer mehr
       Menschen, die in unangestrengter Körperhaltung an konventionellen
       Rennrad-Aficionados, die keine Zusatzleistung im oder am Rahmen installiert
       haben, vorbeiziehen. Die Industrie freut sich über einen boomenden Markt.
       [1][Knapp jedes vierte aller neu verkauften Fahrräder im Jahr 2018 in
       Deutschland war bereits ein E-Bike.] Knapp eine Million E-Bikes sind das in
       absoluten Zahlen.
       
       Immerhin 4,5 Millionen der insgesamt 75,5 Millionen Fahrräder in deutschen
       Haushalten sind Pedelecs, verfügen also über 250 Watt Zusatzleistung. An
       Zusatzpower ist das eine ganze Menge. Tour-de-France-Fahrer müssen bei den
       langen Anstiegen etwa 450 Watt aufbringen, um die Chance auf einen vorderen
       Platz zu haben. 250 Watt mehr, klug eingesetzt auf den freilich viel
       schwereren E-Rädern, könnten Hobby-Radlern also bergauf ein Froome-Gefühl
       verleihen.
       
       Das Potenzial der batteriegetriebenen Zweiräder hat sich inzwischen auch
       bei den Sportverbänden herumgesprochen. Der Weltradsportverband UCI
       veranstaltet im August erstmals die „UCI E-Mountain Bike World
       Championships“. Früher aufgestanden ist der Motorradsport-Weltverband FIM.
       
       Bereits für den Juni plant er im französischen Privas den „FIM E-Bike
       Enduro World Cup“. Der wird in zwei Klassen ausgetragen: der E1-Klasse mit
       Motoren, die 250 Watt Leistung bringen und bis zu einer Geschwindigkeit von
       45 km/h unterstützen, und der E2-Klasse, bei der die 250 Watt-Motoren
       bereits bei 25 km/h gedrosselt werden.
       
       ## Radsportverband droht Athleten mit Sanktionen
       
       Das hat einen Streit der Weltverbände ausgelöst. Denn die UCI beansprucht
       alle Rennen [2][mit den auf 25 km/h gedrosselten Pedelecs] für sich. „Die
       UCI war unangenehm überrascht von der Ankündigung des
       Motorradsportverbandes FIM, den FIM E-Bike Enduro World Cup auszutragen.
       Dafür gibt es keine regulatorische Basis.
       
       Die UCI sieht sich in der ausschließlichen Verantwortung für
       E-Mountainbike-Wettkämpfe. Chenaille baute im Verbandskampf auch gleich
       eine Drohkulisse auf: „Die UCI betrachtet alle Wettkämpfe, die rechtlich
       unter ihre Hoheit fallen, die aber im Rennkalender der FIM oder von deren
       nationalen Verbänden gelistet sind, als ‚verbotene Wettkämpfe‘. Jeder
       Athlet mit UCI-Lizenz muss daher mit Sanktionen rechnen.“
       
       Sportler also, die eine UCI-Lizenz als Mountainbiker gelöst haben und auch
       schon mit E-Mountainbikes unterwegs sind, riskieren den Ausschluss, wenn
       sie an Rennen der Konkurrenz teilnehmen. Sollten Verbände nicht eigentlich
       für Sportler da sein und nicht gegen sie? Ein seltsames
       Geschäftsverständnis. Von der FIM kam trotz mehrfacher Nachfrage keine
       Reaktion.
       
       ## Wie sich die Verbände selbst ins Abseits stellen
       
       Während die Verbände streiten, gehen die E-Biker längst eigene Wege.
       Bereits im letzten Jahr gab es Weltmeisterschaften und Deutsche
       Meisterschaften (DM) im E-Mountainbike. Immerhin etwa 80 Teilnehmer hatte
       die WM, um die 60 die DM. Sie wurden unabhängig von den Verbänden
       ausgetragen.
       
       „Wir sind komplett verbandsfrei. Und wir pflegen das seit weit über 20
       Jahren und machen unsere eigenen Reglements. Wir sind in der Regel viel
       schneller als die Verbände“, sagt Hubert Stanka, Vorsitzender der Offroad
       Association International (OAI).
       
       Die Vereinigung richtete die DM im E-Bike aus, organisiert die
       Enduro-One-Serie für konventionelle Mountainbikes und ist mit der Deutschen
       Cross Country Meisterschaft auch im Motorradsport dabei. Stanka kennt also
       alles: muskelgetriebene Rennmaschinen, solche mit Verbrennungsmotor und
       auch das Zwischending mit den E-Motoren.
       
       ## Ein ganz neuer Sport
       
       Den Streit der internationalen Verbände findet er absurd. „Auf nationaler
       Ebene haben sich der Bund Deutscher Radfahrer und der Deutsche Motor Sport
       Bund ja scheinbar geeinigt. Da will der BDR die klassischen Pedelecs, also
       bis 25 km/h, unter sich haben und der Motorsportbund alles mit E-Motor, was
       darüber hinausgeht“, konstatiert er.
       
       BDR-Vizepräsident Peter Koch bestätigte diese Regelung. Koch gab aber auch
       zu, dass der BDR noch Zeit braucht, eigene, also offizielle Deutsche
       Meisterschaften im E-Bike auszurichten. 2020 nannte er als Ziel.
       
       „Man soll den BDR auch nicht überfordern. Es hat ja schon ziemlich lange
       gedauert, bis sie die Deutsche Meisterschaft im Enduro hinbekommen haben“,
       sagt André Kleindienst. Der Mountainbiker gewann im letzten Jahr die
       verbandsfreie DM der E-Biker.
       
       ## Auch das Bremsen will gekonnt sein
       
       Dem Treten mit E-Motoren kann er sportlich durchaus etwas abgewinnen. „Vor
       allem bergauf macht es Spaß. Im Flachen hingegen spürst du das Gewicht der
       Maschine, die ja viel schwerer als die normalen Räder ist. Wenn dann bei 25
       km/h der Motor abschaltet, musst du gehörig treten“, meinte er. Nach einem
       E-Bike-Ritt ist Kleindienst ähnlich geschafft wie nach einem Ritt mit einem
       normalen Moutainbike.
       
       Das bestätigt auch Jochen Käß. Der frühere Mountainbike-Profi wurde
       E-Bike-Weltmeister im letzten Jahr und Dritter der Deutschen
       Meisterschaften. „Es ist ein ganz neuer Sport. Du musst die optimale
       Trittfrequenz finden, damit der Motor richtig arbeiten kann. Die 8 bis 15
       kg Gewicht mehr musst du händeln können, vor allem auf der Abfahrt musst du
       es herunterbremsen können“, meint Käß.
       
       Ein Problem sieht er in der Chancengerechtigkeit der Sportler. Zwar gibt es
       Kontrollen der Motoren. Bei den Deutschen Meisterschaften etwa setzte sich
       ein Kontrolleur auf die Maschinen und überprüfte, bei welcher
       Geschwindigkeit der Motor dann aussetzte. Zwei Teilnehmer wurden so
       disqualifiziert. Käß glaubt aber, dass noch weitere im Rennen waren, deren
       Motoren jenseits der 25 km/h noch unterstützten.
       
       ## Der Akku als Spannungsfaktor
       
       Denn das Tuning mit den sogenannten Dongles ist denkbar einfach. Steckt man
       ein Dongle auf, wird an den Motor eine geringere Geschwindigkeit gemeldet,
       als tatsächlich gefahren wird. Der Motor dreht also munter weiter.
       „Unterschiedliche Einstellungen im Motoren-Set-up wie Normal, Eco oder
       Turbo können mit Tastenkombinationen in Sekundenschnelle geändert werden“,
       erklärt Käß. Vor der Kontrolle schnell auf Normal gestellt, im Rennen dann
       auf Turbo umgeschaltet – so sieht ein ganz simples Betrugsszenario aus.
       
       Hier die richtigen Kontrollprozeduren zu entwickeln, ist auch ein Grund für
       das Zögern des BDR bei der Organisation von E-Bike-Wettkämpfen. „Wir sind
       hier mit den Herstellern im Gespräch, um Lösungen zu finden. Allein können
       wir das nicht leisten“, sagte Vizepräsident Koch.
       
       Weltmeister Käß hat dazu zwei simple Vorschläge: „Man müsste die gleiche
       Software auf alle Maschinen draufspielen. Und die Rennstrecken müssen
       schwerer werden, so schwer, dass die Akku-Laufzeit zum limitierenden Faktor
       wird.“ Pragmatisch und vielversprechend. Denn wenn einer Turbo fährt, ihm
       nach der Hälfte der Strecke aber der Saft ausgeht, kann er sich danach nur
       tretend vorwärtsbewegen.
       
       ## Giro E – eher Radtourismus
       
       Ein Auge auf den E-Bike-Sport haben auch schon die großen Rennveranstalter
       im Straßenradsport geworfen. Tour-Organisator ASO richtet das Woodstock
       aller Moutainbike-Events aus, das Roc d’Azur in Frejus. „Dort hatten wir im
       letzten Jahr erstmals 200 Anmeldungen für ein extra E-Bike-Rennen. In
       diesem Jahr geben wir 600 Plätze frei“, erzählt ASO-Manager Vivien Hocquet.
       
       Und Giro-Organisator RCS rief im letzten Jahr den Giro E ins Leben. Auch
       2019 wird er ausgetragen. Auf 18 der 21 Giro-Etappen fahren sechsköpfige
       Teams auf E-Bikes eine verkürzte Strecke ab und kommen etwa anderthalb
       Stunden vor den Profis ins Ziel. „Es ist kein Wettkampf, sondern eine Form
       von Radtourismus“, beschreibt RCS-Manager Paolo Bellino das Event.
       
       „Wir machen das, um E-Bike-Projekte generell zu unterstützen. Denn das ist
       die Zukunft der Mobilität“, begründet er das Engagement.
       
       Straßenrennen mit E-Bikes schließen er wie auch ASO-Vertreter Hocquet in
       naher Zukunft zwar aus. Beide betonen aber das Potenzial. „Sicher ist, dass
       die Entwicklung der E-Bikes zum Nachdenken über neue Formate in der Zukunft
       führen wird“, meinte Hocquet.
       
       Und alle Veranstalter, und mit ihnen die Sportler, hoffen, dass die
       Verbände sich auf verlässliche regulatorische Grundlagen einigen können.
       Schaffen sie dies nicht, könnte die Dynamik sie ganz schnell ins Abseits
       bugsieren: mit verbandsfreien Meisterschaften allerorten.
       
       Wenn das dann noch die Rennställe im Straßenradsport mitbekommen, dass
       Rennserien ganz ohne einen Verband möglich sind, dürfte das Treiben auch im
       nicht motorunterstützten Radsport erst richtig wild werden.
       
       5 May 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Entwicklung-auf-dem-Fahrradmarkt/!5491066
 (DIR) [2] /Wie-Fahrraeder-zu-Pedelecs-werden/!5280203
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tom Mustroph
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Radsport
 (DIR) E-Bikes
 (DIR) Radsportverband
 (DIR) Elektrofahrrad
 (DIR) Mountainbike
 (DIR) Radsport
 (DIR) Leihräder
 (DIR) E-Bikes
 (DIR) Elektromobilität
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Mit dem Elektromotor in den Alpen: Die Formel 1 der Bergradler
       
       Stau und zähfließender Verkehr zwischen Watzmannhütte und Gipfelkreuz:
       Elektrisch verstärkte Mountainbikes erobern die Alpen.
       
 (DIR) Mit dem E-Bike auf den Berg: Lift unterm Hintern
       
       Natursportler haben einen neuen Feind ausgemacht: elektrisch betriebene
       Mountainbikes. Sie erregen Unmut und verursachen Unfälle.
       
 (DIR) Radfahren beim Giro d'Italia: Die Abfahrt wie eine Schanze nehmen
       
       Primoz Roglic führt den Giro d’Italia an. Vor zwölf Jahren war der Radprofi
       aus Slowenien noch Juniorenweltmeister – im Skisprung.
       
 (DIR) Untersuchung von Stiftung Warentest: Mangelhafte Sicherheit bei Leihrädern
       
       Verschiedene Bikesharing-Anbieter wurden auf Verkehrssicherheit und
       Datenschutz überprüft. Die Ergebnisse lassen zu wünschen übrig.
       
 (DIR) Verkehrsexperte über E-Bikes und Scooter: „Es wird enger auf den Radwegen“
       
       Bald dürfen E-Tretroller in Deutschland fahren, Millionen E-Bikes sind
       schon unterwegs. Breitere Wege sind nötig, sagt Rainer Hauck vom
       Verkehrsclub Deutschland (VCD).
       
 (DIR) Ingenieur über E-Autos in Deutschland: „In fünf Jahren selbstverständlich“
       
       Vollzieht sich die Wende der deutschen Autoindustrie zur E-Mobilität? Der
       Dieselskandal hat als Beschleuniger gewirkt, sagt der Elektropionier Felix
       von Borck.