# taz.de -- Streitgespräch über Klimapolitik: „2030 ist ambitioniert, ganz klar“
       
       > Muss Berlin bis 2030 klimaneutral werden? Unbedingt, sagt die Initiative
       > Klimaneustart, die einen Volksentscheid anstrebt. Unmöglich, so die
       > Grünen.
       
 (IMG) Bild: Ab Samstag kann für einen Volksentscheid Klimaneustart Berlin unterschrieben werden
       
       taz: Frau Davis, sind die Berliner Grünen für [1][Ihre Initiative
       Klimaneustart Berlin] noch Partner im Kampf gegen die Klimakrise? 
       
       Jessamine Davis: Nein – weil wir den Kampf gegen die Klimakrise als Kampf
       für die 1,5-Grad-Grenze bei der Erderwärmung betrachten. Die Grünen müssten
       anerkennen, dass das nur bis 2030 möglich ist. Im rot-grün-roten
       Koalitionsvertrag steht aber etwas anderes.
       
       Herr Graf, arbeiten [2][Ihre Partei und Klimaneustart Berlin gemeinsam] am
       gleichen Ziel? 
       
       Werner Graf: Ja, klar. Wir wollen beide den schnellstmöglichen Umbau
       Berlins zu einer klimaneutralen Stadt. Klimaschutz ist die DNA unserer
       Partei. Und den Koalitionsvertrag durften wir für diese Legislatur auch
       nicht alleine schreiben.
       
       Aber es geht ja um die [3][Umsetzung] … 
       
       Graf: Wir mussten Kompromisse schmieden. Aber wir Grüne kämpfen seit
       Jahrzehnten für Klimaschutz. Ich habe mich 1998 für den Fünf-Mark-Beschluss
       für Benzin an den Parteiständen verprügeln lassen müssen – ich habe das aus
       Überzeugung gemacht, weil das der richtige Weg gewesen wäre. Und was Berlin
       heute betrifft: Wenn es nach uns geht, würden wir überall, wo es möglich
       ist, noch eine Schippe drauf legen.
       
       Davis: Es stimmt ja, dass wir grundsätzlich am gleichen Ziel arbeiten. Es
       geht darum, die Erderwärmung so zu begrenzen, dass das Klima nicht kippt.
       Genau deswegen tun wir uns gerade schwer mit der rot-grün-roten Koalition
       in Berlin: Wir sehen einfach nicht, dass wir dieses Ziel mit der aktuellen
       Politik schaffen. Immerhin: Die Grüne Jugend ist unser Partner; sie
       unterstützt unser Ziel, Berlin bis 2030 klimaneutral zu machen.
       
       Ein Klassiker: Die Jugend ist wieder mal weiter als die Partei selbst. 
       
       Graf: Was heißt weiter? Wenn es darum geht, wann wir klimaneutral werden
       wollen, heißt die Antwort: Morgen. Aber es geht darum, wann wir es
       physikalisch schaffen. Diese Frage muss ich auch ehrlich beantworten
       können. Das ist mein Job als Politiker und meine Verantwortung den
       Berliner*innen gegenüber. Ein tolles Versprechen hilft nichts, wenn man
       es nicht einhalten kann. Von der Initiative fehlen mir da die Antworten.
       
       Was ist das Problem? 
       
       Graf: Für Berlin sind die beiden wichtigsten Bereiche beim Klimaschutz die
       Gebäude und der Verkehr. Es ist [4][nur unter härtesten Zumutungen
       möglich], sie bis 2030 klimaneutral zu bekommen.
       
       Warum? 
       
       Graf: Es wird zum einen immens teuer: Die Finanzschätzung geht beim
       Volksbegehren von einem dreistelligen Milliardenbetrag aus. Berlin hat
       gerade den Doppelhaushalt verabschiedet in Höhe von jährlich rund 37
       Milliarden Euro. Wir müssten also in den kommenden Jahren jeden Cent nur
       für Klimaschutz aufwenden – nichts mehr für Kultur, kein Geld für die
       Polizei; Bildung und Schulen machen wir dicht, kein Cent, um Mieten zu
       bezuschussen oder Sozialwohnungen zu bauen. Dagegen wäre die Umsetzung von
       Deutsche Wohnen und Co. enteignen billig.
       
       Und zum anderen? 
       
       Graf: Wir brauchen für die Dämmung der Gebäude die Handwerker*innen.
       Derzeit arbeiten – je nach Berechnung – im energetischen Bereich in Berlin
       zwischen 12.000 bis 120.000 Menschen; die schaffen eine Sanierungsquote von
       jährlich 0,8 Prozent. Wenn wir es mit 2030 ernst meinen, müssen wir
       ungefähr auf 9,5 Prozent pro Jahr hoch. Wir bräuchten also zwischen 140.000
       bis 1,2 Million Handwerker*innen, nur in diesem Bereich. Wenn ich hexen
       könnte, würde ich sie herzaubern.
       
       Davis: Das Problem des Fachkräftemangels ist seit Jahren bekannt. Seit
       Jahren! Schon lange hätte man Menschen für diese Jobs begeistern können;
       erst jetzt wird ein Programm dafür aufgelegt. Die Politik hat das Thema
       verschlafen.
       
       Graf: Entweder die Initiative nimmt die Jahreszahl 2030 selbst nicht so
       ernst oder sie hat nicht den Mut, den Berliner:innen zu sagen, was das
       dann wirklich heißt. Was passiert eigentlich, wenn wir 2030 haben und – das
       wird geschehen – die energetische Sanierung und die Wärmewende noch nicht
       hinbekommen haben? Wird dann allen, die noch keine erneuerbare Wärme
       bekommen, die Heizung abgestellt? Wir sind in Berlin auch nicht alleine:
       Wir können den ganzen öffentlichen Fuhrpark bis 2030 auf Elektro umstellen.
       Aber den Strom, den wir von außen beziehen, der muss auch grün sein. Heißt
       das, wenn wir 2030 nicht genug ökologischen Strom bekommen, dass das
       Feuerwehrauto, wenn es zum Notruf gerufen wird, nicht fahren darf?
       
       Sie sagen also: Selbst wenn es zum Volksentscheid käme und dieser
       erfolgreich wäre, könnte die Politik das Ziel 2030 nicht umsetzen? 
       
       Graf: Für mich als Politiker gilt die Frage: Geht es nur um Zielzahlen oder
       wirklich um eine handfeste Politik? Und bringt diese Debatte um diese
       Zielzahlen alleine überhaupt etwas?
       
       Davis: Uns geht es nicht um das Jahr 2030 als Selbstzweck. Uns geht es
       wirklich um das CO2-Budget. Wir möchten, dass das eingehalten wird.
       
       Graf: Aber die Initiative lässt ein Gesetz abstimmen, das 2030 verbindlich
       festschreibt und nicht das Budget. Wir dürfen den Leuten nicht vorgaukeln,
       dass durch das Gesetz auch nur eine Maßnahme für den Klimaschutz angegangen
       wird.
       
       Davis: 2030 wird ein sehr entscheidendes Jahr werden. Es hat Signalwirkung.
       Und von wegen vorgaukeln: Dann erwarten wir, dass die Politik in Berlin
       klar sagt: Wir schaffen es nicht, das 1,5 Grad-Limit einzuhalten. Weil 2045
       dafür zu spät ist.
       
       Frau Davis, Klimaneustart Berlin will schon bis 2025 rund 70 Prozent
       weniger Emissionen im Vergleich zu 1990 erreichen. Da würde das Gesetz –
       sofern 2023 ein Volksentscheid kommt und erfolgreich ist – gerade erst zwei
       Jahre gelten. 
       
       Davis: Wir glauben, dass das machbar ist, weil wir mit Expert*innen
       zusammenarbeiten. Etwa [5][Volker Quaschning] …
       
       … dem Professor für Regenerative Energiesysteme an der Berliner Hochschule
       für Technik und Wirtschaft. 
       
       Davis: Er hat Anfang Juni im Abgeordnetenhaus in der Debatte für unser
       Volksbegehren gesprochen. Auch die Energy Watch Group von [6][Hans Josef
       Fell]…
       
       … einem langjährigen grünen Bundestagsabgeordneten… 
       
       Davis: … unterstützt unsere Position. Sie hat eine Studie erstellt, wonach
       100 Prozent erneuerbare Energieerzeugung für Berlin und Brandenburg bis
       2030 möglich ist. Wir haben sehr, sehr viele Expert*innen auf unserer
       Seite.
       
       Graf: Wir sprechen hier von theoretischen Fantasiegebilden. Diese Studien
       rechnen mit immens hohen Kosten und Facharbeiter*innen, die es gar nicht
       gibt.
       
       Davis: Wenn wir jetzt nicht handeln, wird die Bewältigung der Klimakrise
       noch viel teurer. Und den Menschen muss klar sein, was noch auf sie zukommt
       – zum Beispiel, dass wir in Berlin bald Wasserknappheit haben werden. Wir
       erleben aktuell schon eine Hitzewelle und den fünften Dürresommer in Folge.
       
       Nun sind Initiativen, [7][die einen Volksentscheid anstreben, genau dafür
       da, Forderungen Nachdruck zu verleihen], deren Bedeutung die Parteien
       verkennen oder als nicht umsetzbar ansehen. Es geht auch um – vermeintliche
       – Utopien, das hat ja DW enteignen gezeigt. 
       
       Davis: Wir sehen unsere Rolle darin, der Politik zu verdeutlichen, dass die
       Zivilgesellschaft und die Bürger*innen tatsächlich bereit sind für viel
       mehr Klimaschutz. Wir haben in den vergangenen drei Jahren mehrere
       Unterschriftensammlungen gemacht, wir haben mit mehr als 200.000
       Berliner*innen auf der Straße gesprochen – und immer war Offenheit für
       dieses Thema da. Zu keinem anderen Thema wird sich schneller und
       umfassender geäußert.
       
       Wissen die Leute wirklich, worum es da geht? Verstehen sie die
       Auswirkungen? 
       
       Davis: Ja. Die Menschen wissen, es geht um Klimaneutralität in acht Jahren.
       Ich habe auch heute noch mal eine Umfrage gesehen, wonach die Mehrheit der
       Deutschen mehr Klimaschutz möchte und auch, dass das per Gesetz
       durchgesetzt wird.
       
       Graf: Die Leute sagen: „Klimaschutz: ja, ja, ja!“ Aber wenn es dann darum
       geht, dass wir aus der Bergmannstraße in Kreuzberg – also im Herzen eines
       grün regierten Bezirks – [8][die Autos rausnehmen wollen], dann schreien
       selbst dort Menschen auf, weil sie ihr Auto behalten wollen. Vor diesem
       Hintergrund bringt es gar nichts, wenn wir jetzt ein paar Jahre lang
       Klimaschutzpolitik machen, der allen wirklich weh tut, und danach uns die
       Leute den Vogel zeigen und sagen: Angesichts dieser sozialen Auswirkungen
       machen wir nicht mehr mit.
       
       Davis: Die [9][Empfehlungen des Klimabürger:innenrates] wurden vor
       zehn Tagen an die Politik übergeben. Der Rat empfiehlt unter anderen, das
       Autofahren unattraktiver zu machen mit dem Ziel, dass „in der Innenstadt
       grundsätzlich nicht mit dem Auto gefahren wird“. Er empfiehlt, dass sogar
       ab nächstem Jahr keine Verbrenner mehr neu angemeldet werden sollten. Für
       uns wird daraus klar: Wenn den Bürger:innen wirklich klar kommuniziert
       wird, was die Folgen der Klimakrise bedeuten, und sie an den Lösungen
       beteiligt werden, befürworten sie die nötigen Maßnahmen für rasche
       Klimaneutralität.
       
       Graf: Der Klimabürger*innenrat hat Dutzende von Maßnahmen empfohlen,
       die wirklich was bringen: City-Maut, Parkplätze abschaffen, Entsiegelung,
       Ernährungswende. Aus meiner Sicht könnten wir diesen Bericht sofort im
       Senat beschließen und angehen. Statt über eine Jahreszahl zu diskutieren,
       sollten wir lieber diese Ergebnisse umsetzen.
       
       Was ist denn bisher in Berlin erreicht worden? 
       
       Graf: Berlin ist im Klimaschutz Vorreiter. Wir haben als erstes Bundesland
       die Klimanotlage ausgerufen, wir haben jetzt schon den größten
       Elektro-Fuhrpark Europas bei öffentlichen Verkehrsmitteln, wir sind das
       erste Bundesland, das ein Gesetz erlassen hat, dass die Fernwärme
       dekarbonisiert werden muss. Verglichen mit den anderen Bundesländern haben
       wir die geringste CO2-Emission pro Kopf und in den letzten Jahren
       überdurchschnittliche CO2-Einsparungen erreicht.
       
       Davis: Wir sagen gar nicht, dass nichts passiert. Wir sagen, dass nicht
       genug passiert, um das 1,5 Grad-Ziel zu schaffen. 2030 ist ambitioniert,
       keine Frage, aber wie Herr Graf gesagt hat: Das Land hat – übrigens dank
       unserer Initiative – die Klimanotlage erklärt, und wir müssen entsprechend
       einer Notsituation ambitioniert handeln.
       
       Graf: Es gibt die Wissenschaft, die uns mahnt, dass diese Kipppunkte auf
       uns zukommen. Wir müssen jetzt alles tun, damit wir die nicht
       überschreiten. Auf der anderen Seite dürfen wir die Wissenschaft auch nicht
       negieren und sagen, es geht eben auch hier nicht um den Glauben. Sie sagen
       ständig: „Wir glauben, dass wir es schaffen.“ Aber wo ist der Plan? Wir
       müssen schauen, welche Maßnahmen wir umsetzen können, etwa im Verkehr.
       Daher kämpfen wir für eine Citymaut, auch wenn wir uns damit in den
       Koalitionsverhandlungen leider nicht durchgesetzt haben. Da müssen wir noch
       mal ran. Wir brauchen eine Zero-Emission-Zone in Berlin bis 2030.
       
       Frau Davis, was heißt für Sie ganz konkret „entsprechend einer
       Notsituation“ zu handeln? 
       
       Davis: Wir müssen jetzt alles schneller machen. Etwas passiert ja auch
       schon: Die Radwege kommen endlich, der Bund ermöglicht das 9-Euro-Ticket.
       Und wir brauchen weniger Bürokratie und schnellere Prozesse in der
       Verwaltung. Wir müssen Hürden abbauen.
       
       Graf: Sehr viele angebliche Hürden in der Verwaltung sichern Ökologie und
       Naturschutz und machen Sinn. Wenn ich die Hürden reduziere und dafür fünf
       Fahrradwege ein paar Monate schneller bauen kann, auf der anderen Seite
       aber immense Flächen mit Beton versiegelt und eben nicht woanders
       ausgeglichen werden, bringt uns das überhaupt nichts. Hürden wegnehmen –
       das ist doch neoliberaler Sprech.
       
       Davis: Es geht nicht um neoliberale Verschlankungen, die Umwelt- und
       Sozialauflagen abschaffen. Es geht darum, dass zum Beispiel die Abstimmung
       zwischen Bezirken und Land vereinfacht oder Umschulungen und Quereinstiege
       für Ingenieursberufe erleichtert werden. Auch bei der Mobilität könnten
       Genehmigungsprozesse recht einfach beschleunigt werden. So würden wir die
       Stadt schneller emissionsfrei bekommen.
       
       Graf: Sie meinen die Ladesäulen für E-Autos?
       
       Davis: Genau.
       
       Graf: Auch da wäre ich vorsichtig. Bei den Ladesäulen führen wir die
       Debatte: Wo stellen wir die auf? Und es gibt Personen, die wollen die
       Hürden senken, damit sie die Ladesäulen so positionieren können, damit da
       kein Fahrradweg mehr gebaut werden kann, weil der Parkplatz mit Ladesäule
       dann eben nicht mehr für den Radweg weichen kann. Das wollen wir nicht. Uns
       ist lieber, dass die Leute Fahrrad statt Auto fahren, auch wenn es ein
       Elektroauto ist. Der beste Autoverkehr ist der, der nicht stattfindet.
       
       Frau Davis, würden Sie sagen, dass man, um ein ambitioniertes Programm
       voran zu treiben, andere Dinge einfach mal außer Acht lassen muss? 
       
       Davis: Schwierig. Eigentlich geht es nicht um die drei großen Maßnahmen, es
       geht um die vielen kleinen. Das ist der Hebel. Wir sehen, dass solche
       Veränderungen besser funktionieren und angenommen werden, wenn die Menschen
       in die Entscheidung eingebunden werden. Dennoch muss Berlin
       Genehmigungsprozess schlanker machen. Dazu gehört auch, mehr
       Mitarbeiter*innen einzustellen. Bei einer Veranstaltung hat eine
       Mitarbeiterin des Bezirksamts Schöneberg gesagt, dass sie momentan nicht
       mehr hinkriegen beim Klimaschutzprogramm, weil sie unterbesetzt sind.
       
       Graf: Mehr Personal – das betrifft ja viele Bereiche. Aber da sind wir
       wieder bei dem Problem: Wenn wir den Umbau der Stadt etwa beim Verkehr
       wollen, brauchen wir beispielsweise Planer:innen. Davon gibt es im
       Augenblick aber einfach nicht genügend.
       
       Kommen wir mal zu den Kosten: Wo soll das Geld für den schnellen
       Klimaschutz herkommen? 
       
       Davis: Die Bundesregierung muss mehr in die Pflicht genommen werden, die
       Klimawende in den Städten mitzufinanzieren. 70 Prozent der Emissionen
       werden von Städten verursacht. Und Berlin muss mehr Druck über den
       Bundesrat machen. Auch muss es Förderprogramme geben, dass energische
       Sanierung nicht auf Kosten der Mieter:innen geht. Dafür könnte der Bund
       die CO2-Steuer erhöhen. Letztlich ist das nur eine Frage der Priorisierung.
       Für die Coronakrise und den Ukrainekrieg hat die Bundesregierung –
       berechtigterweise – plötzlich viel Geld gefunden.
       
       Graf: Richtig, Berlin kann nicht allein gelassen werden. Und ja, Geld vom
       Bund und der EU nehmen wir gerne. Aber das ändert nichts am faktischen
       Problem: Zu suggerieren, das ist jetzt alles möglich, wenn man es nur will,
       das stimmt nicht. 
       
       Welche Zeitspanne ist denn für Sie realistisch, Herr Graf? 
       
       Graf: In unserem Wahlprogramm haben wir 2035 angepeilt – wenn man nur die
       Faktoren berechnet, für die Berlin direkt verantwortlich ist. Ernährung –
       ein ganz wichtiger Faktor – ist bei den Sektoren im Gesetz ja gar nicht
       dabei. Ginge es nur nach uns, möchten wir bis 2035 unsere Gebäude
       klimaneutral umbauen. Allein für die städtischen Gebäude würden wir dafür
       15 Milliarden Euro brauchen.
       
       Und daran ist nichts mehr zu beschleunigen? 
       
       Graf: Selbst für 2035 kennen wir noch nicht alle Konzepte, wie wir es
       umsetzen wollen. Die Studien, die ich für realistisch halte, gehen von
       frühestens 2040 aus.
       
       Davis: Sie haben ein Ziel im Wahlprogramm ausgegeben, aber wissen nicht,
       wie Sie dahin kommen?
       
       Graf: Bei den Gebäuden, beim Fuhrpark und ähnlichen halte ich 2035 für
       machbar.
       
       Der Unterschied zwischen 2030 und 2035 ist ja nicht so riesig. Gäbe es da
       nicht die Möglichkeit eines Kompromisses? 
       
       Davis: Hm. Ein Kompromiss wäre damit verbunden, dass wir die 1,5
       Grad-Grenze aufgeben.
       
       Graf: Wir müssen uns jetzt in die harte Detailarbeit der Umsetzung der
       Maßnahmen hineinbegeben. Ich kämpfe seit so langer Zeit dafür, dass dieses
       Thema ernst genommen wird. Wir sind jetzt in einer Situation, in der
       tatsächlich eine große Gruppe in dieser Gesellschaft das auch will. Diese
       Chance dürfen wir nicht verspielen, indem wir nur für eine Zahl eine
       Mehrheit organisieren.
       
       Um noch mal auf die Frage zurück zu kommen: Ist der Unterschied zwischen
       2030 und 2035 so groß, dass kein Kompromiss möglich ist? 
       
       Graf: Schon, weil wir etwas anderes gesagt haben. Für die Bereiche, auf die
       Berlin direkten Einfluss hat, halten wir das Ziel 2035 für machbar. Für den
       Rest dauert es leider noch länger.
       
       Macht Ihnen die Klimakrise eigentlich Angst? 
       
       Graf: Angst ist für mich persönlich kein Motivator. Ich will unseren
       Planeten retten. Ich würde mich eher als kampfeslustig bezeichnen. Wir
       müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um die Klimakatastrophe
       abzuwenden und eine klimaresiliente Stadt aufzubauen.
       
       Davis: Unser großer Antreiber ist Hoffnung. Wir glauben an eine positive,
       gerechte Zukunft für alle. Wir glauben daran, dass sie möglich ist, und
       darauf arbeiten wir hin. Wir wollen, dass Berlin seiner Verantwortung dem
       globalen Süden gegenüber gerecht wird. Und wir sind auch Leute, die sehr
       gerne in Berlin wohnen und das gerne weiterhin tun möchten. Unsere
       Motivation kommt also auch daher, die tollen Sachen, die diese Stadt
       ausmacht, vor der Klimakrise retten zu wollen. Aber wir spüren auch Angst,
       auch ich persönlich. Ich weiß nicht, wie die Situation in 15 Jahren sein
       wird, wenn die Politik jetzt versagt.
       
       Irgendwie habe ich gerade das Gefühl, es sitzen sich hier wieder zwei
       Generationen gegenüber, so wie die Grünen Anfang der 80er mit der radikalen
       Forderung nach einem Atomausstieg den Konservativen und der SPD gegenüber
       saßen. 
       
       Graf: Na Danke. Das sehe ich komplett anders. Als in Wackersdorf
       demonstriert wurde, standen ja auf der anderen Seite nicht Personen, die
       gesagt haben: „Ja, Atomkraft ist scheiße, aber wir brauchen sie noch.“ Da
       standen Menschen, die gesagt haben: „Atomkraft ist toll.“ Hier sitzen zwei
       Personen, die sagen: „Wir brauchen den schnellstmöglichen Klimaschutz, der
       irgendwie möglich ist.“ Es geht um die Debatte was mehr hilft: kämpfen für
       eine Jahreszahl oder der Kampf für konkrete Maßnahmen.
       
       Davis: Wir sagen: Die Maßnahmen sind da – es liegen Studien und
       Maßnahmenpakete vor – aber der politische Wille fehlt. Um die
       1,5-Grad-Grenze einzuhalten, müssen diese Maßnahmen jetzt von der Politik
       mit Beteiligung der Bevölkerung umgesetzt werden. Und, Herr Graf, weil Sie
       immer fordern, dass wir Ihnen weitere Maßnahmen vorlegen: Wir sind eine
       weitgehend ehrenamtliche Initiative. Wir sind kein millionenschwerer
       Thinktank.
       
       Graf: Entschuldigung, aber dann dürfen Sie kein Gesetz vorlegen. Sie
       wollen, dass diese Stadt ein Gesetz verabschiedet, von dem am Ende niemand
       weiß, wie es technisch umzusetzen ist. Wir wissen es jedenfalls nicht.
       
       Davis: Dann muss man ehrlich sein mit dem 1,5-Grad-Ziel.
       
       Graf: Wir werden für konkrete radikal vernünftige Maßnahmen kämpfen.
       (Mitarbeit: Claudius Prößer)
       
       11 Jul 2022
       
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       Bis Montag können Berliner*innen für einen Volksentscheid über mehr
       Klimaschutz unterschreiben. Damit das passiert, braucht es noch viele
       Stimmen.
       
 (DIR) Volksbegehren für Klimaschutz in Berlin: Noch eine Woche sammeln fürs Klima
       
       Bis 14. November haben die Berliner*innen Zeit, das Volksbegehren
       Berlin 2030 klimaneutral zu unterstützen. Absehbar ist: Es wird sehr, sehr
       knapp.
       
 (DIR) Volksentscheid Berlin 2030 klimaneutral: Wo ist die Bewegung hin?
       
       Der Klimaneutral-Volksentscheid wackelt, aber warum eigentlich? Treibt das
       Thema doch weniger Menschen um, als es scheint?
       
 (DIR) Volksbegehren Berlin 2030 klimaneutral: Langsam wird's brenzlig
       
       Das Volksbegehren „Berlin 2030 klimaneutral“ hat zur Halbzeit der
       Sammlungsphase erst rund ein Viertel der benötigten Unterschriften
       zusammen.
       
 (DIR) Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke: „Scheindebatte“ auf Wiedervorlage
       
       Die FDP verschärft den Ton in der Atomkraft-Diskussion. Neben inhaltlichen
       Überlegungen könnte dahinter auch die schlechten Umfragewerte stecken.
       
 (DIR) Ferienbeginn am BER: Überraschung am Pannenflughafen
       
       Am ersten Ferientag blieb das Chaos am Großflughafen BER aus. Aber das wird
       sich vermutlich bald ändern- spätestens am Wochenende.
       
 (DIR) Berliner Klimabürger:innenrat: Das Volk macht Druck beim Klima
       
       Der Berliner Klimabürger:innenrat hat mehrere Dutzend Empfehlungen an
       die Politik vorgelegt – auch die deutliche Reduktion des Autoverkehrs.
       
 (DIR) „Klimaneutral 2030“ im Parlament: Eigentlich ja, aber nein
       
       Der Ausschuss für Umwelt- und Klimaschutz hat das Volksbegehren „Berlin
       2030 klimaneutral“ geschlossen abgelehnt – damit kann es jetzt kommen.
       
 (DIR) Nein zu Klima-Volksbegehren: Senat gegen Berliner Alleingang
       
       Umweltsenatorin Jarasch (Grüne) begründet Ablehnung des
       Klimavolksbegehrens mit hohen Kosten und fehlendem Einfluss des landes.
       
 (DIR) Senatorin Jarasch über grünen Stadtumbau: „Es ist die Aufgabe meines Lebens“
       
       Im taz-Interview erklärt Mobilitäts- und Klimaschutzsenatorin Bettina
       Jarasch (Grüne), wie sie die Stadt verändern will – und zwar möglichst
       schnell.