# taz.de -- Wahlen in den USA: Die Macht der Senatoren
       
       > Am 3. November wird in den USA auch ein Teil der Sitze im Senat neu
       > vergeben. Das Ergebnis wird entscheidend für die künftige
       > Regierungspolitik.
       
 (IMG) Bild: Der republikanische Mehrheitsführer Mitch McConnell vor einer Sitzung im Kapitol in Washington
       
       Neben der [1][US-Präsidentschaftswahl am 3. November werden auch
       Senatswahlen abgehalten]. Mit demokratischer Mehrheit wäre der Senat ein
       zentraler Baustein für die Verabschiedung von Reformen unter einem
       Präsidenten Biden. Wie gut stehen die Chancen darauf und mit welchen
       Hindernissen im Kongress müssten die Demokraten bei der Verwirklichung
       ihrer Vorhaben rechnen?
       
       Bei den anstehenden Wahlen werden 35 von 100 Senatssitzen vergeben. Bisher
       halten die Republikaner eine Mehrheit mit 53 Sitzen; allerdings müssen
       davon dieses Jahr 23 Mandate verteidigt werden. Gleichzeitig werden alle
       435 Sitze des Repräsentantenhauses, der zweiten Kammer des US-Kongresses,
       gewählt. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden die [2][Demokraten dort die
       Mehrheit], die sie 2018 gewonnen haben, noch ausbauen.
       
       Vieles deutet darauf hin, dass die Demokraten einige Mandate im Senat
       hinzugewinnen werden – die entscheidende Frage ist, wie viele Sitze. Für
       eine Mehrheit müssten die Demokraten einen Nettogewinn von 3 oder 4
       Senatssitzen erzielen, je nachdem wie die Präsidentschaftswahl ausgeht.
       Denn bei einem Patt im Senat kann der US-Vizepräsident die entscheidende
       Stimme abgeben. Von den 23 zu verteidigenden Senatssitzen der Republikaner
       werden 10 als stark umkämpft eingestuft. Einigen republikanischen
       Amtsinhabern wird nun ihre Nähe zu Trump zum Verhängnis. Zuletzt stufte die
       Statistik-Website FiveThirtyEight die Chancen der Demokraten, die Mehrheit
       im Senat zu gewinnen, mit 73 Prozent ein. Gerade bei [3][engen Wahlen in
       Staaten wie North Carolina, Maine oder Iowa] kann aber noch viel passieren.
       
       Falls die Demokraten die Präsidentschaft und eine Senatsmehrheit gewinnen,
       wird die Verabschiedung von Maßnahmen zur Linderung der wirtschaftlichen
       und sozialen Auswirkungen der Coronapandemie Priorität haben. Weitere
       wichtige Projekte sind eine Wahlrechtsreform, Antikorruptionsgesetze,
       strengere Umweltauflagen sowie eine Verbesserung der Gesundheitsreform von
       2009. Viele Maßnahmen sollen gleichzeitig zur Bekämpfung des Klimawandels
       beitragen. In der Außenpolitik, in der der Präsident weniger Rücksicht auf
       den Kongress nehmen muss, wird es der Biden-Administration vorerst darum
       gehen, das Vertrauen der engsten Verbündeten in die USA zurückzugewinnen.
       
       Bei den innerparteilichen Debatten der Demokraten um die Reichweite der
       Reformen könnte es zu Auseinandersetzungen zwischen eher konservativen und
       progressiven Abgeordneten, insbesondere im Repräsentantenhaus, kommen. Denn
       viele Abgeordnete aus „[4][swing districts]“, also Wahlkreisen mit
       schwankendes Mehrheiten zwischen Republikanern und Demokraten, wollen ihre
       Wiederwahl in zwei Jahren nicht gefährden, indem sie Maßnahmen zustimmen,
       die viele Wähler als zu radikal empfinden. Daneben würden im demokratisch
       dominierten Senat die oppositionellen Republikaner alles daransetzen,
       Gesetzesvorhaben zu blockieren.
       
       Ein bewährtes Instrument dabei sind Filibuster, durch die oppositionelle
       Senatoren die Abstimmung über einen Gesetzentwurf verzögern und damit
       behindern können. Dabei wird die Debatte über das Gesetz verlängert, und
       Senatoren können so lange sprechen, wie sie es für notwendig halten. Ein
       Filibuster kann gewöhnlich nur mit 60 Stimmen im Senat beendet werden. In
       der Praxis genügt es meistens, dass die Oppositionspartei einen Filibuster
       ankündigt, um ein Gesetzesvorhaben zu blockieren. Damit kann sie zumindest
       ein Vorhaben verwässern oder eigene Anliegen im Gesetzespaket mit
       unterbringen. Diese Praxis hat den Senat zunehmend lahmgelegt und ist für
       ein demokratisches System problematisch. Denn wenn politische
       Entscheidungen mehrheitlich nur mit 60 Prozent Zustimmung einer Kammer
       möglich sind (und das auch nur, solange auch das Repräsentantenhaus und der
       Präsident mitspielen), spielt die Durchsetzung des Wählerwillens nur eine
       untergeordnete Rolle.
       
       Filibuster können allerdings nicht bei Entscheidungen angewandt werden, für
       die ein klarer Zeitraum für Senatsdebatten vorgesehen ist, zum Beispiel bei
       Budgetabstimmungen. Daneben kann der Senat seit einer Verfahrensänderung
       von 2013, damals unter demokratischer Senatsmehrheit, Bundesrichter (mit
       Ausnahme von Verfassungsrichtern) und politische Regierungsvertreter
       faktisch mit einfacher Mehrheit ernennen.
       
       Da eine demokratische Mehrheit mit 60 Stimmen im Senat sehr
       unwahrscheinlich ist, wäre für die Verabschiedung der meisten
       Gesetzespakete eine parteiübergreifende Zusammenarbeit, von der Joe Biden
       so oft spricht, notwendig. Trotz der extremen Polarisierung in den USA
       hofft Biden noch darauf, dass sich die Republikaner nach einer krachenden
       Niederlage und einer Abkehr von Trump kompromissoffener zeigen. Dann
       könnten sich beide Parteien vielleicht auf weniger strittige Vorhaben wie
       ein Infrastrukturpaket einigen, das seit Langem diskutiert wird.
       Ambitionierte Projekte der Demokraten blieben aber unwahrscheinlich.
       
       Eine andere Option wäre die Abschaffung des Filibusters, die „nuclear
       option“, die vor allem von progressiven Stimmen der Demokraten gefordert
       wird. Kürzlich sprach sich auch Barack Obama für diesen Schritt aus,
       sollten die Republikaner eine Wahlrechtsreform blockieren. Die Abschaffung
       des Filibusters wäre zwar mithilfe einer Verfahrensänderung im Senat
       möglich, ist politisch aber riskant. Noch sind auch viele Demokraten,
       darunter vor allem Senatoren, skeptisch; nicht zuletzt deshalb, weil sie
       befürchten, damit ein mächtiges Mittel aus den Händen zu geben für den
       Fall, dass sie künftig wieder in der Minderheit sind. Sollten sich die
       Republikaner aber für eine Fundamentalopposition ähnlich wie unter Obama
       entscheiden, könnten die Demokraten aber doch die „Nuklearoption“ ziehen.
       
       26 Oct 2020
       
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