# taz.de -- Wasserkrise in Bogotá: Nur noch zu zweit duschen
       
       > Kolumbiens Politik überschlägt sich in der Dürre mit mehr oder weniger
       > ernsthaften Tipps für Verbraucherïnnen. Die Industrie lässt sie eher in
       > Ruhe.
       
 (IMG) Bild: Zurzeit ein rares Gut: Wasser schleppen in der Gemeinde La Calera im Nordosten Bogotás
       
       BOGOTÁ taz | Der kurioseste Vorschlag kam diese Woche [1][von Kolumbiens
       Präsident Gustavo Petro]: Wer könne, möge doch bitte übers Wochenende
       Bogotá verlassen. Damit andere Wasserquellen belastet und die
       Trinkwasser-Reserven der Hauptstadt geschont würden.
       
       Fragt sich nur, wohin. Das Problem betrifft schließlich nicht nur Bogotá.
       Weite Teile des Landes erleben gerade eine Dürre. An der Karibikküste sind
       im ausgetrockneten Schwemmland tausende Fische gestorben. Wenn man sich die
       Karten des staatlichen Instituts für Hydrologie, Meteorologie und
       Umweltstudien anschaut, ist ein Großteil des Landes mit Warnungen wegen
       Waldbrandgefahr und Dürre überzogen.
       
       Im Rest häufen sich die Warnungen vor Überflutung. Doch was es braucht, um
       die Reservoirs zu füllen, ist stetiger Regen. Kurzum: Um der Bitte des
       Präsidenten nachzukommen, müssten die Bogotanos wohl übers Wochenende an
       die Pazifikküste fliegen.
       
       El Niño, Klimakrise und Dürre haben den Pegel der beiden wichtigsten
       Stauseen fürs Trinkwasser der Hauptstädterinnen auf ein Rekordtief sinken
       lassen. Seit gut einer Woche wird in einem der neun Sektoren der Hauptstadt
       plus Umland [2][jeweils im Wechsel für 24 Stunden das Wasser abgestellt].
       Rund 10 Millionen Menschen sind betroffen.
       
       Damit soll der Verbrauch von 17 auf höchstens noch 15 Kubikmeter pro
       Sekunde gesenkt werden, also um mehr als 11 Prozent. Doch wurde dieses Ziel
       bis Freitag kein einziges Mal erreicht. Der Verbrauch stieg
       zwischenzeitlich sogar. Appelle haben nicht gereicht.
       
       Die große Duschdebatte 
       
       Jetzt kommen die Strafen – zumindest ein bisschen: Wohngebäuden, die am
       Spartag ihre Wassertanks auf dem Dach benutzen, drohen jetzt Geldstrafen.
       Haushalte, die mehr als 22 Kubikmeter monatlich verbrauchen, müssen künftig
       erhöhte Preise zahlen. Ausgenommen sind unter anderem Krankenhäuser, Heime
       und anscheinend auch Einrichtungen in Wohnhäusern, die gemeinsam genutzt
       werden. Die Formulierung ist schwammig. Da könnte vermutlich auch ein
       Gemeinschaftspool vom Wassersparen ausgeschlossen sein.
       
       Die öffentliche Debatte dreht sich vor allem ums Duschen. Das braucht laut
       städtischem Wasseranbieter EAAB bis zu 12 Liter Wasser pro Minute.
       Kolumbien ist neben Brasilien und Mexiko das Land, in dem sich die Menschen
       am häufigsten duschen, heißt es in den Nachrichten. Ein- bis zweimal am Tag
       ist nicht unüblich. An dieser kulturellen Bastion lässt sich nicht rütteln,
       wenn man den Moderatoren im Radio Glauben schenken darf. Nur jeden zweiten
       oder dritten Tag duschen? Das machen doch nur diese Ferkel in Europa!
       
       Die anfängliche Empfehlung von Dusch-Liedern von maximal fünf Minuten Länge
       erscheint allerdings mittlerweile vielen Kolumbianerïnnen als zu lasch. Sie
       peilen jetzt 3 Minuten an. Bogotás Bürgermeister Carlos Fernando Galan rief
       in der vergangenen Woche schon dazu auf, doch zu zweit zu duschen („nur
       duschen“, schob er später nach), wurde zum Social-Media-Hit, wenn auch
       bislang nicht zum Wassersparwunder.
       
       Vieles bleibt weiter freiwillig. Die Industrie wird ausgespart. Zwar
       entfallen laut dem städtischen Wasseranbieter EAAB 90 Prozent des Konsums
       auf die Haushalte. Aber Potenzial wäre da.
       
       Die Stadt wäscht seit Neuestem ihre Busse außen nur noch einmal pro Woche
       statt täglich. Das verspricht auch der private Taxianbieter Taxis Libres
       [3][und will dadurch täglich 68.000 Liter einsparen] – sofern die
       Fahrerïnnen mitspielen, die die Autos waschen. Ein Spediteur hatte dasselbe
       ebenfalls groß angekündigt. Das zeigt auch: Ein sparsamer Umgang mit der
       Ressource Wasser war bisher die Ausnahme.
       
       ## Bald könnte auch Strom rationiert werden
       
       Die Stauseen in Kolumbien haben drei Aufgaben: Trinkwasser, Stromerzeugung
       und Wasser für die Landwirtschaft. Wenn es so weitergeht, erreicht
       Kolumbien in spätestens sechs Tagen ein kritisches Niveau, [4][sagte am
       Freitag der Präsident der Energieerzeuger-Vereinigung] (ANDEG), Alejandro
       Castañeda.
       
       Die Stauseen waren da nur noch zu 28,5 Prozent gefüllt. Fällt der Pegel
       unter 27 Prozent, muss Strom rationiert werden. Es müsse dringend regnen,
       sagt Castañeda. Kolumbien hat vor Kurzem [5][alle Strom-Exporte nach
       Ecuador eingestellt].
       
       Das Nachbarland erlebt bereits, was Kolumbien droht: trockene Stauseen und
       Stromausfälle, dazu kein Wasser. Die Stromausfälle verstärken die
       politische Krise im Land – und werden beim Referendum diesen Sonntag eine
       wichtige Rolle spielen. Präsident Daniel Noboa will sich per Referendum
       noch mehr freie Hand sichern – angeblich gegen das organisierte Verbrechen.
       Dazu zählt er auch Korruption und Misswirtschaft in der Energiebehörde.
       
       ## Der Plan: daheim bleiben
       
       Ähnlich wie in Ecuador mischen sich in Kolumbien Wasser, Energie und
       Politik. Ecuador hatte für Donnerstag und Freitag per Dekret den Arbeitstag
       suspendiert – zum Stromsparen. Betroffen waren fast alle Behörden, aber
       auch Schulen und Kindergärten. Donnerstagnachmittag kündigte Kolumbiens
       Präsident Petro für Freitag einen nationalen „Bürgertag“ an: daheim
       bleiben, um Wasser und Strom zu sparen.
       
       Allerdings klinkten sich einige Städte aus – allen voran Bogotá. Petro
       hatte seinen Bürgertag weder mit der Stadt noch mit dem Hauptstadtdistrikt
       abgesprochen. Der Präsident der Energieerzeuger-Vereinigung zweifelt
       sowieso an der Wirkung eines solchen Tages: Dann würden die Menschen statt
       im Büro daheim Strom und Wasser verbrauchen.
       
       Kolumbiens Umwelt- und Energieministerium [6][haben diese Woche einen
       15-Punkte-Plan gegen die Energiekrise vorgestellt] – um sich für den
       Endspurt von El Niño zu rüsten. Dieses Wochenende soll es endlich regnen.
       Doch das reicht nicht. Bürgermeister Galán hat schon durchblicken lassen,
       dass die Rationierungen ein Jahr dauern könnten.
       
       19 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://twitter.com/petrogustavo/status/1781039082644058356
 (DIR) [2] /Wasser-sparen-in-Kolumbien/!6000606
 (DIR) [3] https://www.elpais.com.co/economia/taxis-libres-anuncio-cambios-con-sus-carros-en-bogota-1605.html
 (DIR) [4] https://www.bluradio.com/economia/de-seguir-la-tendencia-en-5-o-6-dias-llegaremos-a-nivel-critico-dicen-generadoras-de-energia-pr30
 (DIR) [5] https://www.portafolio.co/economia/gobierno/colombia-suspende-suministro-de-energia-a-ecuador-602850
 (DIR) [6] https://www.elespectador.com/economia/las-15-medidas-del-gobierno-para-enfrentar-la-crisis-energetica-que-trajo-el-nino/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katharina Wojczenko
       
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