# taz.de -- Telefonkosten im Knast: Tarif als Staatsgeheimnis
       
       > Gefangene sollen in Hamburg weniger für Telefonate bezahlen. Wie viel ist
       > aber unklar. Und einbezogen wurden sie bei der Entscheidung auch nicht.
       
 (IMG) Bild: Immerhin bald Geschichte: Telefon auf dem JVA-Flur vor den Zellen
       
       BREMEN taz | Telefonieren wird billiger für Menschen, die in Hamburgs
       Gefängnissen sitzen. Was eine gute Nachricht sein sollte, hinterlässt einen
       faden Beigeschmack: Alle Details zu neuen oder alten Tarifen, zur
       Verteilung der Kosten zwischen Gefangenen und Stadtstaat werden geheim
       gehalten.
       
       Noch bis zum 31. März ist das Hamburger Unternehmen „Telio Communications“
       verantwortlich für die Kommunikation aus dem Knast heraus. Telio ist
       deutscher Marktführer für Telekommunikationssysteme in Gefängnissen – und
       zugleich in der Kritik für seine hohen Preise. Ab dem 1. April bekommt
       „Gerdes Communications“, der laut Senat günstigste Anbieter, für die
       nächsten drei Jahre den Zuschlag.
       
       Die Frage, was eine Minute Telefonieren kostet, ist im Gefängnis noch
       relevant: Zum einen, weil die Insassen hier ohnehin weniger Geld zur freien
       Verfügung haben, zum anderen, weil die Tarife höher angesiedelt sind und
       die Gefangenen sich ihren Anbieter nicht selbst aussuchen können.
       
       Zwar hat sich das Bundesverfassungsgericht vor einigen Jahren mit dem Thema
       beschäftigt und 2017 entschieden: Auch in Gefängnissen [1][müssen
       Telefongebühren „marktüblich“] sein. Was genau das bedeutet, ist allerdings
       nicht so leicht in Zahlen abzubilden. Denn der Markt ist nicht der übliche
       Telekommunikationsmarkt, sondern der für Justizvollzugsanstalten (JVA), und
       der weist Mehrkosten auf: Schließlich wird im Gefängnis auch kontrolliert,
       dass die Anschlüsse nur für die genehmigten Zwecke verwendet werden.
       
       ## Die Kontrollen zahlen die Gefangenen selbst
       
       Diese Kontrollen zahlte in der Vergangenheit vielerorts nicht etwa der
       Staat, der die Menschen einsperrt, sondern die Gefangenen selbst. Für die
       Justizvollzugsanstalten fielen keinerlei Kosten an.
       
       Die Internetseite Netzpolitik.org hatte vergangenes Jahr Zahlen aus
       Mecklenburg-Vorpommern veröffentlichen können: Ein Anruf aus dem Gefängnis
       auf ein Handy kostete dort demnach 23 Cent die Minute; das lässt ahnen,
       dass das Urteil des Verfassungsgerichtes Wirkung gezeigt hat: 2014
       berichtete die Legal Tribune Online noch von 70 Cent in der Minute.
       
       Im Vergleich mit den verbreiteten Telefonflats ist auch der neue Preis
       nicht günstig. Die Preise schwanken, hört man, von Land zu Land. In welchem
       Rahmen, bleibt unklar: Die meisten Länder veröffentlichen ihre Verträge mit
       den Anbietern nicht.
       
       ## Hamburger Behörde hält dicht
       
       Auch in Hamburg mit seinen [2][eigentlich recht weitreichenden
       Transparenzrechten] wird um die Tarife von Seiten der Behörde ein Geheimnis
       gemacht. Die Linkenabgeordnete Cansu Özdemir hatte im Oktober und November
       zwei Anfragen zum Thema in der Bürgerschaft gestellt. Doch der Senat hält
       dicht und beruft sich dabei auf „Gründe des fairen Wettbewerbs“:
       
       Es sei wesentlich, dass bei öffentlichen Ausschreibungen „die Bewerbenden
       keine Kenntnis der angebotenen Kosten der Mitwettbewerbenden haben“,
       schreibt der Senat in seiner Antwort vom 5. November. „Anderenfalls
       bestünde die Gefahr, dass sich ein Bewerbender am Angebot der Konkurrenz
       orientiert statt den niedrigstmöglichen Preis anzubieten.“
       
       Die Linke kritisiert diese Intransparenz: „Die Verweigerungshaltung des
       Senats verhindert jede kritische Auseinandersetzung“, so Özdemir. „Die
       parlamentarische Kontrolle kann doch nicht ernsthaft aus Rücksicht auf den
       wirtschaftlichen Wettbewerb eingeschränkt werden.“
       
       ## Die Betroffenen wurden nicht gefragt
       
       Auch ein zweites Phänomen stößt der Abgeordneten Özdemir übel auf:Bei der
       Vergabe an Gerdes wurden laut Senatsantwort weder die Justizdeputation
       beteiligt, noch die Gefangenenvertretung oder Anstaltsbeiräte, die die
       Interessen der späteren Nutzer hätten vertreten können. Auch Alexandra Los,
       Rechtsanwältin und ehrenamtliches Mitglied in einem Anstaltsbeirat,
       kritisiert das: „In Hamburg werden wir Anstaltsbeiräte ohnehin sehr wenig
       einbezogen“, sagt sie.
       
       Immerhin: Ganz schlecht scheint der neue Vertrag nicht zu sein. Von der
       Betreiberfirma Gerdes gibt es auf Anfrage der taz zumindest ein paar
       Informationen zu den neuen Preisen. Konkrete Tarife will zwar auch das
       Unternehmen nicht veröffentlichen, aber die Geschäftsleitung teilt mit,
       dass die Ersparnis für die Inhaftierten „gemittelt über alle Zonen“ grob 40
       Prozent betragen werde.
       
       Und noch etwas Gutes bringt die Neuvergabe: Die Inhaftierten müssen nicht
       länger auf den Fluren telefonieren. Jede*r bekommt jetzt einen Anschluss
       in der eigenen Zelle, endlich wird so etwas Privatsphäre ermöglicht.
       Eigentlich ja ein Grund zum Jubeln – hätte die Hamburger Intransparenz den
       Blick darauf nicht erst einmal verstellt.
       
       8 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Verfassungsbeschwerde-zu-Gefaengnissen/!5466547
 (DIR) [2] /Reform-des-Hamburger-Transparenzgesetzes/!5646376
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lotta Drügemöller
       
       ## TAGS
       
 (DIR) JVA
 (DIR) Gefängnis
 (DIR) Telekommunikation
 (DIR) Transparenz
 (DIR) Hamburg
 (DIR) Knast
 (DIR) Resozialisierung
 (DIR) JVA
 (DIR) Gefängnis
 (DIR) Knast
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Eigene Anschlüsse in jeder Zelle: Telefonieren wird Privatsache
       
       Bisher konnten Gefangene in Hamburg meist nur öffentlich auf dem Flur mit
       Angehörigen telefonieren. Jetzt kriegen sie eigene Geräte in den Haftraum.
       
 (DIR) Weihnachten im Gefängnis: Kekse im Knast
       
       Ein Verein organisiert Geschenksendungen ins Gefängnis. Unsere Autorin
       macht mit, fragt sich aber: Hat der Häftling mein Geschenk wirklich
       verdient?
       
 (DIR) Corona-Ausbruch im Knast in Hannover: Schutz ist hinter Gittern teuer
       
       Im Gefängnis in Hannover gibt es 15 Corona-Fälle. Überteuerte Schutzmasken
       mussten Gefangene bisher von ihrem kargen Lohn selbst bezahlen.
       
 (DIR) Corona-Maßnahmen im Gefängnis: Kaum Verstöße mit Knast-Handys
       
       Die Linke will die Ausgabe von Handys an Gefangene in Hamburg weiter
       ermöglichen. Die waren wegen des Infektionsschutzes ausgeteilt worden.
       
 (DIR) Pioniere der digitalen Resozialisierung: Von Haft-Blogs und Knast-Leaks
       
       Nie zuvor drangen so viele Informationen aus Gefängnissen nach draußen –
       via Internet und Handy. Doch deren Nutzung ist im Knast stark
       eingeschränkt.