# taz.de -- Wahl in Südafrika: In 99 Tagen wird abgerechnet
       
       > Präsident Cyril Ramaphosa legt die kommenden Wahlen auf den 29. Mai fest.
       > Dann dürften 30 Jahre ANC-Alleinregierung enden.
       
 (IMG) Bild: Liberation Blues: Anhänger der südafrikanischen Oppositionspartei Demokratische Allianz mobilisieren für die Wahl
       
       KAPSTADT taz | Nun steht der Wahltermin. Südafrikas 71-jähriger Präsident
       Cyril Ramaphosa nannte am Dienstagabend den 29. Mai als den Tag, an dem
       sowohl die 400 Abgeordneten der Nationalversammlung als auch die
       Regierungen in Südafrikas neun Provinzen gewählt werden sollen. Von den
       rund 61,5 Millionen Südafrikaner*innen sind rund 27,4 Millionen als
       Wahlberechtigte registriert, knapp zwei Drittel der Bevölkerung im
       wahlfähigen Alter.
       
       Vor 30 Jahren, [1][am 27. April 1994], gab es in Südafrika die ersten
       demokratischen Wahlen mit einer Beteiligung von noch fast 87 Prozent aller
       Wahlberechtigten und einem [2][Sieg des ANC (African National Congress)
       unter Nelson Mandela] mit 62 Prozent der Stimmen. Der 27. April wurde als
       Freedom Day zum landesweiten Feiertag.
       
       Meinungsumfragen aus jüngster Zeit lassen demgegenüber nur wenig spüren von
       Freiheit, Einheit und Versöhnung, geschweige denn einer Überwindung der
       sozialen Probleme: Extreme Armut trifft mehr als 55 Prozent der Bevölkerung
       bei einer Arbeitslosenrate von 33 Prozent, unter Jugendlichen und jungen
       Erwachsenen sogar über 60 Prozent. Bei [3][der letzten Wahl 2019] gingen
       nur noch 49 Prozent der Wahlberechtigten überhaupt wählen, unter den jungen
       Erstwähler*innen waren es sogar nur 10 Prozent.
       
       Eine aktuelle repräsentative Umfrage unter 9.000 potenziellen
       Wähler*innen aus städtischen und ländlichen Gebieten wie aller Ethnien
       ergab, dass die „Distanz zu politischen Parteien“ weiter zugenommen hat.
       Nur noch um die 40 Prozent würden den ANC wählen, was erstmals ein Ende der
       ANC-Alleinregierung nach dreißig Jahren bedeuten würde.
       
       Die beiden stärksten Oppositionsparteien DA (Democratic Alliance,
       liberal-konservativ) mit 19 Prozent und EFF (Economic Freedom Fighters,
       linkspopulistisch) mit knapp 16 Prozent nehmen aber ihrerseits kaum zu. Die
       restlichen 10 bis 15 Prozent derjenigen, die überhaupt wählen wollen,
       verteilen sich auf 90 kleine und kleinste Parteien und Einzelpersonen.
       
       ## Opposition sucht nach einem Rezept
       
       So war es keine Überraschung, als Mitte August 2023 zuerst sieben,
       inzwischen elf Parteien [4][eine „Mehrparteien-Charta“ (MPC)] aus DA,
       Action South Africa, IFP, FFP und anderen gründeten mit zuerst zwei Zielen:
       im Wahlkampf nicht gegeneinander anzutreten, sondern zuerst gegen den ANC
       sowie die EFF, die sich nicht dem Bündnis anschloss, und dann auf
       nationaler Ebene keine Regierungskoalition mit ANC oder EFF einzugehen. Wie
       erfolgreich dies bei der großen Unterschiedlichkeit der Charta-Parteien
       sein wird, deren politische Bandbreite von liberal bis national und
       religiös-konservativ reicht, bleibt abzuwarten.
       
       Eine Überraschung gelang dagegen [5][Jacob Zuma], dem 81-jährigen
       Vorgänger des heutigen Präsidenten, der im Februar 2018 wegen zahlreicher
       Korruptionsanklagen zurücktreten musste, es aber schaffte, sich mit
       unterschiedlichen Tricks wie „dringender Krankenhausbehandlung“ in Moskau
       einem Prozess bis heute zu entziehen.
       
       Am 16. Dezember 2023, dem nationalen „Versöhnungsfeiertag“, erklärte Jacob
       Zuma, dass er nicht mehr für den ANC von Cyril Ramaphosa, dem „Agenten des
       weißen Monopolkapitals“, stimmen könne, sondern eine eigene Partei MK
       (uMkhonto Wesizwe – Speer der Nation) gründen würde, so benannt nach dem
       früheren militärischen Flügel des ANC. Inzwischen wurde Zuma als
       ANC-Mitglied suspendiert. Seine Anhänger, vor allem in seiner
       bevölkerungsstarken Heimatprovinz KwaZulu-Natal, werden seinem Aufruf
       folgen.
       
       ## Ramaphosa beliebter als seine Partei
       
       In der genannten jüngsten Umfrage jedoch hat Präsident Ramaphosa landesweit
       mit 54 Prozent Zustimmung bessere Werte als seine Partei, gefolgt vom
       EFF-„Oberbefehlshaber“, wie er sich selbst nennt, Julius Malema mit 45
       Prozent. Als größtes Problem Südafrikas wird die Arbeitslosigkeit genannt,
       noch weit vor Kriminalität, Korruption und weiter täglichem Stromausfall.
       
       Viel internationale Anerkennung vor allem aus Ländern des Globalen Südens
       erhielt Cyril Ramaphosa für den [6][Antrag Südafrikas beim Internationalen
       Gerichtshof (IGH) in Den Haag], Israel wegen Völkermord in Gaza anzuklagen
       und einen unmittelbaren Waffenstillstand durchzusetzen. Auf die Wahlen in
       Südafrika wird dies indes kaum Auswirkungen haben.
       
       Erfreulich ist, dass Anfang Februar, als sich Südafrikaner*innen zum
       letzten Mal als Wahlberechtigte registrieren lassen konnten, mit großem
       Einsatz verschiedener Jugendorganisationen viele Jungwähler der Generation
       unter 30 mobilisiert werden konnten. So werden 2024 voraussichtlich
       immerhin 48 Prozent dieser Altersgruppe wählen gehen können, deutlich mehr
       als bei den letzten Wahlen 2019. Auch das dürfte dem ANC nicht zum Vorteil
       gereichen.
       
       21 Feb 2024
       
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