# taz.de -- Vorwahlen in den USA: Stadt, Land, Frust
       
       > Der Bundesstaat Colorado steht sinnbildlich für die geteilten USA:
       > liberale Großstädter, konservative Landbewohner. Ein Besuch vor dem Super
       > Tuesday.
       
 (IMG) Bild: Einsam in der Prärie: In der Hauptstadt Denver sind die politischen Einstellungen oft ganz anders als im ländlichen Rest des Bundesstaates Colorado
       
       DENVER, CHEYENNE WILLS, HUGO taz | Richard Holtorfs Begrüßung Anfang
       Februar in Denver, Colorado, ist herzlich. Der hochgewachsene Mann mit
       Cowboyhut ist Mitglied der „State Assembly“, des Abgeordnetenhauses des
       Bundesstaates im Westen der USA. An einem sonnigen Nachmittag blitzt das
       Licht von den hohen Wolkenkratzern der Innenstadt, höher sind nur die
       schneebedeckten Rocky Mountains, die jenseits der Stadtgrenze beginnen.
       
       Denver boomt, ein Umstand, der auch an den etlichen Baustellen in der
       Umgebung zu sehen ist. Wohn- und Bürogebäude und neue Geschäfte entstehen
       im Stadtkern, im Jahr 2022 ist Denver wirtschaftlich eine der am
       schnellsten wachsenden Großstädte in den USA. Die Camps von Wohnungslosen
       und die vielen Bettler weisen allerdings auch darauf hin, dass es längst
       nicht allen hier gut geht.
       
       In Colorado zeichnen sich viele der Gegensätze ab, die auch in anderen
       Teilen der USA eine immer größere Rolle spielen. Während die Großstädte
       eine mehrheitlich progressive Politik fahren, sind die ländlichen Gegenden
       weitgehend in der Hand der Republikaner unter Donald Trump. Der letzte
       republikanische Gouverneur schied 2007 aus dem Amt, auch bei den
       Präsidentschaftswahlen geht Colorado seit 2004 an die Demokraten.
       
       Am Dienstag ist Super Tuesday in den USA, der Tag, an dem in den meisten
       Bundesstaaten die Vorwahlen für die Präsidentschaftskandidatur stattfinden,
       auch in Colorado. Kürzlich entschied der Oberste Gerichtshof des
       Bundesstaates, dass Donald Trump wegen seines Coupversuchs am 6. Januar
       2021 nicht auf den Wahlzetteln stehen darf. [1][Doch noch am Montag, einen
       Tag vor dem Super Tuesday, gab der Supreme Court in Washington einem
       Einspruch Trumps gegen die Entscheidung statt.] Die Streichung seines
       Namens vom Wahlzettel im US-Bundesstaat Colorado sei nicht rechtens.
       
       Richard Holtorf führt in den University Club, einen privaten
       Akademiker-Club, der nur wenige Fußschritte vom Kapitol, dem Sitz des
       Abgeordnetenhauses, entfernt ist. Auf dem Weg in einen Sitzungsraum begrüßt
       er laut eine Gruppe Lobbyisten, die in der Hauptstadt arbeiten und sich
       hier zum Mittagessen eingefunden haben. Einem klaut er etwas Essen vom
       Teller.
       
       Er vertritt einen Distrikt im östlichen Colorado, rund vier Autostunden von
       der Hauptstadt entfernt. Als Republikaner ist er im Abgeordnetenhaus in der
       Minderheit. Holtorf beschreibt sich als „kämpferischer Konservativer“, der
       die Werte der Landbevölkerung in der Bundesstaatsregierung in Denver
       vertritt. Die Demokraten haben in den vergangenen Jahren eine zunehmend
       liberale Politik im Bundesstaat gefahren. [2][Zum Beispiel legalisierte der
       Bundesstaat 2012 als erster in den USA Marihuana].
       
       Fast 30 Jahre war Holtorf beim Militär, als Kampfhubschrauberpilot war er
       in Südkorea, Deutschland und mehrfach in Afghanistan. Danach übernahm er
       die Ranch seiner Familie, die schon seit dem Jahr 1892 besteht. „Wir haben
       zwischen drei- und viertausend Stück Vieh und eine kleine Farm, auf der wir
       Weizen, Sorghum und Hirse anbauen“, erzählt er, während er sich über einen
       Cheeseburger lehnt. Holtorf ist stolz darauf, dass das östliche Colorado so
       viel Essen für den Rest des Staates produziert. Auf seinem Revers prangt
       ein Anstecker in der Form einer Kuh. „Colorado-Rindfleisch“, sagt er und
       zeigt auf den angebissenen Burger auf seinem Teller.
       
       Die zunehmende Migration aus Süd- und Lateinamerika sieht Holtorf als ein
       existenzielles Problem für die USA, womit er die Meinung eines maßgeblichen
       Teils der Republikanischen Partei teilt. Während Denver als [3][eine
       sogenannte Sanctuary City] oder „Zufluchtsstadt“ gilt, was bedeutet, dass
       die örtliche Polizei begrenzt mit den Migrationsbehörden kooperiert und
       straffällige Migrant:innen nur in seltenen Fällen an die Bundesbehörden
       übergeben werden, ist die Stimmung im US-Wahlkampf eine ganz andere.
       
       Das Banner „Krise an der Grenze“ ist derzeit ein Dauerbrenner auf rechten
       Medienkanälen wie Fox News. Die Migrationspolitik zeichnet sich als
       zentrales Thema im Kampf um die Präsidentschaft ab, Joe Biden und Donald
       Trump besuchten in der vergangenen Woche am gleichen Tag die Grenze zu
       Mexiko. „Ich spreche Spanisch, und hier in Denver bin ich schon zwölf
       Menschen aus Venezuela begegnet“, erzählt er. „Wenn wir 2,4 Millionen Leute
       pro Jahr hier reinlassen, Jahr für Jahr, dann haben wir hier bald mehr
       Migranten als die Gesamtbevölkerung von Colorado.“
       
       Während große Teile der Land- und Agrarwirtschaft in den USA von der
       billigen Arbeitskraft der Migrant:innen abhängig sind, ist Holtorf davon
       überzeugt, dass Migration längerfristig zum Systemkollaps führen wird. „Was
       ist mit den Individuen aus dem Nahen Osten?“, fragt er. „Die sind nicht
       hier, um Teil der amerikanischen Wirtschaft zu werden.“ Für Holtorf ist die
       Bedrohung an der Grenze mit dem Vorlauf zum 11. September vergleichbar.
       „Schläferzellen sind echt“, sagt er. „Fragen Sie einfach Osama bin Laden.“
       
       In Colorado finden am heutigen Dienstag auch die Vorwahlen der
       Republikanischen Partei für das Abgeordnetenhaus in Washington statt, bei
       denen entschieden wird, wer für die Partei an der Wahl im November
       teilnehmen darf. Holtorf kandidiert für den großen Distrikt im östlichen
       Teil des Bundesstaates, aus dem er kommt. Dabei wird er unter anderem auch
       gegen Lauren Boebert antreten, die wohl als eine der kontroversesten
       Politikerinnen in den USA gilt.
       
       Boebert unterstützte den versuchten Coup am 6. Januar und betrieb mehrere
       Jahre ein Restaurant, in dem die Kellnerinnen mit geladenen Waffen an der
       Hüfte ihrer Kundschaft Fastfood servierten. Auch Holtorf war in den
       vergangenen Jahren mehrfach auch überregional in den Schlagzeilen, unter
       anderem weil ihm im Kapitol seine Pistole auf den Boden gefallen ist, einen
       afroamerikanischen Kollegen sprach er während einer Debatte mit einer
       rassistischen Schmähung an.
       
       Boebert ist kürzlich aus ihrer Heimat westlich von Denver in den 4.
       Distrikt von Richard Holtorf gezogen, offiziell aus familiären Gründen.
       Holtorf hingegen ist sich sicher, dass der Umzug politischer Natur ist,
       Boeberts Sitz im Abgeordnetenhaus könnte bei den Wahlen im November an
       einen Demokraten gehen. Der 4. Distrikt hingegen wählt mit großer Mehrheit
       Republikanisch, hier hätte Boebert bessere Chancen, sagt Holtorf. „Es geht
       hier nicht um einen Neustart für sie und ihre Familie, sondern darum, dass
       sie ihren Sitz behalten will.“ Im Vorwahlkampf drängen sich derzeit fast
       ein Dutzend Bewerber:innen, Boebert und Holtorf haben harte Konkurrenz.
       
       Ein Reise durch die ländlichen Gegenden des Staates zeigt auf, wie anders
       das Colorado von Richard Holtorf ist. Rund 300 Kilometer östlich sind die
       Wolkenkratzer und Berge von Denver selbst am Horizont nicht mehr zu sehen.
       Statt sattgrünen Wiesen und mit Tannen bewachsenen Hängen wogt hier bereits
       das weite Meer der amerikanischen Prärie.
       
       Die Ortschaft Cheyenne Wells zählt rund 700 Einwohner:innen, im Ortskern
       stehen Getreidespeicher, drumherum eine Ansammlung einfacher
       Einfamilienhäuser. An einer Ausfallstraße ist ein großer Holzpfeiler
       aufgestellt, auf dem ein Wahlplakat von Donald Trump aus dem Jahr 2020
       fixiert ist, darüber eine amerikanische Flagge. Das Schild wurde mittels
       weißer Farbe modifiziert, um aus der Zahl „2020“ eine „2024“ zu machen. Im
       Wahldistrikt, in dem Cheyenne Wells liegt, gingen bei der letzten Wahl 87
       Prozent der Stimmen an Donald Trump.
       
       Stolzer Besitzer des Schildes und des Vorgartens, in dem es steht, ist
       James Knudsen. Im Gespräch mit der taz erzählt der Fernfahrer von seiner
       Treue gegenüber dem Expräsidenten. „Von Trump hatte ich noch nie gehört,
       bis er ins Rennen kam“, sagt er, zumindest bis dieser einen seiner
       Gegenkandidaten ins Visier nahm: „Als er anfing, Jeb Bush die Leviten zu
       lesen, habe ich mir gedacht, der ist der Richtige.“ Knudsen ist in Cheyenne
       Wells aufgewachsen, abgesehen von ein paar Jahren in Denver hat er sein
       gesamtes Leben in der Ortschaft verbracht.
       
       Er spricht im breiten Dialekt des amerikanischen Westens, flucht und lacht,
       während er sich über die Amtszeit von Biden aufregt. „Wenn Trump das
       nächste Mal ins Weiße Haus einzieht, braucht er wahrscheinlich einen ganzen
       Monat, um zu reparieren, was dieser Typ dort veranstaltet hat“, sagt
       Knudsen. „Ich nenne sie nicht Demokraten, sondern Demo-Ratten. Denn alles,
       was sie tun, ist, unser Land auseinanderzureißen.“
       
       Wie viele Trump-Anhänger ist auch Knudsen überzeugt, dass die letzte
       Präsidentschaftswahl von den Demokraten gestohlen wurde. „Ja, da wurde im
       großen Stil betrogen“, sagt Knudsen grimmig. „Die Leute, die die Wahlzettel
       transportiert haben, die elektronischen Wahlautomaten, das war alles
       Betrug.“ Obwohl bis heute keine handfesten Beweise gefunden wurden, ist ein
       maßgeblicher Teil der republikanischen Basis von der Wahlmanipulation
       überzeugt.
       
       Wie viele im östlichen Colorado hat auch Knudsen lange Zeit in der
       Landwirtschaft gearbeitet, ehe eine schlechte Geschäftspartnerschaft dies
       zunichte machte. „Da reden wir lieber nicht drüber“, sagt er. Auf die
       Frage, was er an den Trump-Jahren vermisst, antwortet er hingegen
       ausschweifend. „Es war einfach eine gute Zeit, die Wirtschaft war stabil,
       Benzin war günstiger und alle hatten gute Laune.“ Während Konzerneinnahmen
       und Bruttoinlandsprodukt in den USA in die Höhe gegen, sind viele
       Lebenshaltungskosten seit der Pandemie enorm gestiegen.
       
       Sein großes Trump-Schild hat Knudsen nicht zufällig platziert. „Ich habe
       sechs Beutel Beton verbraucht und einen Gabelstapler benutzt, um es
       aufzustellen“, erzählt er. „Im Haus habe ich einen Küchentisch, von dem ich
       genau auf das Schild gucken kann.“ Auf dem Tisch liegen nun immer ein
       großkalibriger Revolver und ein Jagdgewehr parat. „Wenn jemand an meinem
       Schild rumfummelt, kann ich ihm die Reifen zerschießen.“
       
       Bisher musste Knudsen noch nicht zur Waffe greifen, um sein Schild zu
       verteidigen. Aber auf die Frage, was passieren sollte, wenn Biden auch eine
       zweite Wahl gewinnen würde, antwortet er ernst. „Ich kann Ihnen sagen, dass
       das richtig unangenehm wird. Die Leute sind stinksauer.“
       
       In anderen Teilen des ländlichen Colorados ist die politische Stimmung
       ähnlich. Kaum größer als Cheyenne Wells ist Hugo, ein Ort, der sich auf
       beiden Seiten der Autobahn erstreckt, die durch den Ort führt. Etwas mehr
       als 100 Kilometer von Cheyenne Wells entfernt, lässt sich auch Hugo als
       eine kleine, vornehmlich weiße Agrargemeinde definieren. In einem kleinen
       Café erzählt die Besitzerin, dass sie sich von der Staatsregierung in
       Denver nicht vertreten fühlt. Sorgen machen ihr vor allem die Wölfe, die
       seit dem vergangenem Jahr über ein Programm der bundesstaatlichen
       Wildbehörde wieder in ihrem Lebensraum entlang der Rocky Mountains
       eingeführt werden. „Sie reißen unsere Kälber und wir dürfen sie nicht
       schießen“, sagt sie. „Aber woher soll das ganze Rindfleisch kommen, das in
       den Städten gegessen wird?“ Bei der nächsten Wahl setzt sie auf Trump,
       namentlich genannt werden möchte sie jedoch nicht.
       
       In einem kleinen Stadtpark steht Steve Blank und wartet geduldig darauf,
       dass seine kleine Hündin pinkeln geht. Der stoische Pensionär,
       Baseballkappe und Sonnenbrille, gibt knappe Antworten, ab und zu zuckt ein
       Lächeln um seine Lippen. „Ich wähle die Republikaner“, sagt er. „Wen denn
       sonst? Ganz bestimmt keine Demokraten.“ Ganz zufrieden mit der Auswahl ist
       aber auch Steve Blank nicht. Einen anderen Kandidaten hätte er gerne an der
       Spitze des Wahlkampfs gesehen: „Es gibt 1.000 andere Anwärter, über die die
       Medien nicht berichten“, sagt er.
       
       Wie Richard Holtorf war auch Blank beim Militär, er hat sich freiwillig für
       den Dienst im Vietnamkrieg gemeldet. Noch heute trägt er eine
       Gürtelschnalle, auf der das Emblem „U.S. Army“ eingestanzt ist. Bei dieser
       lernte er, an Hubschraubern zu arbeiten, bis zum Pensionsalter arbeitete er
       in Colorado in der zivilen Luftfahrt.
       
       Auch Steve Blank ist über die Situation an der südlichen Grenze besorgt.
       „Es kommen Millionen Menschen über die Grenze, und irgendwann läuft das
       Fass über“, sagt er finster. „99 Prozent der Menschen in Amerika schlafen“,
       sagt er über seine Landsleute. „Kommunisten übernehmen das ganze Land.“
       Dass die letzte Präsidentschaftswahl von den Demokraten gestohlen wurde,
       davon ist auch Steve Blank überzeugt: „80 Millionen Leute sollen für Biden
       gestimmt haben, und er kann mit seinen Unterstützern noch nicht mal einen
       Hamburgerbude füllen“, sagt er und lacht ein wenig.
       
       ## Wut über „LGTBQ-Agenda“
       
       Auf dem Weg zurück Richtung Denver weichen die Agrarflächen langsam den
       Vorstädten. Die seichten Hügel der Prärie werden langsam steiler, die
       ersten Pinienwälder klammern sich an die Landschaft. Mit über 76.000
       Einwohner:innen ist Castle Rock schon ein Vorort von Denver, es zeigt
       alle Indizien einer amerikanischen „Suburb“: Fastfood-Ketten, Stau und
       große Siedlungen identischer Reihenhäuser pressen sich hier zwischen die
       Ausläufer der Landwirtschaft. Seit dem Jahr 2010 ist Castle Rock um mehr
       als 50 Prozent gewachsen, der dichte Verkehr rauscht an einem Freitagmorgen
       in Richtung der Hauptstadt, wo viele Bewohner:innen der Stadt arbeiten.
       
       Vor einem Kettenrestaurant im Stadtzentrum steht Brad. Trotz der kühlen
       Wintertemperaturen trägt er nur ein T-Shirt, auf dem das Konterfei von
       Donald Trump abgebildet ist. In der Manier eines alten Fahndungsplakats
       steht „Wanted“ über dem Porträt, darunter in Westernschrift „For
       President“.
       
       Brad leitet einen Dienstleister für psychische Gesundheit und möchte
       deshalb seinen vollen Namen nicht in der Zeitung lesen. „Ich will keinen
       Ärger“, lacht er laut, während er Kaffee aus einem Pappbecher trinkt. Brads
       politische Ansichten spiegeln die vieler anderer Republikaner im Rest der
       USA: Grenze, Wahlbetrug, Wirtschaft: „Die Inflation ist irre. Für Menschen,
       die von einer Gehaltszahlung zur nächsten leben, ist das nicht tragbar.“
       
       Besonders echauffiert sich Brad aber über das, was er als „LGBTQ Agenda“
       bezeichnet. „Mit L,G und B habe ich keine Probleme“, sagt er. „Aber der
       Rest der Alphabet-Mafia hat in den vergangenen Jahren alles übernommen.“
       Seit Anfang des Jahrzehnts haben republikanische Politikerinnen und rechte
       Medien wie Fox News vor allem Transmenschen ins Visier genommen.
       
       „Es geht darum, das Ganze komplett zu normalisieren“, sagt Brad. „Ich fühle
       für diese Menschen, denn im Grunde haben sie ja psychische Probleme.“ Er
       ist überzeugt, dass sich hinter geschlechtsbejahenden Eingriffen und
       Hormontherapien ein politisches Kalkül verbirgt. „Jedes Kind hat Probleme
       damit, sich einzufügen, das war für mich auch nicht anders. Aber jetzt
       heißt es plötzlich, sie sollen ihr Geschlecht ändern. Das ist verrückt und
       sollte verboten werden.“
       
       ## Demokraten ohne Rückgrat
       
       Zurück in Denver geht langsam die Sonne hinter den Wolkenkratzern unter und
       die Winterkälte kriecht wieder in die langen Boulevards der Innenstadt. Auf
       den Straßen laufen zwischen den Büroarbeiter:innen Menschen umher,
       die ihr gesamtes Hab und Gut auf dem Rücken haben. In den kleinen Gassen,
       die zwischen den Gebäuden verlaufen, riecht es nach Urin, gebrauchte
       Spritzen und Unrat liegen hinter Müllcontainern und auf Treppenabsätzen.
       
       Wendy Howell ist Mitglied der Working Families Party, einer politischen
       Organisation, die sich links der Demokratischen Partei positioniert. Die
       Gruppe unterstützt im Bundesstaat Kandidat:innen aus dem progressiven
       Flügel der Demokraten. In einigen Bundesstaaten stellen sie eigene
       Kandidat:innen, in Colorado „versuchen wir, die Dinge nach links zu
       bewegen“, so beschreibt Howell das. Stolz ist Howell vor allem über den
       erfolgreichen Kampf für einen höheren Mindestlohn, den ihre Partei in
       Denver unterstützt hat.
       
       „In Denver gibt es jede Menge Probleme, aber die größten sind Bezahlbarkeit
       und Gentrifizierung“, sagt Wendy Howell gegenüber der taz. Das rapide
       Wachstum der Stadt hat diese zu einem „Spielplatz für Immobilienmakler“
       gemacht, betroffen seien vor allem Wohngegenden, die historisch von
       nichtweißen Menschen bewohnt werden. Dieser Prozess spiegelt sich auch in
       anderen Metropolen der USA.
       
       Das Verhältnis der Working Families Party zu den Demokraten ist
       kompliziert, taktiert deren rechter Rand ja mittlerweile auch mit
       Positionen, die früher eher von den Republikanern eingenommen wurden. Das
       Thema Migration wird nicht nur von der GOP vereinnahmt, sondern zunehmend
       auch von Mitgliedern der Demokratischen Partei. Denver hat über die letzten
       Jahre mehr Migrant:innen aufgenommen als jede andere amerikanische
       Großstadt, mit Ausnahmen derer, die in direkter Nähe zur Grenze nach Mexiko
       liegen. „In unserem Abgeordnetenhaus gibt es eine Menge Leute, die
       dagegenhalten, aber definitiv gibt es in der Partei als Ganzes auch viele,
       die weniger Rückgrat zeigen, als sie sollten“, sagt Howell.
       
       Bevor sie zur Working Families Party kam, arbeitete Howell als
       Organisatorin für Gewerkschaften und in der LGBTQ-Bewegung. Über die
       Spannung zwischen Land und Stadt in Colorado sagt sie, dass sich die
       Demokratische Partei nicht ohne Grund früher „Demokratische Bauern- und
       Arbeiterpartei“ nannte. Trotz des politischen Zwiespalts zwischen Denver
       und Orten wie Hugo und Cheyenne Wells gibt es eine geteilte Betroffenheit.
       „Während in Denver die Mietwohnungen von Großkonzernen aufgekauft werden,
       sind es auf dem Land eben die kleinen Farmen.“
       
       Wendy Howell und ihre Partei beobachten die Entwicklung in den USA genau.
       Während die Wut gegen Migrant:innen und andere vulnerable Gruppen
       deplatziert sei, „geht es den Leuten schlecht, sie sehen, wie ihre
       Lebenskosten immer weiter nach oben gehen, während ihre Löhne stagnieren“.
       
       Noch hat die Führung der Working Families Party keine bindende Entscheidung
       dazu getroffen, inwiefern sie Joe Biden bei der kommenden
       Präsidentschaftswahl unterstützt. Klar aber ist, gegen wen sie agieren
       wird: Donald Trump. „Es gibt einen schleichenden Autoritarismus in diesem
       Land“, sagt Wendy Howell. „Wir wissen, dass die Demokratie nicht mit einem
       Knall stirbt, sondern mit einem Flüstern. Und wir hören genau hin.“ In
       vielen nationalen Umfragen sind Trump und Joe Biden gerade gleichauf.
       
       4 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Beschluss-des-US-Supreme-Court/!5995861
 (DIR) [2] /Legaler-Verkauf-von-Marihuana/!5046742
 (DIR) [3] /Sanctuary-Cities-in-den-USA/!5404522
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Streeck
       
       ## TAGS
       
 (DIR) USA
 (DIR) Colorado
 (DIR) Donald Trump
 (DIR) Demokraten
 (DIR) Republikaner
 (DIR) GNS
 (DIR) Reiseland USA
 (DIR) USA
 (DIR) Donald Trump
 (DIR) US-Wahl 2024
 (DIR) US-Wahl 2024
 (DIR) US-Wahl 2024
 (DIR) US-Wahl 2024
 (DIR) US-Wahl 2024
 (DIR) Nikki Haley
 (DIR) US-Wahl 2024
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Unterwegs in Denver: Hoch im Westen
       
       Cowboymode und Goldgräberreichtum, zeitgenössische indigene Kunst und ein
       knallbuntes Restaurant aus „South Park“ – in Denver kann man viel
       entdecken.
       
 (DIR) Volkswagen-Gewerkschaft in den USA: VW-Arbeiter haben die Wahl
       
       Im VW-Werk in Tennessee stimmen die Beschäftigten erneut ab, ob künftig
       eine Gewerkschaft ihre Interessen vertreten soll. Diesmal könnte es
       klappen.
       
 (DIR) Trump sucht Vize: Vorstadtstimmen im Blick
       
       US-Präsidentschaftsbewerber Trump hat die republikanische Nominierung
       sicher. Jetzt sucht er eine:n Vize. Die Liste der Kandidat:innen ist
       lang.
       
 (DIR) Biden gegen Trump im US-Wahlkampf: Ein schrecklich offenes Rennen
       
       Im Präsidentschaftswahlkampf müssen Trump und Biden Präsenz zeigen, in den
       Bundesstaaten und im Netz. Dem Amtsinhaber könnte das zum Verhängnis
       werden.
       
 (DIR) Vorwahlen in den USA: Trumps Strategie geht auf
       
       Joe Biden steht vor einem harten Endspurt. Um seinem starken Gegner Paroli
       zu bieten, muss er selbstbewusst und vital auf Angriffskurs gehen.
       
 (DIR) Präsidentschaftswahlen in den USA: Wo der Triumph Schwächen zeigt
       
       Donald Trump marschiert zur Präsidentschaftskandidatur der Republikaner
       durch, doch es gibt Schwachpunkte. Konkurrentin Haley will nun aussteigen.
       
 (DIR) Vorwahlen in den USA: Trumps Durchmarsch setzt sich fort
       
       Am „Super Tuesday“ gewinnt Donald Trump 14 von 15 republikanischen
       Vorwahlen. Der Druck auf Konkurrentin Nikki Haley, bald aufzugeben, wächst.
       
 (DIR) Präsidentschaftswahlen in den USA: Erster Sieg für Haley bei Vorwahlen
       
       Erstmals kann sich die Republikanerin gegen Konkurrent Trump durchsetzen.
       Ihr Sieg in Washington D.C. ist aber nur ein kleiner.
       
 (DIR) Nikki Haley gegen Donald Trump: Sie macht weiter
       
       Nikki Haley kann im Rennen um die republikanische
       Präsidentschaftskandidatur kaum noch gegen Trump gewinnen. Warum gibt sie
       nicht auf?
       
 (DIR) US-Wahlkampf Biden gegen Trump: Fernduell an der US-Südgrenze
       
       Illegale Grenzübertritte in die USA sind auf einem Rekordniveau und ein
       beliebtes Wahlkampfthema. Biden und Trump reisen deswegen an nach Texas.