# taz.de -- Streit um Klima-Bilanz der A26: Der wahre Preis der Autobahn
       
       > Die Planer der A26 haben jetzt auch den Klimaeffekt einer neuen Autobahn
       > in Hamburg ermittelt. Umweltverbände bezweifeln die Berechnung.
       
 (IMG) Bild: Anhaltender Protest: Mitglieder von Nabu und BUND bei einer Kundgebung im Mai 2020 in Hamburg
       
       HAMBURG taz | Der Klimaschutz hat jetzt auch den Autobahnbau erreicht.
       Nachdem das Klimaschutzgesetz des Bundes auf Veranlassung des
       Verfassungsgerichts nachgebessert werden musste, sahen sich auch die Planer
       der Autobahn A26 im Hamburger Süden genötigt, ein Kapitel zum Klimaschutz
       zu verfassen.
       
       Anders als von den Umweltverbänden Nabu und BUND kritisiert,
       berücksichtigen die Planer dabei auch das Kohlendioxid (CO2), das beim Bau
       der aufwendigen Autobahn in die Atmosphäre entlassen wird und dort das
       Klima anheizt. Dieser Anteil fällt – verglichen mit dem späteren Verkehr
       auf der Autobahn – bescheiden aus.
       
       Die [1][A26 soll einmal Stade im Alten Land mit der A7 und der A1 im Süden
       Hamburgs verbinden]. Bereits im Bau ist der Abschnitt von Stade zur A7 und
       damit zum Hamburger Elbtunnel. Er soll den Pendlern und Anwohnern der
       unfallträchtigen Bundesstraße 73 sowie des Alten Landes das Leben
       erleichtern.
       
       Auf Hamburger Gebiet verläuft sie als „Hafenpassage“ zwischen den
       Stadtteilen Wilhelmsburg und Harburg, ein Teil davon auf Stelzen,
       anderthalb Kilometer in einem Tunnel. Sie soll den Lastern freie Bahn
       verschaffen, die sich bisher auf der Köhlbrandbrücke stauen, über die B73
       durch Harburg rollen oder sich auf Nebenstraßen durch den Hafen quälen.
       
       Nabu und BUND haben den rot-grünen Hamburger Senat aufgefordert, auf eine
       weitere Autobahn im Stadtgebiet zu verzichten. Angesichts der veränderten
       Rahmenbedingungen seien die Pläne nicht mehr zeitgemäß, stellen die
       Verbände im Zusammenhang mit ihrer gemeinsamen 100-seitigen Stellungnahme
       zur A26 Ost fest.
       
       Die Umweltverbände beziehen sich auf das [2][Klimaschutzurteil des
       Bundesverfassungsgerichts] vom 28. April 2021. Darin erlegten die Richter
       dem Bund und den Ländern auf, ihr Klimaschutzgesetz nachzuschärfen, weil es
       zu wenig ambitionierte Emissionsminderungsziele festlege. Die
       Einschränkungen, die nötig seien, um das [3][Pariser Klimaziel von 1,5 Grad
       zu erreichen], würden in unverhältnismäßiger Weise den nach 2030 Lebenden
       aufgebürdet.
       
       „In der Antarktis wurden vergangene Woche Temperaturen gemessen, die mehr
       als 30 Grad Celsius über den Normalwerten liegen und wir müssen hier
       ernsthaft darüber diskutieren, ob in Hamburg noch eine massiv CO2-intensive
       Autobahn gebaut werden soll“, ärgert sich der Nabu-Landesvorsitzende Malte
       Siegert. Angesichts der veränderten Rechtsprechung sei es verheerend, dass
       die Deges die beim Bau der Autobahn entstehenden Treibhausgasemissionen
       nicht berücksichtige.
       
       An dieser Stelle tun Nabu und BUND den Planern allerdings unrecht. [4][Die
       Deges, die die A26 im Auftrag der Autobahngesellschaft des Bundes baut],
       hatte ihre [5][Planunterlagen im September 2021 nachgebessert und um ein
       Kapitel zum Klimaschutz ergänzt]. In dem Erläuterungsbericht ist die Rede
       davon, dass auch baubedingte Emissionen berücksichtigt würden – versehen
       mit einem allerdings irreführenden Hinweis auf das [6][Methodenhandbuch zum
       Bundesverkehrswegeplan], in dem nur von „Ersatzinvestitionen, den
       Restinvestitionen, der Streckenunterhaltung und dem Betrieb“ die Rede ist.
       
       Eine Fußnote im Methodenhandbuch verweist dann auf eine [7][Studie der
       Forschungseinrichtung Öko-Institut für das Umweltbundesamt]. Das Institut
       hat 2014 ermittelt, wie viele Treibhausgase beim Betrieb von Straßen,
       Schienen und Wasserstraßen entstehen, bei deren Bau und Unterhaltung, beim
       Bau und der Wartung der Fahrzeuge sowie durch den Verkehr.
       
       Das Öko-Institut vergleicht dabei den Treibhausgas-Ausstoß pro Person oder
       Tonne je Kilometer. Beim Pkw-Verkehr fallen der Bau und die Unterhaltung
       der Straßen einschließlich der Gewinnung und Bereitstellung der Baustoffe
       mit vier Prozent ins Gewicht, beim Straßengüterverkehr mit 19 Prozent. Die
       baubedingten Emissionen werden auf eine Lebensdauer der Straße von 60
       Jahren bezogen.
       
       Für den 1,95 Kilometer langen Abschnitt an der A26 Ost errechnet die Deges
       einen bau- und unterhaltungsbedingten Treibhausgasausstoß von 434 Tonnen
       pro Jahr. Dem stellt sie eine Einsparung von 48.599 Tonnen gegenüber, wenn
       die gesamte 9,7 Kilometer lange Autobahn einmal fertig ist.
       
       Diese Einsparung bezieht sich auf die künftige Autobahn und deren
       umgebendes Netz von Autobahnen, Bundes- und Stadtstraßen. Sie soll zustande
       kommen, obwohl der [8][tägliche Pkw-Verkehr durch die Autobahn laut
       Prognose] um zehn, der Lkw-Verkehr um elf Prozent wachsen wird.
       
       Im Erläuterungsbericht heißt es, die Einsparung werde erreicht dank
       moderner und energieeffizienter Verbrennungstechnik bei Fahrzeugen und die
       Förderung von E-Mobilität: „Damit wird der CO2-Ausstoß durch den Verkehr
       sukzessive entsprechend der zukünftigen technischen Entwicklung weiter
       sinken.“
       
       ## Zweifel an Notwendigkeit der A26
       
       Auch wenn der Bau berücksichtigt wird, bewerten Nabu und BUND die
       CO2-Bilanz der Planer als fragwürdig: Die Studie des Ökoinstituts basiere
       auf Zahlen aus dem Jahr 2008. Im Juli 2021 habe die [9][Europäische
       Kommission eine neue technische Richtlinie zur Sicherung der
       Klimaverträglichkeit von Infrastrukturprojekten] veröffentlicht. Warum sei
       diese nicht angewandt worden?
       
       Im Übrigen sei die Rechnung der Planer stark vereinfacht und werde nicht
       auf das konkrete Beispiel A26 bezogen. Auch werde darin nicht
       berücksichtigt, dass Fläche versiegelt und dabei im konkreten Fall
       Moorboden zerstört werde. Die Planer kontern das mit dem Hinweis, der
       Moorboden werde anderswo wieder eingebaut.
       
       Die Umweltverbände bezweifeln, dass die Autobahn überhaupt notwendig ist.
       Zum einen wachse der Umschlag im Hafen nicht so wie einmal prognostiziert.
       Zum anderen werde nicht berücksichtigt, dass ja auch die ans Ende ihrer
       Lebenszeit gekommene Köhlbrandbrücke ersetzt und damit die bestehende
       Haupthafenroute auf Vordermann gebracht werden soll. Der Nabu-Vorsitzende
       Siegert sieht darin eine „Doppelplanung“ – rausgeschmissenes Geld.
       
       8 Apr 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Demo-gegen-Autobahnplaene/!5774845
 (DIR) [2] /Entscheidung-zum-Klimaschutzgesetz/!5763553
 (DIR) [3] /Klimapolitik-der-Bundesregierung/!5840074
 (DIR) [4] https://www.deges.de/projekte/
 (DIR) [5] https://www.hamburg.de/bwi/np-aktuelle-planfeststellungsverfahren/15857028/a26-ost-abschnitt-6a/
 (DIR) [6] https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/G/BVWP/bvwp-methodenhandbuch.html
 (DIR) [7] https://imsva91-ctp.trendmicro.com/wis/clicktime/v1/query?url=https%3a%2f%2fwww.umweltbundesamt.de%2fsites%2fdefault%2ffiles%2fmedien%2f376%2fpublikationen%2ftexte%5f96%5f2013%5ftreibhausgasemissionen%5fdurch%5finfrastruktur%5fund%5ffahrzeuge%5f2015%5f01%5f07.pdf&umid=AE47ACE9-DB5A-4C05-B999-1C2E93D418D2&auth=09ad5f7640f0528349007a60b965c57e9a1b3246-4d929ea5800e18f43f388b331874280a9fc3979a
 (DIR) [8] https://www.hamburg.de/umweltvertraeglichkeitspruefungen-hamburg/
 (DIR) [9] https://op.europa.eu/de/publication-detail/-/publication/23a24b21-16d0-11ec-b4fe-01aa75ed71a1/language-en
       
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