# taz.de -- Vor der Stichwahl in der Türkei: Die fünfte Kolonne
       
       > Der Oppositionskandidat bei der Stichwahl in der Türkei, Kemal
       > Kılıçdaroğlu, hetzt für Wählerstimmen gegen Geflüchtete. Das ist riskant.
       
 (IMG) Bild: Wenn Kılıçdaroğlu noch eine Chance haben will, braucht er Stimmen aus dem rechten Lager
       
       Der Oppositionskandidat bei der Präsidentschaftswahl in der Türkei, Kemal
       Kılıçdaroğlu, immerhin Hoffnungsträger der Linken gegen Recep Tayyip
       Erdoğan, [1][hetzt gegen Flüchtlinge und erklärt Terrorismusbekämpfung zum
       obersten Ziel]. Wie geht das zusammen? Die einfache Erklärung ist: Wenn
       Kılıçdaroğlu im zweiten Wahlgang noch eine kleine Chance haben will,
       braucht er Stimmen aus dem rechten Lager. Wie immer bei solchen taktischen
       Wahlkampfmanövern ist damit das Risiko verbunden, erstens das rechte
       Original zu stärken und zweitens seine eigentlichen Anhänger so zu
       demotivieren, dass sie bei der Stichwahl gar nicht mehr wählen gehen.
       
       Linksliberale winken denn auch ab und sagen: Was Kılıçdaroğlu von sich
       gibt, darf man nicht ernst nehmen. Es ist Wahlkampf in einer zunehmend
       verzweifelten Lage. Das gilt weitgehend, mit Ausnahme der syrischen
       Flüchtlinge. Wenn auch nicht in schrillen Tönen wie jetzt, ist sich die
       Opposition doch in weiten Teilen einig, dass die aus Syrien Geflüchteten
       über kurz oder lang zurückgehen sollen.
       
       Das hat einen klaren Grund. Für den größten Teil der
       Kılıçdaroğlu-WählerInnen sind die Syrer eine Art fünfte Kolonne Erdoğans.
       Kılıçdaroğlu ist der Kandidat des säkularen Lagers; die meisten SyrerInnen
       sind strenggläubige Muslime bis hin zu politischen Islamisten.
       
       Spricht man mit Linken, sagen sie, Erdoğan hat die Geflüchteten ins Land
       gelassen, um mit ihrer Unterstützung eine ihm genehme Regierung in Damaskus
       durchzusetzen, ist Assad erst einmal gestürzt. [2][Die Kurden] mussten
       sogar erleben, dass Erdoğan syrische Islamisten im Kampf gegen sie
       eingesetzt hat. Sollte die Opposition gewinnen, wird sie deshalb die
       Muslimbrüder ausweisen, die mit Erdoğans Hilfe ihr Hauptquartier in
       Istanbul aufgeschlagen haben, und dann den Druck auf alle syrischen
       Geflüchteten erhöhen.
       
       Da Baschar al-Assad den Krieg vorläufig gewonnen hat, hat auch Erdoğan die
       SyrerInnen in der Türkei fallengelassen und sucht nun mithilfe Putins nach
       einem Deal mit Assad, um sie zurückschicken zu können.
       
       24 May 2023
       
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