# taz.de -- Widerstand gegen Verkehrsprojekt: Keine Autobahn für Hafenhooligans
       
       > Eine neue Autobahn droht Moorburg zu teilen. Doch die BewohnerInnen
       > halten zusammen und wehren sich.
       
 (IMG) Bild: Schluss. Aus. Ende. Die Bürgerinnen von Moorburg wollen vom Bauprojekt A26-Ost nichts wissen
       
       von [1][DAVID JORAM] und [2][SAMBA GUEYE] 
       
       Hamburg hat viel. Vor allem an Prunk, Eleganz und Wohlstand. An der Elbe
       werden Träume wahr, pulsiert das Leben, geht es ab. Mit der Elbphilharmonie
       erhält die Millionenmetropole noch mehr Aufmerksamkeit; StadtplanerInnen
       und PolitikerInnen signalisieren mit dem Projekt, dass sie im Konzert der
       global cities mitspielen können. 
       
       Als ökonomische Grundlage für all die guten Aussichten dient der Hafen, er
       ist die Lebensader der Hansestadt, ein Segen, finden die meisten
       AnwohnerInnen. Und er soll weiter wachsen, hofft nicht nur die Wirtschaft.
       Mitwachsen solle auch die Infrastruktur rund um den Hafen, fordert die
       Politik. Es gehe darum, die betroffenen Gebiete verkehrstechnisch zu
       entlasten, Ausweichmöglichkeiten zu schaffen, marode Straßen und Brücken zu
       sanieren oder eben neue zu bauen. 
       
       Allerdings: nicht alle sind damit einverstanden, es regt sich Widerstand.
       Insbesondere in [3][Moorburg], jenem südlich der Elbe gelegenen 700 Jahre
       alten Dorf, das von der neuen Autobahn A26-Ost durchschnitten werden soll.
       Hier halten sie die Autobahnpläne – die Route soll in 50 Meter Höhe an
       Moorburg vorbeiführen – für den Totengräber des knapp 800-Einwohner-Ortes.
       Ob das so ist, wollte taz.meinland herausfinden und hat deshalb Moorburg im
       Gebiet der Süderelbe besucht. 
       
       ## Bürgerbeteiligung als Mogelpackung
       
       Wir wollten wissen: Was steckt hinter dem Widerstand des „gallischen Dorfs
       an der Elbe?“ Im kleinen, aber kultigen Saal des [4][elbdeich e.V.] haben
       sich 62 Menschen eingefunden. Wie sie zu den Autobahnplänen der A26-Ost
       stehen (diese sehen vor, die A1 mit der A7 zu verbinden) wird schnell klar.
       Schwarz-weiße Totenköpfe, umschlungen von Straßen, blicken von Plakaten
       herab, auf einem steht: „Zukunftsplan statt Autobahn A26 – Verkehrsdialog
       in Hamburg: JETZT!“ 
       
       Die Blicke der ZuschauerInnen richten sich auf die tiefen Sofas und Sessel,
       wo taz.nord-Redakteur [5][Gernot Knödler] mit sechs Gästen über die Pläne
       für Moorburg und den Protest diskutiert. 
       
       Malte Siegert (Leiter Umweltpolitik NABU Hamburg), Klaus Baumgardt
       (Förderkreis Rettet die Elbe e.V.), Jochen Klein (Bürgerinitiative „Stopp
       A26-Ost“) und Stephan Zins (Bündnis „Verkehrswende Hamburg“) kritisieren
       die Pläne – Stephan Deys (Amt für Verkehr und Straßenwesen) und Peter
       Pfeffermann (Projektleiter A26-Ost der Bau-GmbH DEGES) werben um
       Verständnis. 
       
       ## Ärgerlich für die AnwohnerInnen, besser für den Rest?
       
       Sie tun dies leidenschaftlich und nachdrücklich. Das Problem ist nur, dass
       nicht eine einzige Stimme im Publikum ihnen folgen mag. Viel zu spät, so
       wird moniert, hätte die Politik die BürgerInnen mit einbezogen. Jetzt gebe
       es zwar ein Bürgerbeteiligungsverfahren, doch das sei eine Mogelpackung.
       Weil die entscheidende Frage – benötigt das Dorf eine 9,7 Kilometer lange
       Autobahn zur Entlastung des Hafenverkehrs oder nicht? – längst entschieden
       sei: „Es geht nicht mehr um das ob, sondern um das wie“, gibt selbst
       Pfeffermann zu, der den Sinn und Zweck der Autobahn deshalb umso stärker
       verteidigen muss. 
       
       Sein Mitstreiter Deys argumentiert: „Fernstraßen fallen unter das
       Bundesrecht. An dieses Gesetz sind wir gebunden.“ Soweit die rechtliche
       Ebene – und sonst? Der Hafen, der dann besser angebunden sei, profitiere
       von der Lösung und der Ost-West-Verkehr ebenfalls, da es eine durchgehende
       Verbindung gebe, die die städtischen Straßen entlaste, so Deys. Dass die
       geplante Strecke mitten durch Moorburg gehen wird und der Verkehr –
       zumindest akustisch und visuell – näher rückt, sei für die betroffenen
       AnwohnerInnen zwar ärgerlich, für den „Wirtschafts- und Erledigungsverkehr“
       aber eine bessere Lösung. 
       
       Pfeffermann verweist zusätzlich darauf, dass viele der maroden Verkehrswege
       sowieso saniert werden müssten. Seine Sorge, zugespitzt, ist: Falls dann
       keine Ersatz- und Ergänzungslösung vorhanden ist, kommt es zum
       Verkehrschaos. Ergo müsse der Verkehr rechtzeitig auf die künftig
       ausgebaute A26 verlagert werden. 
       
       ## Leben im Hafenerweiterungsgebiet
       
       Dagegen argumentiert eine Stimme aus dem Publikum: „Eine der wenigen
       Straßen in Wilhelmsburg, die nicht desolat ist, ist die Haupthafenroute.“
       Eben jene also, die entlastet werden soll. Auch ökologische Bedenken werden
       geäußert: Demnach ziehe jede neue Autobahn den Verkehr wie ein Staubsauger
       an. Die A26-Ost sei daher unsinnig. 
       
       Da Moorburg offiziell allerdings kein reines Wohn-, sondern ein
       Hafenerweiterungsgebiet ist, spielen natürlich wirtschaftliche Interessen
       eine zentrale Rolle. Und genau das ärgert die BürgerInnen, während Deys und
       Pfeffermann predigen, dass die Autobahn für sie auch ein Segen sei. „Wir
       tun das für Sie“, erklärt Deys. Schließlich bildeten sich vor Moorburg
       regelmäßig 35 bis 40 Kilometer lange Staus. Doch alles was er erntet, sind
       ärgerliche Blicke und höhnische Zwischenrufe. 
       
       Kritisch beurteilt die Contra-Fraktion die von staatlicher Seite aus
       gemachten Verkehrsprognosen für Moorburg, die nicht dem aktuellen Stand
       entsprächen. Sie sehen vor, dass aus den derzeit täglich 5.500 durch
       Moorburg fahrenden Autos im Jahr 2030 wohl 9.800 würden. „In den letzten
       zehn Jahren ist der Verkehr hier nicht angewachsen“, entgegnet ein Mann im
       Publikum. 
       
       ## Vermitteln, was nicht zu vermitteln ist
       
       Und auch die Waren, die am Hafen umgeschlagen werden, würden keineswegs
       mehr, wie so oft behauptet. Davon träume zwar Hamburgs Senat, die Realität
       sei aber eine andere. Sprich: Weil am Hafen nicht mehr umgeschlagen wird,
       muss er auch nicht ausgebaut werden – weshalb wiederum auch keine neuen
       Infrastrukturprojekte bemüht werden müssen. 
       
       Ohnehin sei ein Umdenken vonnöten, plädiert Klaus Baumgardt vom
       Elbe-Förderkreis. „Die Hafenerweiterung unterliegt reinem Ideologiedenken
       des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts. Die Hafenhooligans sagen nämlich:
       Wird der Hafen nicht erweitert, steigt Hamburg aus der Hafen-Weltliga in
       die Regionalliga ab.“ Er ergänzt mit ironischem Unterton: „In der
       Regionalliga ist Kopenhagen. Die sind so arm, die können sich keine Autos
       mehr leisten, die müssen Rad fahren.“ 
       
       Baumgardt resümiert: „Man muss über den Hafenentwicklungsplan politisch
       diskutieren.“ Bloß: Den Einladungen von taz.meinland sind Hamburgs
       PolitikerInnen nicht gefolgt – stattdessen müssen die Fachspezialisten
       Pfeffermann und Deys vermitteln, was dem Publikum unvermittelbar ist: Dass
       nämlich gesamtverkehrsplanerische Aspekte, die finanziell vorteilhaft
       erscheinen und auf Bundesebene diskutiert werden, Vorfahrt gegenüber
       lokalen Interessen haben. 
       
       ## Ein neuer Feind schweißt zusammen
       
       Nur finden die KritikerInnen eben, dass die Prognose zur Gesamtplanung
       längst veraltet sei. Entsprechend gereizt ist die Stimmung. „Der Protest
       ist und bleibt laut, weil die Autobahn-Planung alternativlos ist. Diese
       Debatte wird nicht ergebnisoffen geführt“, kritisiert eine Frau, die sich –
       wie viele ihrer MitstreiterInnen – so fühlt, als müsse sie sich wie der
       kleine Gallier Asterix vor dem großen römischen Heer behaupten. Und alle
       fragen sich hier: Spinnen Hamburgs PolitikerInnen eigentlich? Jedenfalls
       schweißt sie die wachsende existentielle Bedrohung des Dorfs zusammen. 
       
       Eine A26-Gegnerin, die seit neun Jahren in Moorburg lebt und schon bei den
       Protesten gegen das Kohlekraftwerk dabei war, untermauert den
       Solidaritätsgedanken. Sie sagt: „Eine Vision wäre, dieses Dorf, in dem die
       Alt- und Neumoorburger zusammengewachsen sind, umzusiedeln. Und zwar an
       einen Ort, der genauso schön ist, der genauso viel von Grün umgeben ist.
       Und zwar alle gemeinsam.“ 
       
       Irgendwie typisch für Moorburg scheint, dass die Frau auch den Betreiber
       des Kraftwerks mit einschließt. Der einstige Gesinnungsfeind kämpfe
       mittlerweile ebenfalls gegen die Autobahnpläne an – zusammen mit den
       anderen Moorburgern. Wie dieser vorgeblich hoffnungslose Kampf weitergeht,
       hängt auch ein bisschen vom Zaubertrankvorrat ab: Der besteht in Moorburg
       aus einer intakten Gemeinschaft – und die hält vorerst stand. Autobahnpläne
       hin oder her.
       
       31 Mar 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /David-Joram/!a23945/
 (DIR) [2] /Samba-Gueye/!a38133/
 (DIR) [3] http://www.hamburg-moorburg.de/
 (DIR) [4] http://www.elbdeich.org/
 (DIR) [5] /!a199/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) David Joram
 (DIR) Samba Gueye
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA