# taz.de -- Wahlsieger Kurz in Österreich: Wendig, konservativ, machtbewusst
       
       > Einst kurvte Sebastian Kurz mit dem Geilomobil durch die Hauptstadt Wien.
       > Später sprengte er die Koalition. Nun ist er ganz obenauf.
       
 (IMG) Bild: Sebastian Kurz nach seiner Stimmabgabe in Wien
       
       WIEN taz | Sebastian Kurz war kein ganz unbeschriebenes Blatt, als er vor
       sieben Jahren vom damaligen Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) zum
       Staatssekretär für Integration bestellt wurde. Kurz vorher hatte er bei der
       Jungen ÖVP in Wien einen an das junge Publikum gerichteten Spaßwahlkampf
       geführt. In einem schwarzen „Geilomobil“ fuhr er durch die Straßen und
       verteilte schwarze Kondome.
       
       Von den in Integrationsfragen engagierten NGOs wurde dem Jurastudenten ohne
       nachweisliche Erfahrung auf dem Gebiet daher zunächst Skepsis
       entgegengebracht. Kurz verstand es aber, frischen Wind zu erzeugen und den
       bis dahin rein polizeilichen Zugang des Innenministeriums aufzuweichen:
       Integration definierte er als Frage des Miteinanders.
       
       Diese Erkenntnis verdankte er seinen eigenen Erfahrungen. Kurz hatte im
       proletarischen Bezirk Meidling mit Migranten die Schulbank gedrückt und
       sogar ein gemeinsames Unternehmen gegründet. Er bekannte sich offen zum
       Islam als „Teil Österreichs“, was ihm heute von der rechten FPÖ vorgehalten
       wird.
       
       Er ernannte erfolgreiche Migrantinnen und Migranten aus Sport, Kultur und
       Wirtschaft zu „Integrationsbotschaftern“ und schickte sie in die Schulen.
       
       ## Aufstieg zum Umfrageliebling
       
       Was Kurz entgegenkam, war eine traditionelle Schwäche der Österreicherinnen
       und Österreicher für besonders junge Politiker. Schnell stieg der junge
       Mann zum Umfrageliebling auf und so war es nur konsequent, dass Kurz 2013
       mit 27 Jahren zum jüngsten Außenminister Europas avancierte.
       
       Da sein Vorgänger Spindelegger dieses Amt ebenso lustlos wie uninspiriert
       ausgeübt hatte, bot sich dem Neuling die einmalige Chance, Akzente zu
       setzen und mithilfe eines erfahrenen Beraterteams alle Fettnäpfchen
       erfolgreich zu umschiffen.
       
       Unbeschädigt von den Machtkämpfen und Intrigen der Koalitionspartner konnte
       sich Kurz auf dem diplomatischen Parkett und dank ständiger Medienpräsenz
       in der Öffentlichkeit eine Aura schaffen, die ihn zum Retter der ÖVP
       prädestinierte.
       
       Mit der Flüchtlingswelle, die im Spätsommer 2015 über Österreich und
       Deutschland hinweg rollte, vollzog Kurz einen politischen Schwenk. Er
       kritisierte Angela Merkels Wir-schaffen-das-Attitüde und verabredete im
       März 2016 mit den Balkanstaaten die Sperre des Landweges. Deutschland und
       Griechenland, die am stärksten betroffenen EU-Staaten, wurden weder
       konsultiert, noch eingeladen.
       
       ## Politischer Wendehals
       
       Seither rühmt sich Kurz bei jeder Gelegenheit, quasi im Alleingang die
       Westbalkanroute gesperrt zu haben. Dass er damit dem Schleppergewerbe neuen
       Auftrieb verschafft hat, wird ebenso kleingeredet wie Merkels Deal mit
       Recep Tayyip Erdogan, der eigentlich erst verhindert, dass sich täglich
       weitere Tausendschaften über den Balkan auf den Weg machen.
       
       Der politische Wendehals Kurz wurde zum Star der deutschen Talk-Shows,
       stets bereit, mit treuherzigem Blick die Kanzlerin zu attackieren. Für sein
       nächstes Projekt, die Schließung der Mittelmeerroute, erntete er zunächst
       viel Häme ob der Unmöglichkeit des Vorhabens.
       
       Doch der durch die Parteiakademie der ÖVP rhetorisch geschulte Wunderknabe
       versteht es, das Undurchführbare zu verlangen und alle Kritiker als
       kleinmütige Miesmacher dastehen zu lassen.
       
       Seit Sebastian Kurz im vergangenen Mai als neuer ÖVP-Chef designiert wurde,
       führt er in allen Umfragen. Die Partei liegt ihm zu Füßen – und winkte ein
       neues Parteistatut durch, das ihm weitgehende Durchgriffsrechte sichert.
       
       ## Hippes Türkis
       
       Die dröge Parteifarbe Schwarz wurde durch hippes Türkis ersetzt, die mehr
       als 70 Jahre alte Partei als Bewegung ausgegeben. Auf dem Wahlzettel stand
       „Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei“.
       
       Dahinter allerdings verbirgt sich noch viel alte ÖVP: ein patriarchal
       geprägtes Familienbild, Politik für Konzerne und Großbauern, Machterhalt um
       jeden Preis. Der dürfte auch jetzt gelungen sein.
       
       15 Oct 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Leonhard
       
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